Russland:Schikanen gegen Aktivisten

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Ort der Begegnung: Joyce Cook (links), Direktorin der Fifa-Mitgliedsverbände und Inklusionsexpertin, besucht das „Diversity House“ in Moskau. (Foto: Tatyana Makeyeva/Reuters)

Das "Diversity House" in Sankt Petersburg, das Probleme von Minderheiten anspricht, muss kurzfristig umziehen.

Von Johannes Aumüller, Sankt Petersburg

Es geht hinein in einen belebten Hinterhof mit sympathischen kleinen Lädchen und Cafés, und am Ende des Hofes noch einmal eine Außentreppe hinauf. Ein einziger Raum ist dort oben, vielleicht 200 Quadratmeter groß und ausgelegt mit vielen grünen Teppich-stücken, die ein wenig an die Farbe eines Fußballplatzes erinnern. Nur ein paar Sitzgelegenheiten sind vorbereitet, eine Regenbogenfahne ist aufgehängt und auch eine Ausstellung zur Geschichte vom Umgang mit Minderheiten im Fußball.

In diesem Raum ist für die Zeit der Fußball-WM ein "Diversity House" von Sankt Petersburg untergebracht. Verschiedene Gruppen stehen dahinter. Das im Fußball schon seit einiger Zeit engagierte Anti-Rassismus-Netzwerk Fare ist beteiligt, auch viele lokale zivilgesellschaftliche Organisationen sind es, vom deutsch-russischen Austausch über Umweltexperten bis hin zu LGBT-Aktivisten, also Vertretern von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern. Das Haus will als Begegnungs- und Diskussionsstätte wirken und auf Probleme Russlands im Umgang mit Minderheiten aufmerksam machen. Derzeit ist dieser Ort ein gutes Beispiel dafür, mit welchen Widrigkeiten zivilgesellschaftliche Gruppen in Russland zu kämpfen haben. Besonders, wenn das nationale Großprojekt Fußball-WM alles überstrahlen soll.

Ursprünglich sollte das "Diversity House" nicht in diesem Hinterhof einquartiert sein, sondern zwei Kilometer entfernt in der Nähe des Konjuschennaja-Platzes. Dort hatten die Veranstalter Räume gemietet, und zu den Vorzügen dieser Lage zählt, dass sie nur wenige Meter vom offiziellen Fanfest des Fußball-Weltverbandes Fifa entfernt liegt - und die Wahrscheinlichkeit entsprechend größer ist, dass Besucher vorbeikommen. Für den vergangenen Samstag stand die Eröffnung an, doch einen Tag zuvor gab es vom Eigentümer des Gebäudes am Konjuschennaja-Platz einen anderslautenden Bescheid: Geht leider doch nicht, der Mietvertrag ist gekündigt.

Plausible Gründe seien nicht genannt worden, berichten die Aktivisten, alles sei sehr seltsam abgelaufen. Sie sehen die Polit-Oberen der Stadt dahinter, von einer "politischen Attacke" ist die Rede. Solche Sachen erleben zivilgesellschaftliche Aktivisten oft im heutigen Russland. Kurzfristige Absagen von Vermietern, kurzfristige Verlegungen von Veranstaltungen, kurzfristige Verbote.

"Das kostet Besucher", sagt Alfred Miniachmetow, der örtliche Repräsentant des Fare-Netzwerks, "aber vor allem kostet es Ressourcen und Kraft." Auf die Schnelle mussten sie alles neu organisieren, einen anderen Raum finden und alle Reklamezettel überkleben, die Deko rübertransportieren, den Projektor und den Beamer beschaffen für die Fußball-Übertragungen, die sie nebenbei natürlich auch zeigen wollen, die aber der ursprüngliche Tagungsort zur Verfügung stellen wollte. Miniachmetows Mitstreiterin Jelena Belokurowa findet es immerhin erfreulich, von wie vielen Seiten ihnen nach dem Rauswurf Hilfe angeboten worden sei - und dass sich ihre neue Unterkunft just in der Uliza graschdanskaja befindet, habe immerhin eine symbolische Bedeutung. Übersetzt heißt das: in der bürgerlichen Straße.

Es ist unabhängig vom plötzlichen Umzug für die Verantwortlichen des "Diversity House" schwierig genug, manche ihrer Themen wie gewünscht umzusetzen. Am Sonntagnachmittag etwa hält ein Aktivist einen kurzen Vortrag über die Geschichte von Repressionen gegen Homo-, Bi- und Transsexuelle in Russland und im Kaukasus. Auf dem DIN-A4-Blatt, das vor der Tür auf den Vortrag hinweist, steht ganz unten ein "18+"; und zu Beginn fragen die Organisatoren, ob alle Anwesenden älter als 18 Jahre sind. Ansonsten wäre selbst ein solcher historischer Vortrag ein Verstoß gegen das Gesetz, das Propaganda von Homosexualität in Anwesenheit Minderjähriger verbietet.

In zwei russischen Städten gibt es während der WM ein solches "Diversity House", in Moskau und in Sankt Petersburg. Fare-Vertreter Miniachmetow und seine Mitstreiter hoffen, dass sich auch am neuen Ort noch ein paar Besucher einfinden. Ansonsten, so sagt der Aktivist, geht es auch einfach darum zu zeigen, dass sie ihr Projekt durchziehen. Trotz der Widrigkeiten, die sie erleben, wenn sie um ein bisschen zivilgesellschaftliches Engagement kämpfen.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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