Salihamidzic beim FC Bayern:Brazzo steigt auf

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  • Hasan Salihamidzic wird beim FC Bayern befördert: Der Aufsichtsrat hat beschlossen, dass er ab kommendem Sommer als Sportvorstand noch mehr Einfluss beim Rekordmeister bekommt.
  • Seinen Aufstieg hat er auch Uli Hoeneß zu verdanken, der seine Promotion zuletzt angeschoben hat.

Von Jonas Beckenkamp

Es gibt sie doch noch, die kleinen und großen Aufsteigergeschichten beim FC Bayern - und das, obwohl der aktuelle Tabellenplatz in der Bundesliga eher anderes suggeriert. Nur Platz sieben, sieben Punkte hinter der Spitze, das ist reichlich ungewohnt für den Rekordmeister. Doch gerade in dieser Phase sendet der Klub nun ein Zeichen der Kontinuität für einen seiner führenden Angestellten.

Um 19.36 Uhr verschickte der deutsche Meister am Montagabend die Mitteilung, dass "Hasan Salihamidzic ab 1. Juli 2020 Sportvorstand der FC Bayern München AG" wird. Der Aufsichtsrat habe dies bei einer Sitzung zu Wochenbeginn abgesegnet, es ist der Vollzug einer längst anvisierten Personalie. Salihamidzic bekommt somit deutlich mehr Einfluss - er agiert nun fast auf Augenhöhe mit den allerobersten Entscheidern des Vereins. Der neue Bayern-Präsident Herbert Hainer, gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der AG, erklärte: "Hasan Salihamidzic hat in seiner Funktion als Sportdirektor sowohl im Profi-, als auch im Nachwuchsbereich sehr viel bewegt in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren. Der Aufsichtsrat ist überzeugt, dass Hasan der richtige Mann ist, um die sportliche Zukunft des FC Bayern in den kommenden Jahren zu gestalten und zu verantworten."

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Mehr Macht und mehr Hoheit für den derzeitgen Sportdirektor: Der Klub treibt damit den Umbau seiner Führungsebene voran, der nach dem Ausscheiden von Hoeneß aus der vordersten Reihe (er bleibt rein formal Mitglied des Aufsichtsrats) und dem angekündigten Rückzug Rummenigges aus der Vorstandsebene (Ende 2021) nötig ist. Gemeinsam mit dem designierten Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn, der zunächst zwei Jahre von Rummenigge lernen soll, wird Salihamidzic künftig über den Fußball der Bayern bestimmen. Wobei er selbst ohnehin der Ansicht ist, bereits wie ein Sportvorstand zu arbeiten, der über wesentliche Dinge wie Kaderplanung, Finanzielles und Transfers entscheidet.

Salihamidzic kommentiert seine Beförderung mit professionellem Understatement: "Ich möchte mich sehr beim Aufsichtsrat um Uli Hoeneß und Herbert Hainer für das Vertrauen und die Wertschätzung bedanken", lässt er sich zitieren, "ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen im Vorstand. Gemeinsam haben wir die Aufgabe und die Verpflichtung, den FC Bayern für die Zukunft so auszurichten, dass wir erfolgreich sein können und dabei unsere Identität bewahren." Er wolle sich zudem bei Karl-Heinz Rummenigge bedanken, der ihm zuletzt zwei Jahre sehr geholfen habe.

Hoeneß lobt die "sensationellen Transfers"

Die Bayern und insbesondere Hoeneß scheinen mit Salihamidzic trotz einiger Kritik an seinen öffentlichen Auftritten zufrieden zu sein. Der Präsident selbst griff zuletzt sogar zum Telefonhörer, um "Brazzo" im Live-Sportfernsehen beim "Doppelpass" öffentlich zu verteidigen. "Hasan hat einen guten Job in diesem Jahr gemacht", sagte Hoeneß bei Sport1 und schrieb die Transfers der französischen Weltmeister Benjamin Pavard, Lucas Hernández und des jungen Kanadiers Alphonso Davies seinem Protegé zu. "Wir sind glücklich, dass wir mit diesen drei Spielern sensationelle Transfers gemacht haben", erklärte Hoeneß. Mit Salihamidzic, den Hoeneß oft nur "Hasan" nennt, "werden wir beim FC Bayern noch viel Spaß haben".

Trotzdem überrascht seine rasche Karriere als Münchner Spitzenfunktionär ein wenig. Salihamidzic hatte manch unglücklichen Moment, als er bei Transfers zu forsch voranging und Spieler letztlich nicht nach München kamen. Auch glänzt er nicht immer mit ausgefeilter Rhetorik. Nach dem schwer verdaulichen 2:1 der Bayern im Pokal in Bochum Ende Oktober sagte er etwa vor Reportern: "Ich bin nur da, weil ich da sein muss" - und flüchtete sich in holprigen Sarkasmus. Solche Auftritte brachten ihm auch einige mahnende Worte der Bayern-Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung ein.

Als Sportdirektor war er anfangs eher einer Kompromisslösung, nachdem sich Hoeneß und Rummenigge nicht auf eine andere Lösung wie den Gladbacher Manager Max Eberl einigen konnten. Die Bayern-Bosse hatten nach den Jahren mit Christian Nerlinger als Sportdirektor (2009 bis 2012) und Matthias Sammer als Sportvorstand (2012 bis 2016) durchaus unterschiedliche Ansichten, doch jetzt betrachten sie Salihamidzics Reifeprüfung als bestanden. Dass er in der Öffentlichkeit nicht den allerbesten Leumund hat, nimmt man im Verein in Kauf. Vor allem, weil Salihamidzic nach seiner langen Zeit als Profi (er war unter anderem Champions-League-Sieger und sechs Mal deutscher Meister) als ehrlicher Arbeiter und überzeugtes Mitglied der sogenannten "Bayern-Familie" gilt.

Gleichzeitig war seine Beförderung im Verein am Ende notwendig geworden, denn wäre ihm die Berufung in den Vorstand verwehrt geblieben, hätte Salihamidzic wohl hingeschmissen. Er hatte mehrfach erklärt, nicht als Sportdirektor unter einem anderen Sportvorstand arbeiten zu wollen. Wie er in Zukunft im Machtgefüge zwischen Rummenigge und Kahn zurechtkommt, wird sich ab Jahreswechsel zeigen. Aus "Brazzo" dürfte aber immer häufiger "Herr Salihamidzic" werden.

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