Salzburgs Olympia-Bewerbung:Plötzlich weg von der Bildfläche

Krankheit, Wohnsitzwechsel, Schröder und Putin: Fedor Radmanns Rückzug stört Salzburgs Bewerbung.

Thomas Kistner

Es war eine tränenreiche Inszenierung, Montagmittag in Salzburg. Fedor Radmann versagte die Stimme, als er nach einer Antwort auf die Reporterfrage suchte, ob er sich denn als Kampagnenchef für Österreichs Winterspielbewerbung 2014 gesundheitlich zu viel zugemutet habe, so kurz nach dem kräftezehrenden Einsatz für die Fußball-WM in Deutschland 2006. "Ja", sagte der Sportnetzwerker nur, blickte mit geröteten Augen und vibrierendem Mund in die Kameras und brachte kein Wort mehr heraus.

"Schwerwiegende gesundheitliche Gründe" gab Radmann auch am Dienstag an für seinen Rückzug nach nur zehn Monaten im Amt des Bewerberchefs. Da weilte er jedoch nicht in einer Münchner Klinik, wo ihn neben den Salzburger Nachrichten auch vormalige Olympia-Mitstreiter wie der Pressesprecher der Salzburger Landeshauptfrau Burgstaller wähnten, sondern war im eigenen PKW auf der Fahrt "nach Hause".

Apropos zuhause, auch da gibt es jetzt Neuigkeiten von Franz Beckenbauers Intimus. Fedor Radmann hat zum Jahreswechsel seinen Wohnsitz in den Schweizer Kanton Appenzell verlegt, bekannt übrigens auch als besonders steuergünstig. Jedenfalls aber habe der Rückzug mit dem Umzug "gar nichts" zu tun, beteuert Radmann, die "gute Gelegenheit" in Appenzell habe sich durch "reinen Zufall" ergeben.

Warum aber gleich den Wohnsitz wechseln, zumal er im Salzburger Grenzland ja zuhause ist? Der Sportmarketender verweist nur darauf, dass er ja "schon zweimal in meinem Leben in der Schweiz gewohnt habe".

So ist es. Eingeweihte aber befassen sich nun mit der spannenden Frage, ob es noch andere Motive gibt für die jähen, umfassenden Veränderungen in des Sportberaters Lebensplanung. Anhaltspunkte dafür liegen vor. Schon im Herbst 2006 war Radmann von Kontaktleuten des russischen Mitbewerbers Sotschi angesprochen worden, die ihn "zu sich rüberziehen wollten", sagte Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden gestern der SZ.

Deutsche Interessen

Radmann gibt diesen Sachverhalt nur in stark abgeschwächter Form wieder, was damit zusammenhängen könnte, dass ein Abwerbeversuch durch den Mitkonkurrenten unweigerlich der Ethik-Kommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hätte gemeldet werden müssen. Er bestätigt aber, dass er aus dem russischen Umfeld wegen eines Treffens mit Leonid Tjagatschew angesprochen wurde, dem Chef des russischen Nationalen Olympischen Komitees. Dieses Gespräch sei aber nicht zustande gekommen.

Im Juli vergibt das IOC in Guatemala die Winterspiele 2014, Salzburg liegt im Bewerber-Index bisher klar in Front. Indes verringert sich der Vorsprung auf die Mitbewerber Sotschi und Pyeongchang (Südkorea), und Radmanns viel umraunter Abgang dürfte keinen guten Eindruck bei den IOC-Juroren machen.

Die Südkoreaner werden vom Staat und ihrem Elektroriesen Samsung gepuscht, für Sotschi legt sich Kremlchef Wladimir Putin persönlich ins Zeug. Erst am Wochenende empfing er dort demonstrativ Bundeskanzlerin Angela Merkel. Fedor Radmann sagt, die Olympiabewerbung sei "nur am Rande gestreift" worden. Doch immerhin, deutsche Interessen in diesem Spiel könnten so aussehen: Falls Sotschi die Spiele 2014 bekäme (und Salzburg zum wiederholten Mal scheiterte), dann wäre der Weg für eine Münchner Bewerbung 2018 frei.

Dass derlei Planspiele gang und gäbe sind in den ohnehin schummrigen Bewerbungsprozessen, weiß der erfahrene Radmann selbst ganz gut. "Ich hatte mal eine Idee", räumte er gestern ein, "dass man sagt, Salzburg 2014, und Sotschi 2018." Diese Idee, sich gegenseitig bei den Kampagnen zu unterstützen, sei zwar bald wieder verworfen worden.

Dies aber immerhin nach Konsultationen auf höchster Ebene. Radmann sagte gestern, er habe mit Altbundeskanzler Gerhard Schröder "mal über die Bewerbung gesprochen, aber der sagte, Sotschi will das nicht, da geht gar nichts". Als Begründung sei anzunehmen, dass die Bewerbung Sotschis auch "eine persönliche Angelegenheit des Präsidenten" Putin sei.

Das wäre pikant. Und die Nähe zwischen Schröder und Radmann ist belegt: Der sportpolitische Geheimrat, der im Schatten der Lichtgestalt Franz Beckenbauer seinerzeit schon viel für die von Schröder gepuschte deutsche WM-Bewerbung unternommen hatte, soll auch der Emissär gewesen sein, der kurz nach der letzten Bundestagswahl im Auftrag des damaligen Kanzlers bei CSU-Chef Edmund Stoiber vorfühlte, ob man die große Koalition nicht ohne Angela Merkel machen könne.

Insofern bleiben Fragen. Netzwerker Radmann verschwindet plötzlich vollkommen von der Bildfläche und hinterlässt ein Vakuum, das den nun führungslosen Favoriten verschlucken könnte. Das neue Gesicht der Salzburger Bewerbung soll Franz Klammer werden. Der war bisher Olympiabotschafter, von der hohen Sportpolitik versteht Österreichs Ski-Idol nichts.

Radmann, der erfolgreichste Strippenzieher der letzten Jahre, wird indes aus den Schweizer Bergen die Münchner Ärzte, bei denen er "ständig in Behandlung" ist, nicht mehr so leicht erreichen wie bisher aus dem Berchtesgadener Land. Das sei aber kein Problem: "Gute Ärzte gibt es auch in der Schweiz." Salzburgs Bürgermeister Schaden, der von Radmanns Umzug erst letzte Woche erfuhr, erklärte gestern: "Seine Beweggründe kenne ich nicht. Aber er stand sichtlich unter einer schweren Belastung."

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