San Marino in der WM-Qualifikation:Irgendwo zwischen Bhutan und den Caicos-Inseln

Er ist Trainer der schlechtesten Nationalmannschaft der Welt - und trotzdem eine Legende: San Marinos Coach Giampaolo Mazza führt seine Mannschaft seit 16 Jahren von Pleite zu Pleite und bastelt damit an seinem eigenen Ruf als großer Verlierer. Jetzt steht ein echtes Highlight an: Die krassen Außenseiter dürfen in Wembley gegen England ran.

Birgit Schönau

Giampaolo Mazza ist ein Mann der Rekorde. Seit 16 Jahren ist er Trainer der Nationalmannschaft von San Marino, kein europäischer Nationaltrainer ist so lange im Amt wie Mazza. Und keiner hat so viele Niederlagen einstecken müssen, 48 oder 49 nacheinander, so genau mag das eigentlich niemand nachzählen. San Marino habe die schlechteste Nationalmannschaft der Welt, höhnte einmal die Tageszeitung La Repubblica aus dem Nachbarland Italien.

Northern Ireland v San Marino - FIFA2010 World Cup Qualifier

Seit 16 Jahren Anführer der Serien-Verlierer: Giampaolo Mazza

(Foto: Getty Images)

Aber das ist natürlich heillos übertrieben. San Marino steht nämlich im Fifa-Ranking auf einem soliden 207. Platz, zwischen Bhutan und den karibischen Turks- und Caicos-Inseln. Was logischerweise bedeutet, dass Turks und Caicos noch schlechter sind. Irgendwann vor fast 20 Jahren hatte der Zwergstaat in der Nähe von Rimini auch mal Platz 118 erklommen. Aber da war Giampaolo Mazza noch nicht Trainer.

Am Freitag spielt sein Team im Wembley-Stadion in der WM-Qualifikation gegen England. Die Maus des Weltfußballs tritt gegen die drei Löwen an, das Ergebnis wird wohl niemanden überraschen. Am wenigsten Mazza. Seine Pressekonferenzen vor den Begegnungen mit den Fußballgroßmächten dieser Erde klingen immer irgendwie ähnlich und lassen sich ungefähr wie folgt zusammenfassen: 1. "Uns erwartet ein Gegner von schwindelerregendem Niveau." 2. "Was uns betrifft, kann ich sagen, dass wir uns fleißig vorbereitet haben und in Bestform antreten." 3. "Wir spielen Taktikschema 4-2-3-1."

Auch die Erklärungen nach dem Schlusspfiff ähneln sich. Meistens jedenfalls. Das Match gegen Montenegro am 11. September etwa endete mit 0:6, was in San Marino guter Durchschnitt ist und keinen zur Verzweiflung treibt. Der 56-jährige Mazza hat sich über seine vielen Niederlagen kaum graue Haare wachsen lassen, immerhin kann er ja auch San Marinos einzigen Sieg verbuchen, ein historisches 1:0 gegen Liechtenstein im Jahr 2004. Ein Freundschaftsspiel, das Lästerer als Derby der Finanzparadiese bespöttelten, aber bitteschön: San Marino, die älteste Republik der Welt, ist über solche Häme wirklich erhaben.

Mehr als nur Dabeisein

Dabeisein ist alles. Und eine würdige Haltung das Wichtigste. Weswegen das 1:2 gegen Irland (Februar 2007) als höchster moralischer Sieg in San Marinos Annalen gilt - Mazzas Truppe hatte den Iren bis kurz vor dem Schlusspfiff standgehalten. Fast hätte es ein 1:1 gegeben. San Marino steht für das Fast im Fußball. Eine Elf aus Philosophen, die hauptberuflich als Verkäufer im Supermarkt arbeiten oder studieren. Rekordtorjäger Andy Selva, acht Länderspiel-Tore, spielt immerhin in der vierten italienischen Liga, und das mit 36. Und nach Feierabend kommen dann Holland, Italien oder England.

Man kann ja so oder so verlieren. Als Verlierer vom Dienst ist Giampaolo Mazza unnachahmlich elegant. Der Anzug sitzt immer, auch sonst verliert dieser Mann nie die Fassung. Mazza verkörpert eine gepflegte Melancholie, wie sie vielleicht nur Italiener haben können. So viele Niederlagen so lässig einzustecken und es trotzdem immer wieder zu versuchen, 16 Trainerjahre lang.

Das macht ihm keiner nach. Mazza hat auch im italienischen Fußball-Unterholz als Trainer gearbeitet, ein paar Mal schafften seine Mannschaften den Aufstieg in die nächsthöhere Klasse. Aber deswegen wird man nicht zum Mythos. Als Loser ist Giampaolo Mazza Weltmeister, unerreicht, eine Legende.

Dieser Mann schafft es, seine Gegner vorzuführen. Denn man kann auch so oder so gewinnen. Um die Maus des Weltfußballs einfach zu verschlingen, muss der Gegner keine größeren Fähigkeiten besitzen als ein räudiger Straßenkater. Mit ihr zu spielen, das ist die Kunst. Den Sieg beiläufig einzufahren, ohne sich an der billigen Demütigung der Kleinen zu berauschen.

Was das angeht, haben übrigens die Deutschen in San Marino die schlechteste Figur gemacht. Ihr 0:13 im September 2006 war die höchste Niederlage für die Nationalelf. Giampaolo Mazza ließ sich auch davon nicht erschüttern. Weil er wusste: Das Ergebnis sagte mehr über den Gegner aus.

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