Ski alpin:Mittendrin statt nebenan

Ski alpin: Fingerzeig: Andreas Sander ist kein Fahrer für große Gesten - aber sein Super-G in Aspen steht auch so für sich.

Fingerzeig: Andreas Sander ist kein Fahrer für große Gesten - aber sein Super-G in Aspen steht auch so für sich.

(Foto: Mario Buehner/Gepa/Imago)

Erstes Weltcup-Podest im 180. Anlauf: Skirennfahrer Andreas Sander überrascht sich in Aspen selbst - und bekräftigt, dass er mehr sein kann als nur ein Gast im Kreis der Besten.

Von Johannes Knuth

Als sie dann Aufstellung nahmen bei der Siegerehrung, wirkte das noch immer ein wenig ungewohnt. In der Mitte stand Marco Odermatt, der Schweizer, der soeben seinen fünften Super-G in diesem Winter gewonnen hatte - Rekord. Links von ihm Aleksander Aamodt Kilde, der zweite Ausnahmefahrer des Winters, diesmal Dritter. Und mittendrin tatsächlich Andreas Sander von der Skigemeinschaft Ennepetal 1939 e.V., der Zweite, der bis zu diesem Sonntag in den Rocky Mountains tatsächlich noch nie auf einem Podest im Weltcup vorbeigeschaut hatte. Selbst Sander räumte später ein, dass er, bei aller Freude, "überrascht" war, "dass es so geklappt hat, wie ich es mir vorgenommen hatte". Als wolle er sagen: Endlich, 15 Jahre nach seinem Debüt im Weltcup, im 180. Anlauf.

Wollte man Sanders zweiten Platz etwas höher einhängen, musste man in den Winter 2014/15 zurückspulen. Damals hatten Christian Schwaiger, der heutige Cheftrainer der deutschen Alpin-Männer, und Mathias Berthold die Losung ausgegeben, die belächelten deutschen Speed-Fahrer fit für die Weltspitze zu machen. Bei manchen ging das schneller, vor allem bei einem gewissen Thomas Dreßen. Sanders Reifung nahm mehr Zeit in Anspruch, obwohl er bereits 2008 Junioren-Weltmeister im Super-G war. Man provoziert keine Demonstrationszüge, wenn man ihn als einstigen Flachländer tituliert, er hat das Skifahren in besagtem Ennepetal in Nordrhein-Westfalen erlernt, auf einem 330 Meter hohen Hügel, den sie Teufelswiese rufen - auch wenn es Sander mit 15 ans Ski-Internat nach Berchtesgaden zog und er heute in Oberstdorf heimisch ist.

Sander war nach Schwaigers Ankunft jedenfalls bald ein gern gesehener Gast unter den besten Zehn, aber mal stoppten ihn Verletzungen, mal fuhren die anderen gnadenloser. Es dauerte, bis er gemeinsam mit Andreas Evers, der mittlerweile die DSV-Abfahrer trainiert, die letzten Funken an Gnadenlosigkeit freilegte; den Mut, sich auch mal von der Ideallinie treiben zu lassen, die in Wahrheit ja nie ideal ist, weil es die Schnellsten immer auf etwas andere Wege zieht.

Nach WM-Silber verlor Sander ein wenig die Lockerheit

Oder wie es Sander vor zwei Jahren bei der WM in Cortina d'Ampezzo sagte: "Ich wollte einfach nur mit Spaß und Freude fahren." Damals hatte er gerade Silber gewonnen, eine Hundertstelsekunde (!) hinter dem Weltmeister Vincent Kriechmayr. Da dachte mancher wohl, Sander würde nun endgültig die Mauer der letzten Zweifel einreißen.

Es brauchte dann noch einmal ein paar Umwege. Sander sagte vor dieser Saison, er habe im Vorwinter die Corona-Impfung schlecht vertragen, andere Gründe lagen tief im Privaten. Andererseits, so nahmen es zumindest manche Betreuer im DSV wahr, habe Sander eine simple Gleichung aufgemacht: Wenn er, der WM-Zweite, noch an den allerletzten Schräubchen drehe, mit einem Mentaltrainer arbeite, seine Ernährung noch ein bisschen mehr optimiere - dann müsse er ja zwangsläufig ganz oben andocken. Aber wer es besonders gut machen will, raubt sich manchmal wieder die Energie fürs Essenzielle, oder wie es Sander in Cortina gesagt hatte: den Spaß und die Freude am Skifahren.

Und jetzt? Fünf Hundertstel Rückstand auf den Sieger Odermatt, das sei schon etwas ärgerlich, sagte Sander: "Aber das versuche ich jetzt schnell zu vergessen und mich zu freuen".

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