Sacramento in den NBA-Playoffs:Alle für alle

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Steph Curry gegen Domantas Sabonis (li.): Ein ungleiches Duell in den NBA-Playoffs, denn der Litauer der Kings ist ein Riese, während Curry eher filigran unterwegs ist. (Foto: Ezra Shaw/Getty)

Die Sacramento Kings liefern die Wohlfühl-Geschichte der NBA-Saison - die in der ersten Playoff-Runde einfach weitergeht. Gegen Titelverteidiger Golden State Warriors führen sie 2:0, weil Trainer Mike Brown ein Mantra seiner Ex-Chefs übernommen hat.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Natürlich haben sie den Laser aktiviert in Sacramento nach dem 114:106-Sieg ihrer Kings gegen die Golden State Warriors. Light the Beam nennen sie das in Nordkalifornien seit Saisonbeginn, und natürlich macht so ein violetter Strahl ins All - es ist mit 1600 Watt die hellste Farb-Laser-Installation der Welt - umso mehr Spaß, wenn es ein Sieg gegen eine andere nordkalifornische Mannschaft ist und es in den Playoffs passiert. Spielmacher Malik Monk betätigte den absurd überdimensionierten Knopf am Spielfeldrand, damit selbst Leute in Flugzeugen über Sacramento wussten: Die Kings führen in der Best-of-Seven-Serie der ersten Playoff-Runde in der Basketballliga NBA nun 2:0.

Die Kings liefern die Wohlfühl-Geschichte dieser Saison, weil sie zum einen zeigen, dass es keine Ansammlung von Superstars braucht, um Erfolg zu haben - wobei sogleich erwähnt sei, dass dies in Sacramento überhaupt nicht möglich wäre, weil Berater dieser Superstars seit mehr als einem Jahrzehnt dringend vom Wechsel in diese Stadt, zu dieser Franchise abraten. Das führt zum zweiten Grund, warum derzeit alle derart aufgeregt sind: Es sind nun mal die Kings, und es ist nun mal die biedere Politiker-Stadt Sacramento.

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17 Jahre lang hatte sich der Verein nicht mehr für die Playoffs qualifiziert; das war die längste Durststrecke über die vier bedeutsamen US-Sportarten hinweg; was allerdings niemanden außerhalb von Sacramento interessierte und noch nicht einmal die Leute in der Stadt. Wann immer es Gerüchte um ein NBA-Team in einer Stadt ohne Franchise gab, war die erste Frage: Ah, ziehen die Kings endlich um?

In der vergangenen Saison lautete die Bilanz 30:52, und die Buchmacher in Las Vegas prognostizierten für diese Spielzeit nur drei Siege mehr, weil die Kings lediglich Kevin Huerter (Atlanta), den vertragslosen Monk und Liga-Neuling Keegan Murray hinzufügten.

Ebenfalls neu: Trainer Mike Brown, vier Mal Meister als Co-Trainer; 2003 unter Gregg Popovich (San Antonio Spurs) sowie drei Mal unter Steve Kerr (Warriors). Er hat bei diesen Stationen den Umgang mit Größen wie Tim Duncan oder Steph Curry gelernt, vor allem aber das Mantra der beiden Trainer-Legenden, dass im Mannschaftssport ein Team nicht die Summe der Einzelspieler ist - sondern sehr viel mehr, aber auch sehr viel weniger sein kann.

Was Brown tat vor der Saison: Er ließ alle im Verein einen Vertrag unterzeichnen, der "All In" hieß und der alle - von Vereinsbesitzer Vivek Ranadivé bis zur Person, die die Aufzüge im Stadion bedient - verpflichtet, ihre Jobs zu erledigen und nur ihre Jobs. Keine Einmischung in die Aufgaben der anderen, kein Lästern übereinander. Mach dein Ding, zum Wohle des großen Ganzen. Alle für alle, jeder mit seinen eigenen Fähigkeiten, in seiner eigenen Rolle.

Kings-Coach Mike Brown lernte von den Besten, jetzt trainiert er in Sacramento selbst eine extrem gute Mannschaft. (Foto: Ezra Shaw/Getty)

Es ist erstaunlich, wie effizient solche vermeintlich einfachen psychologischen Kniffe bisweilen sind - wie 1600 Watt-Laser-Beam oder die Tatsache, dass Brown auch mal nach weniger als einer Minute Spielzeit eine Auszeit nimmt und selbst die besten Spieler auf die Bank setzt, wenn er den Eindruck hat, dass sie den All-In-Vertrag zu Beginn einer Partie nicht erfüllen. Die Kings verloren die ersten vier Spiele der Saison - und befinden sich seitdem auf einem Höhenflug, der nun auch in den Playoffs, gegen Titelverteidiger Golden State, gegen Browns einstigen Chef Kerr weitergehen soll.

Ihr wichtigster Spieler ist Domantas Sabonis, Sohn der litauischen Basketball-Legende Arvydas Sabonis. Wie sein Vater ist er offiziell Center, doch hat er auch dessen Ballgefühl, Balance und Übersicht geerbt - was in der heutigen NBA noch stärker zur Geltung kommt. Sabonis entzerrt das wegen der Treffsicherheit vieler Akteure von jenseits der Drei-Punkte-Linie ohnehin weitläufigere und dynamischere Spiel noch mehr. Er trifft zuverlässig aus der Mitteldistanz und sorgt dafür, dass die Scharfschützen draußen und auch Kollegen unter dem Korb häufig frei sind. Das ist oft undankbare Drecksarbeit, so wie es in der Defensive undankbare Drecksarbeit ist, wegen dieser Vielseitigkeit auch mal gegen Wurfspezialist Steph Curry verteidigen zu müssen.

Sabonis macht das, uneigennützig, und dazu gehört auch, sich wie am Montagabend erst Curry in den Weg zu stellen und ein Knie gegen den Kiefer in Kauf zu nehmen; sich mit Warriors-Wühlbüffel Draymond Green anzulegen, am Boden liegend dessen rechten Fuß zu greifen und so den Tritt von Green gegen seine Brust zu provozieren. Sabonis akzeptierte diesen heftigen Schmerz - er spielt seit Dezember ohnehin mit gebrochenem rechten Daumen - und das unsportliche Foul gegen sich, schmunzelte aber, weil Green sieben Minuten vor Schluss aus der Partie geworfen wurde.

Kurz darauf ließ er sich von Curry umräumen, wieder an der Brust - und kassierte nur mit viel Pech ein Foul, statt einen Ballverlust zu provozieren. Direkt danach: Dreikampfsieger gegen zwei Gegner, Pass auf Davion Mitchell für einen erfolgreichen Dreier. Und ganz am Ende ein krachender Dunking zur völligen Ekstase in der Halle. All in.

Es ist erstaunlich, wie gelassen die Kings blieben in dieser am Ende doch arg hektischen Partie gegen die erfahrenen und in diesen Situationen so grandiosen Warriors. Wie sie miteinander spielen, füreinander, ohne Allüren. Wie sie dafür sorgen, dass die Warriors zum ersten Mal seit 2007 in einer Serie 0:2 zurückliegen - Curry damit zum ersten Mal in seiner Karriere. Wie sie ohne Klagen einstecken. "Ach Gott", sagte Sabonis nach der Partie über all die harten Momente: "Das ist Playoff-Basketball, da geht es nun mal rauer zu." Also dann: Light the beam.

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