Sanktionen gegen Russland:Alles wie beim Dopingskandal

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Doppel-Olympiasiegerin Jelena Issinbajewa - hier bei der Auslosung des Confed Cups 2017 - sitzt seit 2016 im IOC. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Startverbote für russische Athleten sind wichtig, aber bedeutsamer wären Sanktionen gegen die Nationalverbände - und Funktionäre wie Jelena Issinbajewa.

Kommentar von Johannes Aumüller

Nun ist es gerade Frühling und nicht Frühwinter, und bis zum nächsten Rodel-Weltcup in Altenberg oder Sigulda dauert es noch eine Weile. Dennoch dürften sich die Mitglieder der russischen Schlitten-Equipe dieser Tage gefreut haben. Denn nach dem jüngsten Beschluss sieht die Sache fürs Erste so aus: Wenn das nächste Rodelrennen stattfindet, können Russlands Rodler ganz normal mitmachen. War da nicht mal was mit strengen Sanktionen und einem Startverbot?

Seit dem Überfall auf die Ukraine ist es erschreckend, wie zögerlich und überschaubar die Reaktionen des organisierten Sports gegenüber Russland sind. Allein im Umgang mit Athleten gibt er sich gemeinhin streng. Da geht es dann zum einen um persönliches Fehlverhalten wie aktuell bei dem 15-jährigen Kartfahrer Artjom Sewerjuchin, den sein Team nun entließ, weil er bei einer Siegerehrung einen faschistischen Gruß zeigte. Und zum anderen und insbesondere um das generelle Startverbot für russische Athleten, wie es bis auf wenige Ausnahmen alle wichtigen Verbände verhängt haben.

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Der Rückzieher der Rodler ist nun ein besonderer Fall. Denn das verbandseigene Schiedsgericht hebelte die Exekutive aus, die, angeführt vom lettischen Präsidenten Einars Fogelis, sogar zu den schärferen Kritikern Russlands zählt - und nun eine gerichtsfestere Variante nachlegen dürfte. Doch zugleich dokumentiert sich in diesem Vorgang Grundsätzliches.

Erstens liefert er einen Vorgeschmack darauf, wie der einflussreiche russische Sport versuchen wird, die Lücken der Sanktionen zu suchen und zu nutzen. Das gilt erst recht, wenn mal ein bisschen Ausschluss-Zeit vergangen ist. Und zweitens zeigt sich erneut, wie falsch und entlarvend es ist, dass sich der Sport bei den Sanktionen so auf die Athletenfrage konzentriert.

Warum darf jemand wie Jelena Issinbajewa immer noch Mitglied im IOC sein?

Im Prinzip setzt sich das Muster fort, das schon vor einigen Jahren beim Staatsdopingsystem galt. An die Sportler geht man vielleicht noch ran - aber das russische Sportsystem als solches lässt man in Ruhe. In zahlreichen großen Weltverbänden sind die russischen Nationalverbände noch wie selbstverständlich Mitglied. Gerade einmal 7 der 40 wichtigsten Föderationen hätten einen Ausschluss durchgesetzt, ergab dieser Tage eine Aufstellung von "Play the Game". Und genauso selbstverständlich sitzen noch in zahlreichen Verbänden russische Funktionäre in wichtigen Positionen. Von der europäischen Fußball-Union, wo der Gazprom-Manager Alexander Djukow Vorstandsmitglied ist, über den Weltverband der Schützen, den der Milliardär Wladimir Lissin präsidiert, bis hin zum Internationalen Olympischen Komitee, das weiterhin vier Russen als (Ehren-)Mitglieder führt.

Zu den aktiven IOC-Mitgliedern gehört auch die frühere Stabhochsprung-Olympiasiegerin Jelena Issinbajewa, die über die Jahre mit besonders schräger Putin-Treue und verstörenden Einlassungen auffiel. Als sie während des Syrien-Kriegs eine russische Luftwaffenbasis besuchte, bezeichnete sie den Lärm der Kampfbomber beim Start als "Wiegenlied", das einen ruhig einschlafen lasse.

Dass IOC-Präsident Thomas Bach und die olympische Gemeinschaft solchen Funktionären immer noch die Treue halten, ist ein noch viel gravierenderes Problem als der eventuelle Start russischer Rodler in Altenberg oder Sigulda.

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