Süddeutsche Zeitung

Ryder Cup:Party mit Team Europa

  • Team Europa gewinnt die 42. Auflage des Ryder Cups. Die eigentlich favorisierte Mannschaft aus den USA verliert erneut auf europäischem Boden.
  • Den entscheidenden Punkt holt der Italiener Franscesco Molinari. Sein Gegner Phil Mickelson schlägt den Ball ins Wasser.
  • Tiger Woods gehört zu den Enttäuschungen des Wochenendes.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Um kurz vor 17 Uhr, nach drei Tagen großartiger Schläge, ärgerlicher Patzer, endloser Debatten und Debatten über die Debatten, gab es eine letzte Frage, die sportlich zu klären war: Wem gelingt der Siegputt? Dem Italiener Francesco Molinari? Oder dem Schweden Henrik Stenson? Europa hatte sich in aufregenden Einzeln tapfer behauptet, die USA herankommen lassen. Aber dann bäumten sich einige auf. Ein Punkt fehlte. Und dann passierte das, was zur Woche der Amerikaner passte: Phil Mickelson, fünfmaliger Champion und nur dank eines Captain's Pick, einer Wildcard ins Team gerutscht, obwohl sehr außer Form, schlug auf der 16. Bahn gegen Molinari den Ball ins Wasser. Und schenkte das Duell ab. Mit 4&2 (vier Lochgewinne Vorsprung bei zwei zu spielenden Bahnen) verlor er. Es war kein letzter Putt nötig.

Und sofort begann die Party des Teams Europas. Im Ryder Cup, diesem einzigartigen Mannschaftswettbewerb in der Einzelsportart Golf, bei dem zwölf Spieler aus Europa und den USA alle zwei Jahre um den Sieg kämpfen. Dem Titelverteidiger, der 2016 in Hazeltine/Minnesota triumphiert hatte, wurde der 42. Ryder Cup entrissen. "Wir wussten, wir sind der Außenseiter", sagte der Engländer Ian Poulter, wieder in bestechender Form gewesen, wie immer in dieser Veranstaltung, "das hat uns nur mehr motiviert." Die Sieger wie der zwei Tage überragende Tommy Fleetwood wurden auf Schultern von Fans getragen. Zehntausende waren in den Klub Le Golf National bei Paris gepilgert. Champagner spritzte. Manche Verlierer schauten traurig wie Bernhardiner. Tiger Woods war einer der Enttäuschten. Er hatte auch enttäuscht.

Der Sonntag bot exakt jene Spannung, für die der seit 1927 existierende Ryder Cup berühmt ist. Nach zwei Tagen hatte es 10:6 für Europa gestanden. Für den Schlusstag speiste sich die Hoffnung der Amerikaner aus dem Wissen, in den Einzeln auf die Einzel-Stärken der Spieler bauen zu können. Die Nerven, vor allem bei US-Medien, waren aber schon seit Freitag porös, als Europa ein 1:3 in eine 5:3-Führung verwandelte und bis zum Sonntag den besseren Eindruck hinterließ. In Molinari und dem Engländer Tommy Fleetwood hatte es das beste Duo, das erstmals in der europäischen Geschichte viermal in den Viererformaten antrat und viermal siegte. Die Golfwelt feierte sie als Moliwood. Auch ausschlaggebend: Die vier Picks, jene vier, die Teamkapitän Thomas Björn per Wildcard nachnominierte, erzielten jeder bis Sonntag mindestens einen Punkt und zusammen sechs (Paul Casey, Sergio Garcia, Stenson, Poulter). Die vier US-Picks kratzten zusammen einen einzigen Punkt (Tony Finau gewann am Freitag mit Brooks Koepka); leer gingen Mickelson, Woods und Bryson DeChambeau aus. "Wir wurden ausgespielt", gab US-Kapitän Jim Furyk zu.

Bei den USA hatten zu wenige geglänzt. Woods erlebte mit drei Niederlagen eine Schmach und war schon am Samstag "pissed". Patrick Reed, Spitzname Captain America, weil er wie Poulter eine extrovertierte Passion für den Ryder Cup pflegt, agierte wie ein Lamm. Er hätte sich Gummistiefel mitnehmen sollen, seine Bälle lagen oft im Wasser. Die Verzweiflung ging so weit, dass der US-Sender Golfchannel Naturmächte beschwor. In dieser Woche gab es Vollmond über Paris - wie 1999 und 2012 während der Ryder Cups in Brookline und Medinah. Was war damals passiert? Beide Male verwandelte ein Team ein 6:10 in einen Sieg. Einmal gelang das den USA, einmal Europa. Um 12.05 Uhr schlugen Rory McIlroy und Justin Thomas als Erste ab. Da sollte sich zeigen, ob der Mond wirkte.

Nun hieß es Mann gegen Mann, wer weniger Schläge zum Einlochen des Balles benötigt, gewinnt das Loch. 18 Löcher werden gespielt. Wenn der Vorsprung größer ist als die Zahl der noch zu spielenden Löcher, ist Schluss. Für die USA bedeute dies: "Wir wollen einen schnellen Start hinlegen", forderte Furyk. Rot sollte auf der Anzeige leuchten. Rot für die USA. "Wir müssen auf uns schauen", sagte Björn, der Blau anführte. Und so begann das übliche Prozedere an Einzeltagen: Blau und Rot poppten auf, mal hier, mal da, die Vorteile wechselten. Anfangs leuchtete mehr Rot. Dann mehr Blau. Irgendwie musste Europa viereinhalb Punkte einsammeln, vier Siege und ein Remis. Die USA benötigte acht Punkte. Dem Titelverteidiger reichen 14 der insgesamt 28 vergebenen Punkte.

Offiziell verkauften die Veranstalter für den Sonntag 51 000 Tickets, die Massen sahen eher nach 100 000 aus. Alles wurde niedergetrampelt, um einen Blick zu erhaschen. Wurde links hinten im Nirwana gestöhnt, wurde vorne rechts am Bunker gejubelt. Björn wie Furyk hatten ihre Schwergewichte vorne in der Reihenfolge der Starter platziert. In der Hoffnung, die Besten punkten rasch. Anfangs, als alle 24 Spieler auf dem Albatros Course draußen waren, betrug das Blau-Rot-Verhältnis 7:2 (dazu die Unentschieden). Dann: 6:5. Dann: 4:5. 4:6. Rot war stark. Justin Thomas fuhr als Erster einen Punkt ein, am letzten Loch gelang ihm der Sieg (1 auf). McIlroy hatte zuvor den Ball ins Wasser gedroschen. "Ich würde gerne noch mehr Rot sehen", sagte Thomas. Er bekam es. Erst rettete sein US-Kollege Brooks Koepka mit einem Traumbunkerschlag einen halben Punkt gegen Paul Casey. Dann: 3&2-Sieg für Webb Simpson gegen Justin Rose. Dann: 6&4-Sieg für Tony Finau gegen Fleetwood. In ersten Statements äußerten sich Gewinner wie Verlierer immer respektvoll übereinander. Bei allem einseitigen Gegröle der Fans ist das auch wichtig zu wissen.

Nun fielen die Entscheidungen wie Dominosteine: Der Däne Thorbjörn Olesen fabrizierte den größten Überraschungspunkt für Europa, 5&4 gegen den dreimaligen Major-Champion Jordan Spieth. Zwischenstand 11,5:9,5. Alles war für beide Teams weiter möglich. Der Spanier Jon Rahm, mit einem Kreuz wie ein Schrank gesegnet, glänzte gegen Woods und verpasste dem 42-Jährigen die vierte Pleite in vier Matches. Und Poulter war Poulter. Ein Vulkan, der lieferte. 2-auf-Sieg gegen Johnson. Das Momentum war endgültig gekippt. Mickelson tat Europa den entscheidenden Gefallen. In der Euphorie holten Garcia (2&1 gegen Ricky Fowler), Stenson (5&4 gegen Bubba Watson) und der Schwede Alex Noren (1 auf gegen DeChambeau) die letzten Punkte. Plötzlich war das Ergebnis von 17,5:10,5 eine Demütigung für die USA. Aber Europa kostete den Moment aus. "Die Nacht wird lang und feucht", versicherte Stenson.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2018/schm
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