Russland:Putin baut den Sport um

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Wladimir Putin bei einer Konferenz am vergangenen Mittwoch in Moskau. (Foto: AP)
  • Das Image des russischen Sports ist aufgrund des aufgedeckten Staatsdopingsystems verheerend, weitere Enthüllungen sind noch zu erwarten.
  • Nun kündigt Präsident Wladimir Putin strukturelle Veränderungen an. Es soll eine neue Großbehörde entstehen.
  • Wie die alten Funktionäre in diesem neuen Konstrukt unterkommen, ist offen.

Von Johannes Aumüller, Moskau/Frankfurt

Sport ist in Russland Chefsache, also reiste Wladimir Putin höchstselbst am Dienstag aus dem Moskauer Kreml in die Stadt Kowrow im nahegelegenen Oblast Wladimir. Dort hielten sie dieser Tage ein Sport-Forum ab, und das nutzte der Staatspräsident, um einerseits eine kleine Rede zu halten und um andererseits den Rat für die Entwicklung von Körperkultur und Sport, wie das so schön im Amtsrussisch heißt, zu einer Zusammenkunft zu bitten. Und um dort ein paar klare Ansagen für eine bessere Zukunft unters Volk zu bringen.

Russlands Sport befindet sich in einer schwierigen Situation. Das globale Image ist aufgrund des aufgedeckten Staatsdopingsystems verheerend, weitere Enthüllungen sind noch zu erwarten. Die Fußball-WM 2018 mit zahlreichen erwartbaren Schwierigkeiten und Diskussionen steht vor der Tür. Und so richtig zufrieden sind sie mit der Performance ihrer Athleten nicht. Also macht sich Putin daran, Russlands Sport neu zu ordnen. So kündigte er inhaltliche Veränderungen an, beispielsweise will er die zuständigen Häuser für Sport, Jugend und Tourismus zusammenlegen und von einem noch zu benennenden Vize-Premier beaufsichtigen lassen. Auch hielt er Staatsfirmen und Regionen zu erhöhtem finanziellen Engagement an.

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Aber abseits der strukturellen Fragen debattiert Russland gerade intensiv die Frage, wer den nationalen Sport denn anführen soll bei seiner Umwandlung. "Das weiß gerade niemand, vielleicht noch nicht einmal der Präsident", schrieb die Zeitung Sport den za dnjom.

Mit diesem Satz dürfte die Gazette wohl irren. Unbestreitbar ist allerdings, dass sich die Debatte um die Besetzung der sportpolitisch wichtigen Posten gerade in einem Zustand befindet, in dem zu Sowjetzeiten die sogenannten Kremlologen zum Einsatz ausgerückt wären. Kaum etwas ist richtig klar, allerlei lädt zu Deutungen ein.

Bislang hatten zwei Männer in Russlands Sport maßgeblich das Sagen. Nummer eins: Alexander Schukow, 60, Präsident des Russischen Olympischen Komitees (ROK) und Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), unter anderem als einflussreicher Vorsitzender der Koordinierungskommission für die Winterspiele 2022 in Peking. Und Nummer zwei: Witali Mutko, 57, Sportminister, Präsident des nationalen Fußballverbandes und Mitglied im Vorstand des Fußball-Weltverbandes (Fifa). Beide sind alte Bekannte des Präsidenten. Aber sie wissen aus Erfahrung, dass das irgendwann auch nicht mehr reicht zur Postensicherung.

Auf der Kandidatenliste steht auch Olympia-Größe Jelena Issinbajewa

Bei Schukow steht fest, dass er die ROK-Spitze verlässt. Er ist zugleich Abgeordneter in der Duma und dort nach der Parlamentswahl zum stellvertretenden Vorsitzenden gekürt worden. Die beiden Posten seien zeitlich nicht miteinander vereinbar, heißt es nun, weswegen sich Schukow auf die Politik konzentriert. Etwas ulkig ist das, denn bisher hatte er auch beide Ämter inne. Seine Entmachtung im sportpolitischen Bereich kommt überraschend. Immerhin war er derjenige, der im IOC mit Thomas Bach den Weg fand, doch noch eine beachtliche Zahl russischer Athleten zu den Spielen in Rio de Janeiro zu bringen.

Und Mutko? Da ist die Lage noch unklar. Er gibt sich dieser Tage sehr gelöst und sicher, wenn er in die Öffentlichkeit tritt. Manche spekulieren, dass er auf die Ernennung zu dem für Sport, Jugend und Tourismus zuständigen Vize-Premier hofft. Andere verweisen darauf, dass die Ämterhäufung selbst bei Mutko irgendwann Grenzen haben könnte. Außerdem steht bei ihm stets die gesichtswahrende Lösung im Raum, dass sich der liebe Freund Witali Leontjewitsch aufgrund der vielfältigen Aufgaben vor der WM 2018 ganz auf den Fußballbereich konzentriert - und sein Regierungsamt ein anderer übernimmt.

Mögliche Namen für die Spitzenposten in ROK und umstrukturiertem Sportministerium kursieren viele. Das reicht von der früheren Stabhochsprung-Olympiasiegerin Jelena Issinbajewa, die sich aber erst einmal an die Spitze des Leichtathletik-Verbandes wählen lassen wollte, über den früheren Eishockey-Spieler und vor einem Jahrzehnt schon einmal als Sportminister tätigen Wjatscheslaw Fetissow bis hin zur TV-Managerin Tina Kandelaki.

Wladimir Putin sagte bei seiner Visite in Kowrow jedenfalls: "Ich unterstreiche, dass das alles nur die ersten Schritte sind bei der Neugestaltung, die die Sportlandschaft erwartet."

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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