Saisonfinale von Radprofi Alberto Contador:Leichte Risse im Monument

Alberto Contador, Radsport,

Wegen Dopings für zwei Jahre gesperrt: Alberto Contador.

(Foto: AP)

Erst Tränen, dann wieder Triumphe: Alberto Contador hat sich erstaunlich schnell von seinem Sturz bei der Tour de France erholt und dominiert das Radsport-Geschehen im Spätherbst. Nicht nur die rasche Genesung des Spaniers weckt Zweifel.

Von Johannes Knuth

Die Bilder werden wieder einmal majestätisch sein. An diesem Sonntag macht sich der Radsport-Tross auf zur 108. Lombardei-Rundfahrt, passiert die Ufer des Comer Sees, rast durch die herbstgetränkten Wälder, das Kopfsteinpflaster hinauf in die Città Alta, Bergamos auf einer Anhöhe thronende Altstadt. "Monumente des Radsports" werden diese traditionsreichen Eintagesrennen in der Szene genannt - und da trifft es sich gut, dass bei der diesjährigen Auflage zwei fahrende Monumente aufeinanderprallen: die beiden Spanier Alberto Contador und Alejandro Valverde.

Einer der beiden könnte am Sonntag die Pro-Tour zu seinen Gunsten beeinflussen, eine Art Weltcup-Gesamtwertung des Radsport-Weltverbands (UCI). "Eintagesrennen sind nicht gerade meine Spezialität", richtete Contador zuletzt aus, "aber am Ende des Jahres will natürlich jeder gerne die Nummer eins sein". Nach dem Auftritt am Sonntag wird Contador noch die Peking-Rundfahrt mitnehmen, dort werden die letzten Punkte für die Pro-Tour-Wertung ans Fahrervolk verteilt. "Alberto muss noch immer seinen Rhythmus finden, unter diesen Umständen war er zuletzt unglaublich gut", sagte sein Sportdirektor Fabrizio Guidi.

Genau darin liegt für manche Beobachter das Problem.

Mitte Juli hatte Contador noch blut- und tränenüberströmt am Straßenrand gestanden, im finalen Anstieg der zehnten Tour-Etappe. Der Spanier war auf der nassen Straße gestürzt, kurz darauf gab er die Rundfahrt auf: Schienbeinbruch, vier Wochen Pause, mindestens. Zwei Wochen später wurde der 31-Jährige plötzlich wieder auf einem Rennrad erspäht, kurz darauf rollte er an die Startlinie der Spanien-Rundfahrt, mehr noch: Contador dominierte die Vuelta, als sei er nie verletzt gewesen.

Der Begriff Wunderheilung geisterte durch die Medien - eine Vokabel, die im dopinggeschüttelten Radsport nicht gerade Vertrauen weckt, schon gar nicht bei einem Protagonisten, der wegen Clenbuterol-Dopings zwei Jahre aussetzen musste und einen Tour-Triumph verlor. Als Contadors Vuelta-Start von immer mehr Zweifeln umweht war, spach sein Rennstall Tinkoff-Saxo von einer neuen Behandlungsmethode, einer elektronischen Massagemethode, mit der man "einen der ehrgeizigsten Rehaprozesse aller Zeiten" realisiert habe.

"Hauptsache, ihr werdet nicht erwischt!"

Frage also an Perikles Simon, Professor für Sportmedizin an der Universität Mainz, wie das einzuschätzen ist. Er hält wenig von derartigem "Hokuspokus", den Spitzensportler für ihre Genesung verantwortlich machen. Er glaubt trotzdem, dass Contador auch ohne überirdische oder sonstige Hilfen zwei Wochen nach seinem Schienbeinbruch wieder einsatzfähig war. Es könne sich um einen kleineren Bruch handeln, um eine Stressfraktur zum Beispiel: "Mit dieser kann man recht rasch und auch recht erfolgreich wieder trainieren", sagt Simon. Contadors Teamarzt richtet auf SZ.de-Anfrage aus: "Alberto hatte einen kleinen vertikalen Riss im Schienbein." Das klingt weniger nach Wunderheilung, Contador hatte bei seiner Verletzung offenslichtlich Glück.

Doch es bleiben Restzweifel. Vor kurzem hatte der ehemalige Radprofi und Doping-Kronzeuge Jörg Jaksche im Wirtschaftsmagazin Brand Eins erklärt: "Doping ist weiter Teil des Systems. Im Radsport sind auch nur die Athleten geschasst worden. Die Teamleiter, die Manager, die Betreuer, die in das System involviert waren, sind geblieben."

An Contadors Tinkoff-Saxo-Equipe kann man das anschaulich studieren. Als Teammanager fungiert unter anderem Bjarne Riis, einst Chef der dubiosen CSC-Mannschaft. Dort kam es zu diversen Manipulationsfällen, Kronzeuge Tyler Hamilton behauptete, Riis habe ihm den spanischen Blutpanscher Eufemiano Fuentes empfohlen (was Riis bestreitet). Der Betreuerstab umfasst unter anderem Lars Michaelsen (Mitglied der skandalumwitterten Festina-Auswahl), Bruno Cenghialta (Mitglied der skandalumwitterten Gewiss-Mannschaft) und den geständigen Epo-Konsumenten Steven de Jongh.

Abramowitsch des Radsports

Und dann ist da noch Team-Eigentümer Oleg Tinkow, ein russischer Geschäftsmann, reich geworden mit Bier- und Kreditkartenhandel. Tinkow, den manche als Abramowitsch des Radsports bezeichnen, hat seit 2006 diverse Radställe unterstützt, unter anderem "Tinkoff Credit Systems", einst Arbeitgeber von Tyler Hamilton. Damals soll Tinkow seinen Fahrern laut Hamilton gesagt haben: "Es ist mir egal, was ihr macht - Hauptsache, ihr werdet nicht erwischt" (was Tinkow bestreitet).

Er sei natürlich strikt gegen Doping, beteuerte Tinkow zuletzt. Da ist es schon beachtlich, wie viele ehemalige Sünder er in seiner Mannschaft angestellt hat: die einst positiv getesteten Daniele Bennati, Michael Rogers und Rory Sutherland, die mutmaßlichen Fuentes-Kunden Jesus Hernandez und Sergio Paulinho, dazu Roman Kreuziger. Letzteren sperrte die UCI vor kurzem wegen auffälliger Blutwerte, das tschechische olympische Komitee hob das Urteil auf, die UCI erwägt, den Fall vor den internationalen Sportgerichtshof zu zerren. Bis auf weiteres darf Kreuziger fahren - er soll vor allem Contador helfen, die UCI-Wertung zu gewinnen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: