Süddeutsche Zeitung

Tod von Emiliano Sala:Trauerspiel um 15 Millionen Pfund

  • Welchem Verein gehörte Stümer Emiliano Sala, als er mit dem Flugzeug abstürzte?
  • Nach dem Tod des Fußballers streiten der FC Nantes und Cardiff City über die Ablöse.
  • Der Fall beschäftigt inzwischen die Fifa.

Von Oliver Meiler

Diese Geschichte ist für sich schon traurig genug, traurig im universell verständlichen Sinn. Nun aber, da sich "Canaris" und "Bluebirds" bekämpfen, als wären sie Hähne, um Geld dann noch, bekommt die Geschichte von Emiliano Sala, einem Fußballer aus dem kleinen Bauerndorf Cuculú im Norden Argentiniens, der am schönsten Tag seines Lebens mit dem Flugzeug abstürzte, posthum eine erbärmliche Note. Von Schlichtung mag gerade niemand reden, weder in Nantes noch in Cardiff. Vielleicht spiegelt der Fall ja auch einfach exemplarisch die schnelle Dekadenz eines Sports.

Aber zunächst zur Zoologie. Canaris, Kanarienvögel, nennen sich Spieler und Fans des FC Nantes, eines Vereins im Pays de la Loire, Ligue 1, höchste französische Liga, der läuft nämlich normalerweise in grellgelbem Outfit mit grünen Sprengseln auf. Sala, den alle immer nur "Emi" riefen, spielte vier Jahre lang für Nantes, als Zentralstürmer, recht anonym. Mit zwanzig war er nach Frankreich gekommen, spielte sich durch die Provinz bis nach Nantes. Talent war ihm nicht so viel gegeben, dafür Herz. Die Anhänger liebten seine Bescheidenheit. Wenn Sala jeweils mit seinem Kleinwagen das Trainingszentrum des Vereins verließ, hielt er immer an für Fotos. In Nantes, heißt es, hat jeder Fan ein Selfie mit "Emi".

In dieser Saison dann, mit 28 Jahren, gelangen ihm bis zum Winter plötzlich so viele Tore wie noch nie: zwölf in der Meisterschaft, zwei im Pokal. In zwanzig Spielen, eine tolle Quote. Und so fand man beim walisischen Verein Cardiff City, den man auch als "Bluebirds" kennt, weil die Spieler sich für die Arbeit ganz blau kleiden, dass dieser Sala ihnen mit seinen Toren den Klassenerhalt in der Premier League sichern könnte. Für 15 Millionen Pfund - nie zuvor haben die blauen Vögel mehr für einen Transfer ausgegeben. In Nantes hatte Sala 45 000 Euro im Monat verdient, nun sollten es 300 000 werden. Der große Sprung auf die Weltbühne.

Verantwortliche beider Klubs flogen zur Trauerfeier. Doch sie mieden einander

Am 19. Januar, einem Samstag, um 15.32 Uhr - von hier an zählen nun mal Daten und exakte Uhrzeiten - absolviert Sala seine medizinischen Tests in Cardiff im neuen Verein. Man redet, einigt sich. In Nantes lösen sie unterdessen das Vertragsverhältnis mit dem Spieler auf, registrieren den Vorgang sowie die Transfermodalitäten im "Transfer Matching System", der Onlineplattform des Fußball-Weltverbandes Fifa. "Emi" will am Wochenende noch einmal zurück nach Nantes, Dinge erledigen, sich von Freunden und Kameraden verabschieden. Am 21. Januar, einem Montag, um 18.30 Uhr, so berichtet Frankreichs Sportzeitung L' Équipe am Freitag mit Verweis auf offizielle Dokumente, läuft beim walisischen Fußballverband das Zertifikat für den Transfer ein.

Wenig später steht am Flughafen von Nantes eine Piper PA-46 Malibu auf der Startbahn. Am Steuer des einmotorigen Fliegers Pilot David Ibbotson, hinten Emiliano Sala. Er war schon einmal mit so einer Maschine geflogen, es war keine gute Erfahrung gewesen. Sala nimmt auf Whatsapp eine Audiobotschaft für seine Freunde auf, er sagt darin, er sei müde, habe Angst, das Flugzeug falle fast auseinander. "Wenn ihr in eineinhalb Stunden keine Nachricht von mir habt, braucht mich niemand suchen kommen." Die Piper hebt ab, das Wetter ist stürmisch, nach einer Weile bittet der Pilot um die Erlaubnis, die Flughöhe zu ändern, von 5000 auf 2300 Fuß. Dann, um 20.23 Uhr, etwa vierzig Kilometer nordwestlich der Insel Guernsey, verschwindet die Maschine vom Radar.

Erst zwei Wochen später fand man den Rumpf der Piper am Meeresgrund, 67 Meter unter der Wasseroberfläche. Und Emiliano Sala. Den Piloten dagegen hat man bis heute nicht gefunden. Salas Tod bewegt viele Menschen, weltweit, von überall kamen Würdigungen. Es war, als besinne man sich kollektiv auf die menschliche Dimension dieses globalen und geldgetriebenen Geschäfts, auf die Zerbrechlichkeit der Akteure. Nantes bereitete "Emi" einen berührenden Abschied im Stadion, niemand soll bei den Kanarienvögeln je wieder die Rückennummer 9 tragen. Die Klubverantwortlichen des FC Nantes flogen zur Trauerfeier nach Argentinien, auch die Spitzen von Cardiff City waren da. Doch sie mieden einander.

In der Zwischenzeit hatten die Waliser nämlich für sich entschieden, dass sie die Transfersumme nicht bezahlen wollten. Die erste Quote, 5,8 Millionen Pfund, wäre im Februar fällig gewesen. Als kein Geld ankam, mahnte Nantes. Mehrmals. Doch Cardiff ignorierte die Zahlungsaufforderungen. Sala, heißt es nun, sei zum Zeitpunkt seines Todes noch gar kein "Bluebird" gewesen. Das verabredete Handgeld für den Spieler habe nicht den Regeln der Premier League entsprochen, man habe einen neuen Vertrag auflegen müssen, den der Spieler aber nicht mehr unterzeichnet habe, da er am Wochenende in Nantes war. Rein theoretisch, sagen die Waliser, wäre Emiliano Sala also bis zuletzt frei gewesen, zu einem anderen Verein zu wechseln. Der Transfervertrag sei deshalb "null und nichtig"; nichts von den 15 Millionen Pfund will Cardiff bezahlen.

Aus Nantes kommt zurück, die Gepflogenheiten in England seien nicht ihr Problem. Selbst habe man alles nach internationalen Regeln und im gebotenen Zeitrahmen erledigt. Der Verein reichte seine Klage gegen Cardiff City schon bei der Schlichtungsstelle der Fifa ein, nachdem die Waliser nicht bezahlt hatten. Und die Fifa gab Cardiff bis zum 3. April Zeit, auf den Einwand zu reagieren.

Wer hat nun recht in diesem unseligen Streit? Salas Eltern hadern unterdessen mit dem Schicksal, dem wahren, dem menschlichen. Es gibt da noch eine andere ungeklärte Frage: Warum setzte sich ihr Sohn in dieses kleine Flugzeug? Warum nahm er nicht einen Linienflug, wie es sein neuer Verein geraten hatte?

Wenn Emiliano Sala tatsächlich noch kein registrierter Spieler der Premier League war, wie Cardiff City behauptet, dann steht den Hinterbliebenen auch kein Schmerzensgeld zu. Es wären circa 700 000 Euro.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4389093
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.03.2019/chge
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.