Zwei-Jahres-Sperre:Russland bekommt viele Schlupflöcher

ITAR TASS SOCHI RUSSIA FEBRUARY 23 2014 Three Russian national flags raised during the medal ce; Russland

Zumindest dieses Bild wird es erstmal nicht geben: Die russische Flagge bleibt blei globalen Sportereignissen verbannt.

(Foto: imago sportfotodienst; imago/imago/ITAR-TASS)

Die große Datenmanipulation im russischen Dopingskandal bleibt quasi folgenlos: Der Sportgerichtshof reduziert die Strafe und ermöglicht zahlreiche Ausnahmen. Der Bann endet ausgerechnet während der Fußball-WM in Katar.

Von Johannes Aumüller

Der russische Sport ist nach einer Datenmanipulation im Kontext des großen Staatsdopingskandals mit einer sehr milden Sanktion davongekommen. Das ergibt sich aus dem am Donnerstag veröffentlichten Urteilsspruch des Internationalen Sportgerichtshofes (Cas). Das Gericht reduzierte die ursprünglich von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) verhängte Vier-Jahres-Sperre gegen den russischen Sport auf zwei Jahre. Zugleich bestätigte es zahlreiche vorgesehene Ausnahmen und fügte weitere hinzu. Eine genaue Begründung für diese Entscheidung veröffentlichte der Cas nicht.

Gemäß dem Verdikt dürfen in der Zeit vom 17. Dezember 2020 bis 16. Dezember 2022 keine regulären russischen Mannschaften an Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften teilnehmen. Athleten aus Russland, die bisher nicht mit einem konkreten Dopingvergehen aufgefallen sind, können als sogenannte neutrale Athleten starten. Allerdings darf bei ihren Auftritten weder die russische Flagge zu sehen sein noch die russische Hymne erklingen. Zugleich darf Russland in diesem Zeitraum keine Großveranstaltungen ausrichten oder sich für welche bewerben.

"Das Gremium hat die Konsequenzen verhängt, um die Art und die Schwere widerzuspiegeln und um sicherzustellen, dass die Integrität des Sports gegen die Geißel des Dopings gewahrt bleibt", hieß es in einer Mitteilung des Cas. Tatsächlich aber sind die Auswirkungen auf den russischen Sport sehr überschaubar.

So ist jetzt schon abzusehen, dass trotz der Sperre bei den nächsten Olympischen Spielen zahlreiche Sportler aus Russland an den Start gehen werden. Als Beispiel dienen die Winterspiele 2018 in Pyeongchang, für die Russland formal ausgeschlossen war, an denen tatsächlich aber fast 170 russische Sportler als "Olympische Athleten aus Russland" teilnahmen. Vergleichbare Lösungen kann es nun auch wieder für die Sommerspiele 2021 in Tokio und die Winterspiele 2022 in Peking geben. Auch an der Fußball-WM 2022 in Katar darf eine Mannschaft mit russischen Spielern teilnehmen, solange sie offiziell nicht Russland heißt. Das könnte sogar besonders witzig werden, weil die Zwei-Jahres-Sperre während des Turniers endet. Zugleich ist es nicht so, dass die russische Fahne in dieser Zeit komplett aus den Sportstätten gebannt ist; ausdrücklich erlaubt ist es, dass Zuschauer diese mitbringen.

Auch mit Blick auf die Ausrichtung von Sportgroßveranstaltungen ist die Lage schwammiger, als es zunächst klingt. Formal gilt, dass Russland in den beiden nächsten Jahren weder Veranstaltungen ausrichten noch sich um welche bewerben darf. Allerdings gibt es in den nächsten zwei Jahren in Russland gar nicht viele Sportgroßveranstaltungen, und zudem heißt es einschränkend, dass es keine Rückgabe des Events geben müsse, wenn sich dies als "rechtlich oder praktisch unmöglich" darstelle.

Um die Eishockey-WM 2023 muss sich Russland durch die Verkürzung der Sperre keine Sorgen mehr machen. Die europaweit ausgetragene Fußball-EM 2021 stand sowieso nie zur Debatte. Laut Interpretation der Wada handelt es sich dabei um ein "regionales" Ereignis, das nicht von der Sperre umfasst ist. Damit kann Russland ganz normal teilnehmen und auch Sankt Petersburg einer von zwölf Spielorten (drei Gruppenspiele/ein Viertelfinale) sein. Formel-1-Rennen sind nicht betroffen, weil die Formel 1 nicht unter den Wada-Code fällt.

Die Sperre durch die Wada war vor einem Jahr in der Folge des großen Staatsdopingskandals ergangen. Konkret ging es um Russlands Umgang mit der sogenannten Lims-Datenbank des Moskauer Labors, das im Betrugssystem eine zentrale Rolle spielte. In dieser Datenbank sind alle Vorgänge und Analysen des Labors aus den Jahren 2012 bis 2015 vermerkt. Russland war in einer früheren Strafe dazu angehalten worden, diese Daten der Wada zu übergeben. Doch als die Wada sie im Januar 2019 nach einigen Verzögerungen erhielt, musste sie feststellen, dass diese "weder vollständig noch vollständig authentisch" waren. Bis Januar 2019 sei in dem Datensatz noch manipuliert und gelöscht worden.

Besonders pikant war dabei, dass das Labor und die Daten seit dem Auffliegen des Skandals 2015 unter Aufsicht des staatlichen russischen Ermittlungskomitees standen. Russland hingegen argumentierte, dass die Veränderungen an den Daten aus dem Ausland heraus erfolgt seien. Deswegen zog Russland gegen die von der Wada verhängte Vier-Jahres-Sperre vor den Cas. Anfang November gab es die Anhörungen der beiden Seiten durch das Cas-Panel, das aus Mark Williams (Australien), Luigi Fumagalli (Italien) und Hamid Gharavi (Frankreich) bestand.

Russlands Anti-Doping-Agentur begrüßte das 186 Seiten lange Urteil, bei dem unklar ist, ob es je vollständig veröffentlicht wird. Die Wada reagierte zwiegespalten. Man sei zufrieden, "diesen wegweisenden Fall gewonnen zu haben", sagte Wada-Präsident Witold Banka: "Das Gremium hat unsere Erkenntnisse bestätigt, dass russische Behörden die Daten des Moskauer Labors dreist und illegal manipuliert haben, um ein institutionelles Dopingsystem zu vertuschen." Allerdings sei man auch enttäuscht, dass der Cas nicht alle Konsequenzen bestätigt habe.

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