Champions League:Der große Abend des Erling Braut Håland

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Erling Braut Håland feiert seinen ersten Treffer für Salzburg gegen Genk - zwei weitere sollten folgen. (Foto: Joe Klamar/AFP)
  • Salzburg ist nach langem Warten wieder in der Champions League vertreten - und gewinnt im ersten Gruppenspiel 6:2 gegen KRC Genk.
  • Dem 19 Jahre alten Norweger Erling Braut Håland gelingen drei Treffer.

Von Felix Haselsteiner, Salzburg

Einen Tag bevor Erling Braut Håland sich der großen Fußballwelt vorstellte, ging Salzburgs Kapitän Andreas Ulmer mit seinem Hund und seinem Baby spazieren. Ulmer bemerkte ein Auto, das langsam an ihm vorbeifuhr, laute Musik dröhnte aus den Boxen, die Fenster waren heruntergelassen. Im Auto saß, was Ulmer erst bei genauerem Hinsehen bemerkte, sein Mannschaftskollege, ein 19-jähriger Stürmer aus Norwegen, den alle nur "Elli" nennen. Håland fuhr zum Training, er hörte aus lauter Vorfreude voller Lautstärke eine Fanfare, die ihn womöglich noch öfter begleiten wird im Laufe seiner Karriere: Er hörte die Hymne der Champions League.

Maximilian Wöber hat diese Geschichte, über die sich die Mannschaft doch sehr amüsiert habe, am späten Dienstagabend erzählt, er sagte auch, angesprochen auf Håland, mit einem Lächeln auf den Lippen: "Der ist verrückt, ja! Alles dreht sich bei ihm um Fußball." Drei Tore erzielte der verrückte, junge Norweger am Dienstag beim 6:2 des FC Salzburg gegen den KRC Genk, alle drei in den ersten Minuten Champions League seiner Karriere - ein Kunststück, das vor ihm nur zwei Stürmern namens Raúl und Wayne Rooney gelang, beide beanspruchen heute zu Recht den Status "Legende" für sich.

Dabei hätte es eigentlich nicht einmal die Wundergeschichte des jungen Stürmers gebraucht, um diesen Abend zu einem geschichtsträchtigen Ereignis für Salzburg zu machen. Die Bühne war endlich, nach 25 Jahren des Wartens, nach einer Vielzahl peinlicher Qualifikations-Niederlagen und nach einem Umbruch samt Trainerwechsel und Verkauf vieler Leistungsträger im Sommer, bereitet für die Salzburger, die seit fast einem Jahrzehnt die heimische Bundesliga dominieren, sich aber eigentlich längst mit den besten Mannschaften Europas messen möchten, so will es schließlich auch der Brausekonzern im Hintergrund.

Unter Trainer Marsch wirkt Salzburg noch konsequenter im Pressing

Es dauerte nicht einmal zwei Minuten, bis die sonst oft spärlich gefüllte und arg stimmungslose Arena in Wals-Siezenheim die Nervosität, die vor dem Anpfiff zu spüren gewesen war, in Ekstase umwandeln konnte. Talkumi Minamino verarbeitete ein Zuspiel in die Spitze so perfekt, dass Håland nur noch einschieben musste. Danach gab es kein Halten mehr. "Wir wussten von der ersten Sekunde an, dass wir gut drauf sind, dass wir sofort treffen können", sagte Innenverteidiger André Ramalho, der einer derjenigen ist, die schon mehrfach gescheitert waren: "Es hat sich unglaublich gut angefühlt, das Warten auf die Champions League hat sich gelohnt."

Die Salzburger Spielfreude, vor allem aber die Aggressivität, mit der das Team von Trainer Jesse Marsch auftrat, war bemerkenswert: Immer wieder erkämpften sich die Österreicher in der gegnerischen Hälfte den Ball und kamen zu guten Abschlusschancen. Der belgische Meister aus Genk hatte dem nichts entgegenzusetzen - und lud zu Toren ein: Erst eroberte Hwang Hee-chan (letztes Jahr noch Reservist beim Hamburger SV) den Ball und bereitete Hålands zweiten Treffer vor, dann verwertete er selbst ein Zuspiel nach Ballgewinn vom starken Antoine Bernede (36.). Auch auf das zwischenzeitliche 3:1 fand Salzburg schnell Antworten, noch vor der Halbzeit erhöhten erneut Håland und der 18-jährige Linksaußen Dominik Szoboszlai zum 5:1.

"Es war überragend", fasste Marsch die erste Halbzeit zusammen: "Nach dem 3:1 hätte die Mannschaft straucheln können, aber dann noch zwei Tore nachzulegen - das ist Mentalität." Die Einstellung dürfte dennoch nicht die alleinige Erklärung für den Salzburger Erfolg sein: Unter Marsch, der im Sommer vom umjubelten Taktiker Marco Rose übernommen hatte, hat Salzburg noch einmal ein klareres Profil bekommen, ist noch konsequenter im Pressing geworden - und schießt wesentlich mehr Tore. Auch in der zweiten Halbzeit hätten gut und gerne drei weitere Treffer fallen können, der Endstand von 6:2 ist jedoch deutlich genug, um ein Zeichen an die europäische Konkurrenz zu setzen. "Liverpool ist als Gegner natürlich noch einmal eine Stufe drüber, aber wir haben noch so viel Potenzial", sagte Marsch mit Blick auf den nächsten Gegner, den Titelverteidiger.

Auch Erling Braut Håland wird dann im Fokus stehen, noch mehr als ohnehin schon. Etwa 50 Scouts hatten sich für die Premiere in der Champions League angesagt, sie dürften sich den Namen des Norwegers recht deutlich markiert haben. Der Stürmer selbst trat am Dienstagabend nicht ausführlich vors Mikrofon, während seine Teamkollegen in der Kabine feierten, wurde er zur Dopingprobe gerufen, davor sagte er nur kurz beim Fernsehsender Sky, das Gefühl, das er beim ersten Treffer empfunden hatte, sei das beste seines Lebens gewesens.

Um Håland besser zu verstehen, reichen jedoch auch die Aussagen seiner Mitspieler. Ramalho etwa lobte ihn in höchsten Tönen: "Er verdient das alles, die ganze Aufmerksamkeit. Er ist ein toller Spieler, aber auch ein toller Mensch." Zlatko Junuzović, mit 31 einer der wenigen älteren Salzburger, sagte: "Er kann noch ein bisschen an seinem Kopfballspiel arbeiten, aber nicht am Kopf an sich: Der ist so ein guter Junge, der wird seinen Weg gehen." Und Jesse Marsch nannte seinen jungen Stürmer, der in dieser Saison in neun Spielen 17 Tore erzielt hat, schlichtweg "electrifying" - elektrisierend: "Er hat immer ein Lächeln auf den Lippen, ist ein guter Junge und ein toller Charakter."

Marsch war es auch, der an diesem denkwürdigen Abend ein finales Zeichen setzte: Nach der Feier mit den Fans rief er die Mannschaft und den gesamten Mitarbeiterstab auf dem Platz zusammen. Er nahm vier Spielbälle und überreichte sie an Sportdirektor Christoph Freund, Ersatztorwart Alexander Walke, Kapitän Ulmer und schließlich Ramalho - alle vier hatten die Salzburger Traumata der vergangenen Jahre miterlebt, sie alle hätten, so Marsch später, "so lange auf diesen Abend gewartet, dass sie sich ein Andenken verdient haben."

Erling Braut Håland war seinem Trainer da längst einen Schritt voraus gewesen. Ein paar Minuten nach Abpfiff stolzierte Håland bereits mit einem Spielball über das Feld, er winkte den Zuschauern zu, die wie schon bei seiner Auswechslung in der zweiten Halbzeit minutenlang seinen Namen skandierten. Håland strahlte vor Glück am ersten großen Abend seiner Karriere.

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