Russland in der Einzelkritik:Golowin fegt über Saudi-Arabien hinweg wie einst Klose

Der Mittelfeldspieler ist im Eröffnungsspiel nicht zu stoppen, Tscheryschew schießt das erste Post-Mario-Götze-WM-Jokertor und Schirkow führt die Ü30-Party an. Das russische Team in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider, Moskau

1 / 14

Igor Akinfejew

-

Quelle: AFP

Mit 106 Länderspielen und 32 Jahren einer der Haudegen dieser relativ alten russischen Haudegen-Truppe. Bekam in Deutschland nach der vergangenen WM in Brasilien den Spitznamen "Akinfehler", was leider relativ akkurat seine Leistung beschrieb. Hatte in diesem Eröffnungsspiel den Vorteil, dass er in der ersten Halbzeit keinen Ball fangen musste. Da kann man auch schlecht Fehler machen. Hatte so wenig Aktionen, dass man ihn oder den Zeugwart oder einen Designer oder wen auch immer zu diesem wirklich sehr schönen blauen Torwarttrikot beglückwünschen kann. Wird sich in den nächsten Spielen gegen Mo Salah und Luis Suarez beweisen können.

2 / 14

Mario Fernandes

World Cup - Group A - Russia vs Saudi Arabia

Quelle: REUTERS

Wurde in São Caetano do Sul in Brasilien geboren, ist seit dem 13. Juli 2016 Russe und damit auch russischer Rechtsverteidiger. Stand nach 15 Minuten einen halben bis einen guten Meter im Abseits, durfte aber trotzdem noch eine Vorlage zu einer guten Torchance geben. Dann wurde es ruhiger um ihn. Der Spielaufbau von Russland, wenn er mal stattfand (Saudi-Arabien hatte zur Halbzeit 61 Prozent Ballbesitz), ging immer über die andere Seite und führte dazu, dass die Statistik bei Außenverteidiger-Kollege Jurij Schirkow doppelt so viele Ballkontakte zählte. Wirkte ein bisschen verloren, so wie ein normaler Brasilianer in Moskau, der den U-Bahn-Plan nicht entziffern kann.

3 / 14

Sergej Ignaschewitsch

-

Quelle: AFP

Hat Geheimratsecken, die bei guter Kameraeinstellung nach Teufelshörnern aussehen, bei schlechter Kameraeinstellung aber nach großen Geheimratsecken. Ein Gesicht, geprägt von 122 Länderspielen. Blieb in seinem 123. Einsatz ruhig und gelassen und profitierte davon, dass ihm sein Mittelfeld die anfangs wuseligen Spieler von Saudi-Arabien vom Strafraum weghielt. Schon auch nicht mehr der allerschnellste - aber ob das ein Problem ist, wird man erst herausfinden, wenn er statt gegen Mohammad Al-Sahlawi gegen Mohamed Salah spielen wird.

4 / 14

Ilja Kutepow

Yasir Alshahrani, Ilya Kutepov

Quelle: AP

Hat 115 Länderspiele weniger gemacht als sein Abwehrpartner und war dem Chef der Defensive ein souveräner Gehilfe. Misst 1,91 Meter und überragte damit seine saudischen Gegenspieler wie die Lenin-Statue vor dem Stadion die ankommenden Fans. Köpfte die wenigen Flanken (Saudi-Arabien war klug genug, es gar nicht erst zu versuchen) dermaßen souverän aus dem Sechzehner, als hätte er auch einen Betonschädel wie eine Lenin-Statue. Wird diese Fähigkeiten weiter brauchen.

5 / 14

Jurij Schirkow

World Cup - Group A - Russia vs Saudi Arabia

Quelle: REUTERS

Wird in diesem Jahr 35 Jahre alt werden und ist damit der Senior der russischen Ü30-Party. War wie Akinfejew und Ignaschewitsch schon beim EM-Halbfinal-Spiel 2008 gegen Spanien in der Startelf und bekam deswegen eigentlich immer die Verantwortung des ersten Passes übertragen. War mit Alexander Golowin der Grund, warum das russische Spiel stark über links kam, aber wenn das der Plan von Trainer Tschertschessow war, dann ging er voll auf. Wird dennoch wissen, dass man nach einem Sieg gegen dieses wenig konkurrenzfähige Saudi-Arabien noch nicht von einem WM-Halbfinalspiel träumen sollte.

6 / 14

Juri Gazinski

-

Quelle: AP

Erzielte das erste WM-Tor nach Mario Götze. Es war nicht ganz so schön und auch ein bisschen früher im Spiel, aber es wurde schon laut im Stadion, als er die Flanke von Alexander Golowin unbedrängt einköpfte. Hatte ganze sechs Länderspiele und war damit der schlachtenunerfahrenste Spieler vor diesem Eröffnungsspiel, bei dem ja bekanntlich neben Wladimir Putin auch noch die halbe Welt zuguckt. Musste auch noch als Teil der Doppelsechs das Spiel sortieren - mehr nicht. Blieb dabei eiskalt wie der russische Winter. Nicht so aggressiv wie Co-Pilot Sobnin - aber wen interessiert das schon. Ist nun Teil der WM-Eröffnungstorschützen-Ahnengalerie und damit natürlich der Philipp Lahm Russlands.

7 / 14

Roman Sobnin

-

Quelle: AFP

Auch erst 24 Jahre alt und damit spielte Russland ausgerechnet in der so wichtigen Zentrale mit unerfahrenen Kräften - und das war gut so. Sein Passspiel war zwar in diversen Situationen wirklich verheerend schlecht, aber dafür war er wirklich sehr gut darin, einen verlorenen Ball wiederzugewinnen. Viele gefährliche Aktionen begannen deshalb bei ihm. Wühlte sich durch dieses Spiel, als hätte er schon die Rasen von drei WM-Eröffnungsspielen umgegraben.

8 / 14

Alexander Samedow

WM 2018 - Russland - Saudi-Arabien

Quelle: dpa

Spielt normalerweise am anderen Ende der Stadt im Stadion von Spartak Moskau und weil er auf der rechten russischen Seite kickte, spielte er diesmal auch meistens am anderen Ende des Spielgeschehens. Wenn ein Ball zu ihm kam, dann durch eine Spielverlagerung durch Schirkow. Ist Jahrgang 1984 und färbt sich seine grauen Haare nicht - sah aber nicht deswegen im Vergleich zu Golowin und dem eingewechselten Tscheryschew alt aus. Blieb von einem geblockten Schuss in der ersten Halbzeit ohne prägende Aktion und wurde nach 64 Minuten ausgewechselt.

9 / 14

Alexander Golowin

WM 2018 - Russland - Saudi-Arabien

Quelle: dpa

Klar der beste Fußballer auf dem Platz. Technik, Spielverständnis und Geschwindigkeit sowohl im Antritt als auch in seinen Aktionen waren dann doch erkennbar besser als bei den anderen 19 Feldspielern. Machte auf der linken Seite ordentlich Betrieb und den Unterschied. Bereitete das 1:0 und das 3:0 mit einer Flanke vor, setzte sich vor dem 2:0 entscheidend durch, war auch sonst an nahezu allen guten Aktionen beteiligt und setzte sich die Zarenkrone dieses Spiels in der Nachspielzeit mit einem Freistoß zum 5:0 auf. Fegte über das Königreich hinweg und hätte man ihm einen Besen gegeben, er hätte auch noch die arabische Wüste zusammengekehrt. Der letzte, der bei einer WM dermaßen Saudi-Arabien auseinandergenommen hat, war 2002 Miroslav Klose.

10 / 14

Alan Dsagojew

Russia v Saudi Arabia: Group A - 2018 FIFA World Cup Russia

Quelle: Getty Images

Sank in der 23. Minute auf den Rasen des Luschniki-Stadions. Es war kein Gegner in der Nähe, aber als hätte ihn jemand angeschossen, fiel er im Vollsprint bei einem russischen Konter einfach hin, griff sich an die Rückseite des Oberschenkels und jeder, der so eine Szene schon einmal gesehen hat, wusste direkt: Das geht nicht weiter für ihn. Gilt immer noch mit Golowin als das größte Talent im russischen Kader, allerdings auch als das schlampigere Talent. Trotzdem: Wenn er länger ausfallen würde, wäre das ein großer Verlust für die russische Nationalmannschaft. Starke Techniker hat Trainer Stanislaw Tschertschessow nicht übermäßig viele.

11 / 14

Fjodor Smolow

-

Quelle: AFP

Man kann sein Spiel auf zwei Arten interpretieren: Entweder auf die positive Art, dass er sich seine Tore für die entscheidenden Spiele aufgehoben hat. Oder auf die negative Art, dass er es noch nicht mal geschafft hat, in diesem Spiel einen Treffer zu erzielen. Sinnbildlich dafür war allein seine letzte Szene: Kurz vor seiner Auswechslung lag ihm der Ball vorm Tor auf dem Fuß, aber er brachte ihn nicht über die Linie. Dann musste er raus - und der für ihn eingewechselte Artem Dsjuba traf nur eine Minute später per Kopf zum 3:0. Smolow war Teil der Party, aber eigentlich wollte er auch ein bisschen Musik machen.

12 / 14

Denis Tscheryschew

-

Quelle: AFP

Kam früh in dieses Eröffnungsspiel für den verletzten Dsagojew. Hatte keine Zeit, sich warm zu machen und das merkte man auch. Hüftsteif in der ersten Aktion, geschmeidiger in der zweiten Aktion, Torschütze mit der dritten Aktion. Hatte natürlich das Glück, dass gleich zwei saudi-arabische Verteidiger auf dem Hintern wie Schlittenfahrer an ihm vorbeirutschten - aber man muss dann den Ball trotzdem erst einmal so schön unter die Latte nageln. Erstes Post-Mario-Götze-WM-Jokertor und erster Post-André-Schürrle-WM-Doppelpack. Sein Ball zum 4:0 nahm eine Kurve, elegant wie ein Bogen der Moskwa. Wurde zum Man-of-the-Match gewählt und bekam dafür eine sehr hässliche Trophäe.

13 / 14

Daler Kuzjajew

Russia v Saudi Arabia: Group A - 2018 FIFA World Cup Russia

Quelle: Getty Images

Kam in ein Spiel, das schon entschieden war und zeigte noch ein, zwei schöne Sprints. Wladimir Putin unterhielt sich da schon eher mit dem saudischen Kronprinzen Salman und Fifa-Chef Infantino.

14 / 14

Artem Dsjuba

World Cup - Group A - Russia vs Saudi Arabia

Quelle: REUTERS

Kam, sah, traf und Wladimir Putin applaudierte. Was will man bei einer WM im eigenen Land noch mehr? Hat ab jetzt bis zu seinem Lebensende eine super Geschichte zu erzählen. Also mindestens eine, vielleicht kommt ja noch was dazu.

© SZ.de/tbr
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: