Russland und der Sport:Krieg? Bitte erst nach Ende der olympischen Waffenruhe!

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Gute Bekannte: IOC-Chef Thomas Bach (winkend, links) hatte schon 2014 Dusel, dass sein Tête-à-Tête mit Kreml-Boss Wladimir Putin (winkend, rechts) am Ende der Sotschi-Spiele, als der Einmarsch auf die Krim schon vorbereitet war, nicht größere Aufmerksamkeit erfuhr. (Foto: How Hwee Young/dpa)

Während die deutschen Athleten einen Komplettausschluss Russlands fordern, taktieren die Verbände unter Regie der Fifa: Als wäre der Krieg bloß ein ärgerliches Störfeuer gegen die heiligen Sportkalender.

Kommentar von Thomas Kistner

Polens Fußballer um Robert Lewandowski wollen nicht gegen Russlands Nationalteam spielen, ihr Verband unterstützt sie voll. Skandinavische Sportverbände brechen mit Putin und dessen Athleten. Und die deutschen Topverbände, DOSB und DFB, die haben auch klargemacht, äh, dass - ja, was denn? Dass am Anspielkreis der Bundesligen eine Schweigeminute stattfindet? Dass man in Kriegsgebieten jetzt erst mal nicht sporteln sollte?

Deutschland, vier Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs: Nun werden also doch Waffen an die Ukraine geliefert, der Rauswurf russischer Banken aus dem Swift-Abkommen wird nun doch mitgetragen. Aber es wirkt wieder wie stilles Brauchtum, dass deutsche Vertreter in international bedeutsamen Belangen die Letzten sind, wenn es um klare Positionen geht. Ein zögerlicher Sport steht da in unguter Tradition.

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Hierzulande sind es also wieder mal die Sportler selbst, die vorangehen. Ihre Spitzenvertretung "Athleten Deutschland" fordert den Komplettausschluss von Russland und Belarus aus allen Bereichen des Sports. Dieser Vorstoß ist nicht zu verwechseln mit wohlfeilen Forderungen des DOSB oder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die sich ja praktischerweise von selbst erfüllen: alle sportlichen Events in Russland und Belarus vorerst abzusagen.

In Deutschland löst man sich besonders mühsam von einem Narrativ, das stets Lüge war und spätestens jetzt, angesichts eines Überfallkrieges mit Flächenbrandgefahr, in sich zusammenbricht: dass Sport und Politik zu trennen sind. Das ist Unfug, und niemand darf es weniger reklamieren als ausgerechnet die größte gesellschaftspolitische Bewegung des Globus: der Sport, vorneweg Olympia und der Fußball.

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So geraten jetzt die Anführer, IOC-Boss Thomas Bach und Fifa-Patron Gianni Infantino, unters Brennglas der Weltöffentlichkeit. Beide vertreten Positionen, die immer noch den "unpolitischen" Sport insinuieren. Bach zeigte sich jüngst tief angefasst - davon, dass Russland in der Ukraine die olympische Waffenruhe gebrochen habe. Und Infantino meint, die Fifa könne mit Sanktionen abwarten, vielleicht beruhige sich das Ganze ja in den kommenden Wochen. Als wäre dieser Krieg ein ärgerliches Störfeuer gegen die heiligen Sportkalender. Als gäbe es andere, bessere Termine für einen Kriegsbeginn - absurderweise hat das IOC sogar konkret das Ende der olympischen Waffenruhe benannt, nach den Paralympics nämlich.

Für Fifa-Boss Gianni Infantino könnte sich der direkte Draht in den Kreml nun in eine Feldpost verkehren. (Foto: Hassan Ammar/dpa)

Beide Sportführer sind eng verflochten mit Freund Wladimir. Bach hatte schon 2014 Dusel, dass sein Tête-à-Tête mit Putin am Ende der Sotschi-Spiele, als der Einmarsch auf die Krim schon vorbereitet war, so wenig Aufmerksamkeit erfuhr. Was auch für den fürsorglichen Umgang seines IOC mit Russlands Staatsdoping gilt.

Und Infantino, der Fußball-Kapo, dem die Schweizer Justiz nachspürt und der sich just von Zürich nach Katar verkrümelt hat? Er hat ein Problem, das dem der Oligarchen im Exil ähnelt. Der direkte Draht in den Kreml, der hat sich für ihn offenbar schon in eine Feldpost verkehrt. Wer so nah am Kreml ist, dass er sogar einen Teilumzug der Fifa nach Moskau plant, der zappelt fest an Putins Strippen. Nur so erklärt sich, dass Infantino weiter so tut, als wäre der Krieg eine lästige Momentaufnahme - und schlimmer: Dass nun andere Länder sein Integritätsproblem ausbaden sollen. Sonntagabend tat er kund, dass Putins Team weiterkicken darf, jetzt halt einfach unter anderem Kürzel: RFU statt Russland. Auch sollen russische Flagge und Hymne nicht mehr verwendet werden. Welch gewaltigen Nebenschauplatz er damit eröffnet, ist offenbar nur ihm unklar: Polen, Schweden und andere werden sich nicht zwingen lassen. Reisen am Ende Putins Mannen kampflos zur WM?

Infantino: Er steht für Skrupellosigkeit, für die hässliche Fratze des Fußballgeschäfts. Ein in sich gefangener Machtmensch, den die Sportgemeinschaft sich nicht länger leisten sollte.

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