Russland-Ausschluss:Historische Entscheidung

Russland-Ausschluss: Das russische Olympia-Team bei der Eröffnung in London 2012: Mindestens acht Athleten wurden bereits des Dopings überführt.

Das russische Olympia-Team bei der Eröffnung in London 2012: Mindestens acht Athleten wurden bereits des Dopings überführt.

(Foto: Paul Sancya/AP)

Während in Nachtests weitere Doping-Fälle bekannt werden, betreibt das IOC Hinterzimmer-Diplomatie. Gibt es am Ende eine Sperre mit Schlupflöchern?

Nach dem Aus von Russlands Leichtathleten für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro müssen das IOC und Präsident Thomas Bach eine historische Entscheidung treffen: Der erste Olympia-Ausschluss eines Landes wegen Staatsdopings steht im Raum, es geht um eine komplette Verbannung russischer Athleten, oder einen Ausschluss mit Schlupflöchern.

Am Sonntag, zwei Tage nach der Bestätigung des Ausschlusses der Leichtathleten durch den Internationalen Sportgerichtshof Cas, schalten sich die 15 Mitglieder der IOC-Exekutive in einer Telefonkonferenz zusammen. Zuvor wird wohl Hinterzimmer-Diplomatie betrieben. Wann die Entscheidung verkündet wird, ist unklar, die IOC-"Regierung" hat sich selbst eine Frist bis Dienstag gesetzt.

Mitten hinein in die entsprechenden Überlegungen ging das IOC am Freitag mit neuen Zahlen an die Öffentlichkeit. In der zweiten Welle der Nachuntersuchungen von Proben der Sommerspiele 2008 in Peking und 2012 in London wurden weitere 45 Sportler überführt. Unter diesen befinden sich 23 Medaillengewinner von Peking und acht von London.In der ersten Welle im Mai hatte es bereits 53 positive Fälle (30 Peking, 23 London) gegeben, 22 (14/8) davon stammten damals von russischen Sportlern. Ein ähnliches Verhältnis dürfte es nun wohl auch wieder geben.

Auch Russlands Behindertensportlern droht das Aus

Die Forderungen aus den Reihen der Anti-Doping-Jäger sind deutlich. Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada verlangt eine Sperre, und auch 14 nationale Agenturen, darunter die deutsche Nada, fordern in einem Brief an den IOC-Boss einen kompletten Bann - wenn auch mit Ausnahmegenehmigungen. "Aber die Hürden müssen hoch sein", sagte Nada-Vorstand Lars Mortsiefer dem Sport-Informations-Dienst. Es könne nur in die Richtung gehen, die auch der Leichtathletik-Weltverband IAAF eingeschlagen habe, ergänzte Mortsiefer.

Sportler, die zuletzt "auch nur annähernd" mit dem russischen Kontrollsystem in Berührung gekommen seien, "dürfen keine Chancen mehr bekommen". So sieht es wohl auch das Internationale Paralympische Kommitee (IPC), das am Freitag ein Ausschlussverfahren gegen den russischen Nationalverband eröffnete. Damit droht Russlands Behindertensportlern das Aus für die Paralympics in Rio (7. bis 18. September).

Der Cas hatte am Donnerstag den Einspruch von 68 russischen Leichtathleten gegen die Aussperrung durch den Weltverband IAAF abgewiesen. Nach jetzigem Stand darf nur Weitspringerin Darja Klischina, die seit langem in den USA lebt und trainiert, in Rio starten.

Gorbatschow wendet sich in einem Brief an Bach

Der Kreml hofft derweil, dass das IOC alle seine "sauberen" Sportler in Rio starten lässt. Diese Hoffnung drückte Wladimir Putins Sprecher Dmitri Peskow am Freitag aus: "Wir glauben, dass Sportler, die nicht des Dopings überführt wurden und auch nicht des Dopings verdächtigt werden, das Recht haben sollten, an den Olympischen Spielen teilzunehmen." Putin selber gab die Gründung eines Anti-Doping-Ausschusses bis zum 28. Juli bekannt. Der Ausschuss soll vom langjährigen IOC-Mitglied Witali Smirnow geleitet werden. Einzelheiten zu dem Ausschuss wurden zunächst nicht bekannt.

Unterstützung erhielt Russlands Staatsoberhaupt unter anderem von Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow, 85, der sich in einem Brief an Bach wandte. "Das Prinzip der Kollektivstrafe ist für mich inakzeptabel", heißt es in dem Schreiben des früheren Staatspräsidenten der Sowjetunion.

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