Süddeutsche Zeitung

Transfermarkt:Ein lukrativer Verlust für die Bundesliga

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Der Franzose Georginio Rutter, 20, steht offenbar vor einem Wechsel von Hoffenheim zu Leeds United. Er ist das nächste Beispiel dafür, dass deutschen Klubs die Argumente fehlen, wenn die Premier League lockt.

Von Philipp Selldorf

Statistisch bemessen, gehört Georginio, sprich: Jorginho, Rutter nicht zu den auffälligsten Erscheinungen der laufenden Bundesliga-Saison. Stürmer, die in 15 Spielen zwei Tore geschossen und zwei Torvorlagen gegeben haben, gibt es einige. Doch wer schon das Vergnügen hatte, den 20 Jahre alten Franzosen bei der Arbeit für die TSG Hoffenheim zu erleben, den wird das "gewaltige Interesse" nicht wundern, das Rutter laut Klubmanager Alexander Rosen auf dem Transfermarkt auslöst. Die besten Argumente scheint der Bewerber Leeds United zu bieten, das Geschäft könnte schon in Kürze vollendet werden, die TSG darf dann mit einem Betrag zwischen 35 und 40 Millionen Euro rechnen. Als der gebürtige Bretone Rutter, damals knapp 18-jährig, von Stade Rennes in den Kraichgau kam, kostete er nicht mal eine Million. Sein großes Talent war offensichtlich: Ein Techniker und Dribbelkünstler mit hohem Tempo war er damals schon.

Für den Verein wäre der Verkauf ein Gewinn, für die Bundesliga ist er ein Verlust. Aus Sicht von Leeds United, derzeit auf Platz 14 der Premier League, ist es ein alltäglicher Handel, aber das macht die Sache für die betroffenen Ligen nicht besser. Während im Rest Europas die Transfermärkte mehr oder weniger brachliegen, setzt die Finanzgroßmacht Premier League Tag für Tag ein anderes Zeichen des Lebens im Überfluss. Unter anderem vollendete zu Wochenbeginn der FC Chelsea die bisher noch leihweise betriebene Rekrutierung des Portugiesen Joao Felix (Atletico Madrid), während Aston Villa für zwölf Millionen Euro den Linksverteidiger Moreno von Betis Sevilla kaufte und Manchester United die Übernahme des holländischen WM-Helden Wout Weghorst (Besiktas Istanbul) vorbereitete.

Firmino, Demirbay, Raum: Hoffenheims Geschichte rentabler Verkäufe ist lang

Hoffenheim wiederholt im Fall Rutter ein bewährtes Muster, das Sportdirektor Rosen als Teil des "unromantisches Geschäftsmodells" der TSG beschreibt: Spieler gewinnbringend zu verkaufen, auch wenn man sie - wie Rutter - noch so sehr ins Herz geschlossen hat, gehört zur Finanzierung des Fußballbetriebs in Hoffenheim. Schon lange gleicht der Gründervater Dietmar Hopp nicht mehr die Fehlbeträge aus. Wenn Rutter nach Leeds gehen sollte, dann reiht er sich an vorderer Stelle ein in die rentabelsten Verkaufsgeschichten: Joelinton (Newcastle United), Firmino (FC Liverpool), Kerem Demirbay (Bayer Leverkusen), Nico Schulz (Dortmund), zuletzt David Raum, dessen 26-Millionen-Erlös nach dem Wechsel zu RB Leipzig die Corona-Verluste auszugleichen half.

Argumente für den Verbleib junger Stars wie Georginio Rutter fallen den deutschen Klubs zunehmend schwer. Die Premier League ist der sportliche Mittelpunkt der Fußballwelt, und nicht nur die englischen Spitzenklubs zahlen besser. Auch die vermeintlichen Provinzvereine rufen große Beträge auf. Rutter steht angeblich ein Fünfjahresbetrag in Aussicht, der ihm wenigstens zwanzig Millionen Euro sichert. Leeds ist zudem eine Adresse, die als Sprungbrett taugt: Im Sommer wechselte der brasilianische Angreifer und Nationalspieler Raphinia nach Barcelona, Kalvin Phillips zu Manchester City. Für die TSG gilt es nun, die nächste Garde zu entwickeln, die auf den Markt getragen werden kann. Den Namen von Mittelfeldspieler Tom Bischof, 17, solle man sich merken, heißt es.

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