Saisonstart der 3. Liga:Derbys, Kult und klamme Kassen

So viel Tradition gab es in Deutschlands dritthöchster Spielklasse selten: Am Freitag beginnt mit der Partie Bielefeld gegen Aachen die neue Saison in Liga drei. Sportlich ist dank junger, ambitionierter Profis einiges zu erwarten - doch noch immer quält den Ligabetrieb die mangelhafte Vermarktung im Fernsehen. Zehn Dinge zum Start der 3. Liga.

Jonas Beckenkamp

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Saisonstart der 3. Liga:Kultfaktor 3. Liga

Alemannia Aachen finanziell angeschlagen

Quelle: dpa

So viel Tradition gab es in Deutschlands dritthöchster Spielklasse selten: Am Freitag beginnt mit der Partie Arminia Bielefeld gegen Alemannia Aachen die neue Saison in Liga drei. Sportlich ist dank junger, ambitionierter Profis einiges zu erwarten - doch noch immer quält den Ligabetrieb die mangelhafte Vermarktung im Fernsehen.

Von Jonas Beckenkamp

Selten tummelten sich in der dritthöchsten deutschen Spielklasse so namhafte Vereine wie in dieser Saison. Vier frühere deutsche Fußballmeister (Karlsruher SC, Rostock, Erfurt, Chemnitz), dazu drei ehemalige Pokalsieger (KSC, Offenbach, Rostock) und insgesamt zehn einstige Bundesligisten. Dazu kommen mit Absteiger Alemannia Aachen (im Bild das Tivoli-Stadion), Arminia Bielefeld und Aufsteiger Stuttgarter Kickers weitere Traditionsklubs - allein diese Namen versprechen einen gehörigen Kultfaktor.

Sportlich gilt die Liga ohnehin schon als interessanter Wettbewerb, in dem das Niveau nicht viel geringer einzuschätzen ist als in Liga zwei. Das werden auch die Zuschauerzahlen zeigen: Denn allein der KSC, Aachen und Rostock hatten zuletzt im Schnitt jeweils mehr Besuch als alle drei letztjährigen Zweitliga-Aufsteiger zusammen.

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Saisonstart der 3. Liga:Bekanntheiten in der 3. Liga

Michael Thurk

Quelle: dpa

Michael Thurk war einmal ein vielversprechender Bundesliga-Stürmer, der für Eintracht Frankfurt sogar im Uefa-Cup Tore erzielte. Auch seine Zeit beim FC Augsburg (im Bild) verlief mit 51 Treffern in 104 Partien äußerst erfolgreich. Heute ist er 36 Jahre alt, spielt beim FC Heidenheim und ist immer noch eine der Attraktionen der 3. Liga. Selbiges ließe sich auch über Marco Engelhardt sagen - der war in weniger erfreulichen Zeiten des deutschen Fußballs sogar mal Nationalspieler. Heute versucht der blonde Mittelfeldmann in seiner Heimat Erfurt einen Neuanfang.

Viele Zweitligafans dürften auch Sascha Rösler kennen, der zuletzt in Düsseldorf als Stürmer aktiv war - und jetzt bei Alemannia Aachen den Super-GAU des Abstiegs beheben soll. Ein weiterer berühmter Name findet sich bei den Amateuren des VfB Stuttgart: Dort agiert im Mittelfeld ein Herr Namens Khedira. Bei ihm handelt es aber nicht um einen verfrühten Aprilscherz aus Madrid, sondern um Samis Bruder Rani.

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Saisonstart der 3. Liga:3. Liga im TV

Fußball TV Rechte EuGH

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Ein großes Thema ist nach wie vor die mangelhafte Fernseh-Vermarktung der 3. Liga. Zwar flimmern ausgewählte Spiele mittlerweile samstags vor der Bundesliga als Zusammenfassung in der Sportschau in deutsche Wohnzimmer, doch gemessen am sportlichen Potenzial ist das zu wenig. Die Regionalkanäle der ARD bemühen sich daher, auch Live-Übertragungen von Drittligapartien zu realisieren - so ist zum Beispiel das Auftaktspiel am Freitagabend zwischen Aachen und Bielefeld komplett (ab 20:15 Uhr) im WDR zu sehen.

Der TV-Vertrag des Ligabetriebs garantiert jedem Klub bis 2016 jährlich 160.000 Euro, weshalb DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock meint: "Wir haben den besten TV-Vertrag aller dritten Ligen - europaweit." Das Problem ist aber: An vielen Spielorten bleibt weiterhin reichlich Vermarktungspotenzial ungenutzt. Viele Klubbosse beklagen, dass die Fernsehgelder zu spärlich ausfallen. Auch ein ligaweiter Sponsorendeal mit einem Autohersteller, der den Vereinen gute Einnahmen gewährt hätte, scheiterte.

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Saisonstart der 3. Liga:Ein Bulgare in Burghausen

MEHMET SCHOLL OF FC BAYERN MUNICH FIGHTS FOR THE BALL AGAINST GEORGI DONKOV OF VFL BOCHUM

Quelle: REUTERS

Dass es sich bei Wacker Burghausen um einen eher kleinen Klub mit einer überschaubaren Fanbasis handelt, zeigt der aktuelle Wikipedia-Eintrag zu den fast schon oberösterreichischen Ostoberbayern: Dort steht unter der Rubrik "Trainer" noch der Name Reinhard Stumpf. Doch der frühere Weltenbummler ist seit einigen Wochen nicht mehr sportlicher Leiter des Vereins - sein Nachfolger ist der Bulgare Georgi Donkow, der einst in Bochum die Bundesliga kennenlernte (hier im Duell mit Bayerns Mehmet Scholl).

Donkow wurde vom Ko-Trainer zum Chef befördert, nachdem Stumpf sich mit der Klubführung nicht über einen neuen Vertrag einigen konnte. Mit dem Bulgaren steht jetzt nach Rudi Bommer und Mario Basler der nächste alte Bekannte aus dem Fußballgeschäft an der Seitenlinie: Der heute 42-Jährige gehörte in den neunziger Jahren zur goldenen Generation von Bulgariens Nationalelf. Stoitschkow, Letschkow, Balakow - sie alle waren früher Donkows Kollegen.

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Saisonstart der 3. Liga:Aufbruch in Unterhaching?

SpVgg Unterhaching ? FC Bayern München

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Es tut sich was in Unterhaching, wo sie einst den Berühmtheiten aus Leverkusen die Meisterschaft vermasselten. Ein 2:0 gegen Bayer sorgte am Schluss-Spieltag der Saison 1999/2000 für Tränen bei Michael Ballack und seinen Kollegen. Jetzt stimmt beim Münchner Vorstadtklub zumindest der finanzielle Hintergrund wieder. Nachdem der arabische Investor Khalifa Saif Al Muhairibi doch nicht einsteigen wollte, führt jetzt der Immobilienunternehmer Rainer Beck die Geschäfte.

Unter dem neuen Vereinsboss Manfred Schwabl fungiert Beck, den sie bei 1860 München als Investor ablehnten, als Vizepräsident. Das Ziel der neuen Führung ist vor allem eines: ein Neubeginn für mehr Kontinuität. Die große Hoffnung in Unterhaching ist, dass Beck dafür das nötige Kleingeld mitbringt. Denn langfristig wollen sie im Süden Münchens nicht nur in Testspielen gegen den FC Bayern (im Bild Xherdan Shaqiri) antreten.

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Saisonstart der 3. Liga:Legendäres Westfalen-Duell

Arminia Bielefeld v Hamburger SV - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

BVB gegen S04, Celtic gegen Rangers? Alles Pipifax gegen diese Mutter aller Nachbarschaftsderbys. Arminia Bielefeld und Preußen Münster hassen sich nicht wie die Pest, nein, eher wie noch schlimmere Krankheiten. Ein Bielefelder Sprechchor, in Anlehnung an eine bekannte Kaubonbon-Marke, geht so: "Wollt ihr Punkte? Nein! Wollt ihr Tore? Nein! Was wollt ihr denn? Preußen-Blut!" Als der einstige Präsident Hans-Hermann Schwick einmal gefragt wurde, welchen Gegner er sich zum 100-jährigen Vereinsjubiläum wünschen würde, sagte er: "Real Madrid oder Preußen Münster."

Der Hass mag darin begründet sein, dass Bielefeld die große, hässliche Schwester des pittoresken Münster ist. Zudem spielen feine Grenzziehungen eine Rolle: Münster begreift sich als Haupstadt Westfalens. Bielefeld gilt als das Zentrum von Ostwestfalen. Fußballerisch war Arminia lange besser, stürzte jedoch 2009 aus der Bundesliga bis in die dritte Liga ab. Die beiden Partien (0:0 und 2:2) zwischen Preußen und Arminia wurden zuletzt vom WDR übertragen und erreichten rekordverdächtige Quoten: Beim Hinspiel sahen 300.000 Menschen zu.

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Saisonstart der 3. Liga:Osnabrück spendet vergeblich für Jula

MSV Duisburg - FC Ingolstadt

Quelle: dpa

Eines gilt in der 3. Liga ganz sicher: Fanliebe ist hier noch echte Liebe, anders ließe sich nicht erklären, was die Anhänger des VfL Osnabrück während der Saisonvorbereitung vollbrachten. Sie sammelten im Netz mehr als 6000 Euro, damit ihr Klub bei der angestrebten Verpflichtung des Duisburger Stürmers Emil Jula (li.) das nötige Kleingeld zusammenbekommt. "Eine tolle, sympathische Aktion", freute sich auch Trainer Claus-Dieter Wollitz.

Für einen Transfer des umworbenen Rumänen langte die Fanspende dann nicht ganz (er ging auf Leihbasis nach Zypern), aber die Aktion zeigt: In Osnabrück meinen sie es ernst mit ihrem Klub. Und die Mannschaft scheint solche Signale durchaus zu motivieren: Eine Woche vor Saisonstart gelang dem VfL ein 3:1-Testspielsieg gegen Bochum - dort, wo der Ruhrpottklub derzeit spielt, wollen auch die Norddeutschen hin: In die 2. Liga.

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Saisonstart der 3. Liga:Relegation lohnt sich

Jahn Regensburg v Karlsruher SC  - 2. Bundesliga Relegation 2012

Quelle: Bongarts/Getty Images

Die Aufstiegsspiele zur 2. Liga erwiesen sich zuletzt als lukrative Option für die Drittligisten. Viermal in Serie stieg am Ende der Tabellendritte der 3. Liga auf, während der 16. der höheren Spielklasse runter musste. Das vergangene Duell endete so mit dem Abstieg des Karlsruher SC, während Jahn Regensburg feiern durfte. Überhaupt scheint Liga Nummer drei aus sportlicher Sicht eine höchst attraktive Sache zu sein.

Meist streiten sich bis zu acht Teams um den Aufstieg, die Abstände sind eng und die Spannung bleibt oft bis zum Saisonende gewährleistet. Warum der Drittligist in der Relegation Vorteile hat, liegt auf der Hand: Während aus der 2. Liga in der Regel ein angeschlagener Klub versucht, das Schlimmste zu verhindern, tritt der Drittliga-Dritte mit vollem Aufstiegselan an. Gerade Teams mit Ambitionen nach oben - wie zum Beispiel Aachen, Karlsruhe oder Chemnitz - dürfte das interessieren.

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Saisonstart der 3. Liga:Leere Kassen

Kickers Offenbach weiht neues Stadion ein

Quelle: dpa

Trotz aller sportlichen Begeisterung für die Liga bleiben allgegenwärtige Finanzsorgen weiterhin ein Problem. Wirtschaftlich gesehen sind keine Großtaten zu erwarten von den Klubs - viele sind ohnehin schon am Limit ihres finanziellen Vermögens angelangt. Vereine wie Kickers Offenbach, die sich soeben erst ein neues Stadion leisten konnten (im Bild der neue Biberer Berg), sind rar. Vielmehr dominiert an den meisten Drittligaorten der Sparzwang. Unmittelbar vor dem Saisonstart verzeichneten die 20 Drittligisten insgesamt 436 Transfers (201 Zu- und 235 Abgänge).

Das sind deutlich weniger als in der vergangenen Spielzeit zum gleichen Zeitpunkt (498). Traditionell waren die Zweitliga-Absteiger auf dem Markt besonders aktiv. Der KSC tauschte praktisch sein gesamtes Spielermaterial. 26 Kicker gingen, 17 Neue kamen. Alemannia Aachen stand dem kaum nach. 22 Spieler verließen den Verein und wurden von 16 anderen ersetzt. Doch die etablierten Drittligisten setzen auf größere Kontinuität. Egal ob in Burghausen oder Bielefeld, Heidenheim oder Saarbrücken. Aufsteiger Hallescher FC verpflichtete gar nur fünf Spieler - ob das zum Klassenerhalt reicht?

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Saisonstart der 3. Liga:3. Liga als Ausbildungsstation

VfL Wolfsburg Team Presentation

Quelle: Bongarts/Getty Images

Eine äußerst positive Entwicklung nimmt die 3. Liga in ihrer Funktion als sportliches Katapult für höhere Aufgaben. Auch aufgrund schwieriger Finanzen vertrauen die 20 Vereine in der Saison 2012/13 vermehrt auf gut ausgebildete, junge Spieler - den Nachwuchsleistungszentren sei Dank. Die Zeiten, in denen verdiente Profis ihre Karriere in der Heimat im vielzitierten "Unterhaus" ausklingen lassen, scheint bis auf wenige Ausnahmen (Engelhardt, Rösler, Thurk) vorbei. Heute drängen in den Klubs kommende Bundesliga-Akteure nach oben.

Einige Spieler schafften bereits den Sprung dorthin: Mit Kevin Pannewitz (Bild, VfL Wolfsburg), Gerrit Wegkamp (Fortuna Düsseldorf) und Kevin Kampl (VfR Aalen) brachten drei junge Offensivkräfte sogar stattliche Transfersummen ein. Teuerster Abgang der Drittligisten ist aber Stürmer Terrence Boyd, der von Aufsteiger Borussia Dortmund II für 400.000 Euro zum SK Rapid Wien wechselte. Wer wird der nächste Knüller aus der 3. Liga? Vielleicht KSC-Talent Hakan Calhanoglu. Er ist 18 Jahre alt und wird bereits als "Mini-Özil" gefeiert.

© SZ.de/jbe/jüsc
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