Sachenbacher-Stehle auf Platz vier:Null Fehler sind nicht gut genug

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Evi Sachenbacher-Stehle: bestes Ergebnis ihrer noch jungen Biathlon-Karriere (Foto: AFP)

"Renn, renn, renn": Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle fehlt im Massenstart nur eine Sekunde für den Gewinn der Bronzemedaille. Und doch demonstrierte die ehemalige Langläuferin, dass ihr die Umschulung gelungen ist.

Von Carsten Eberts, Krasnaja Poljana

Die Zielgerade, noch fünfzig Meter, die letzten Stockschübe. Evi Sachenbacher-Stehle scherte aus, nach links, setzte sich schräg hinter die Norwegerin Tiril Eckhoff, die sie schon die gesamte Schlussrunde über verfolgt hatte. Nun das Duell, der Schnee spritzte auf, doch Eckhoff blieb stark und hielt dagegen. Drei Skilängen fehlten Sachenbacher-Stehle am Ende zu ihrer ersten Medaille als Biathletin.

"Mannometer", brach es aus ihr heraus, "es ist immer noch eine da, die vorbei schnippt." Diesmal war es Eckhoff, die sich beim Massenstart-Sieg der Weißrussin Darja Domratschewa Bronze sicherte. Die Deutsche wurde nur Vierte. "Da schieße ich schon mal null", klagte Sachenbacher-Stehle, die sonst eigentlich immer ein paar Scheiben stehen lässt. Ein Hauch von Tragik lag in der Luft.

Als 31-Jährige zum Biathlon gekommen

Wenige Minuten nach dem vermaledeiten Zielsprint lachte Sachenbacher-Stehle, 33, schon wieder. Zum einen, weil die auf beneidenswerte Weise grundfröhliche Athletin irgendwie immer lacht, aber auch, weil sie gut einschätzen konnte, was passiert war. Sie hatte zweifellos das beste Rennen ihrer Biathlon-Karriere geliefert.

Sie hatte tatsächlich fehlerfrei geschossen - 20 Schuss, 20 Treffer; dieses Kunststück war ihr vorher noch nie geglückt. Denn mit dem Schießen hatte sie es lange Zeit nicht so. Ihre Geschichte ist bekannt: 2012 entschied sich Sachenbacher-Stehle, im Alter von bereits 31 Jahren vom Langlauf zum Biathlon umzuschulen. Das Laufen war sie natürlich gewohnt, darin war sie sogar sehr gut. Doch der Umgang mit dem Sportgewehr war neu.

Es folgten lehrreiche Monate, unzählige Schießfehler und auch viele Momente des Zweifelns. Schon die Qualifikation für Sotschi war ein Coup für die 33-Jährige, nun verpasste sie lediglich um eine Sekunde ihre erste Olympia-Medaille als Biathletin. "Das ist eine Super-Platzierung für mich", sagte Sachenbacher-Stehle und strahlte schon wieder über das ganze Gesicht: "Eine muss ja schließlich Vierte werden. Dann bin das halt ich."

Auch Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig hatte nach unruhigen Tagen im deutschen Biathlon-Lager endlich etwas zu loben. Die vorherigen Rennen hatte er schon mal als "Griff ins Klo" bezeichnet und anschließend die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Mannschaft in Frage gestellt. Diesmal war Hönig deutlich fröhlicher gestimmt. Bereits im Einzelrennen habe Sachenbacher-Stehle ihre gute Form angedeutet, sagte Hönig: "Heute hat sie das durchgezogen, und das in ihrem zweiten Jahr als Biathletin. Das ist gigantisch."

Der verpassten Medaille solle sie nicht nachtrauern. "Sie hat nicht Bronze verloren", sagte Hönig, "sondern den vierten Platz gewonnen." Nebenbei ist dieser Rang das mit Abstand beste Ergebnis, das die zuvor so heftig kritisierten deutschen Biathletinnen bei diesen Winterspielen einfahren konnten. Sachenbacher-Stehles Umschulung darf damit endgültig als erfolgreich abgeschlossen bezeichnet werden.

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Sachenbacher-Stehles Leistung war der Lichtblick, denn für die anderen Deutschen lief der Massenstart abermals mäßig. Andrea Henkel landete mit einem Schießfehler auf Platz 18, Franziska Hildebrand schoss dreimal daneben und kam auf Rang 29 ins Ziel. Franziska Preuß ging nicht an den Start, sie wurde kurzfristig für die Staffeln geschont, Laura Dahlmaier hatte sich nicht qualifiziert.

"Mir fehlen ein, zwei Level", klagte Henkel, die nach ihrer hustenreichen Erkältung erneut geschwächt an den Start gegangen war, und schimpfte auf diese "blöde Krankheit". Läuferisch konnte Henkel einfach nicht mithalten. Für Sachenbacher-Stehle, die sie im Zielbereich umarmte, hatte sie trotzdem einen Trost parat. Auch sie, Henkel, habe in ihrer langen Karriere schon einige Duelle mit Eckhoff bestritten. Doch auf der Schlussrunde, so Henkel, "habe ich noch nie gegen sie gewonnen". Sachenbacher-Stehle schilderte die Dinge aus ihrer Sicht: "Ich habe nur gedacht: Renn', renn', renn'! Diese Chance kommt so schnell nicht wieder." Doch es reichte nicht. Eckhoff war schneller. Mit den letzten Stockschüben.

Ganz vorne agierte erneut Domratschewa in ihrer eigenen Dimension. Schon in der Verfolgung und im Einzelrennen über 15 Kilometer hatte die Weißrussin Olympiagold geholt, nun erbrachte sie abermals den Nachweis für ihre momentane Ausnahmestellung.

Eine Runde lang hatte Domratschewa die Konkurrenz zu Beginn noch gnädig folgen lassen, bis zum ersten Liegendschießen. Anschließend schnellte die 27-Jährige binnen einer halben Laufrunde um zehn Sekunden davon. Auch am Schießstand blieb Domratschewa souverän, ihren einzigen Fehler im letzten Anschlag konnte sie sich zu diesem Zeitpunkt längst leisten. Sie sei "nicht gegen Domratschewa gelaufen", sondern nur für sich selbst, sagte die zweitplatzierte Tschechin Gabriela Soukalowa später, das klang schon nach Kapitulation. Domratschewa hingegen schwang ihren Skistock auf dem Zielstrich wie ein Lasso. Sie hat sich längst zu einem Gesicht dieser Spiele gekürt.

© SZ vom 18.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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