Russische Eishockey-Liga KHL:Verhängnisvolle Nähe zur Politik

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Petri Vehanen im Dress von Lev Prag

(Foto: imago sportfotodienst)

Die russische Eishockey-Liga KHL wurde einst als Gegenstück zur nordamerikanischen NHL gegründet. Jetzt leidet sie unter politischen Wirrungen und dubiosen Oligarchen.

Von Andreas Babst

Nach dem WM-Titel im Mai lief Russlands Präsident Wladimir Putin prompt zu den Spielern in die Kabine, feierte mit ihnen und trank aus dem Pokal. Eishockey ist bei Putin wie in Russland insgesamt mehr als nur beliebt. Eishockey ist in Russland auch Politik. Die Nationalmannschaft ist seit jeher ein Symbol der sportlichen Stärke, die 2008 gegründete Liga KHL sollte es ebenfalls sein - ein Gegenstück zur besten Liga der Welt, der nordamerikanischen NHL.

Die Funktionäre in den USA und Kanada beäugten die Entwicklung des neuen Konkurrenten im Osten argwöhnisch, immer in Angst um die eigene Vormachtstellung. Diese Angst dürfte ihnen jetzt allerdings vergangen sein: Der KHL laufen die Spieler davon. Ihr setzen die politischen Wirrungen rund um die Krim-Krise zu, die Geldgeber leiden unter den US-Sanktionen.

Die Liga umfasste anfangs die besten 22 Teams Russlands, sowie zwei ausländische Mannschaften aus Lettland und Weißrussland. Die Liga expandierte über die Jahre, 2011 stand sogar Leipzig als Standort für ein KHL-Team zur Debatte. Für die Saison 2014/15 sind 28 Teams gemeldet; 22 aus Russland und je eines aus Kasachstan, der Slowakei, Finnland, Weißrussland, Lettland und Kroatien.

Doch die Aussichten sind trübe. Der Finne Petri Kontiola kaufte sich im Juli für 600 000 Dollar aus seinem Vertrag und der KHL heraus, um bei den Toronto Maple Leafs in der NHL anzuheuern. Kontiola war ein zentraler Spieler bei HK Traktor Tscheljabinsk und ist es in der finnischen Nationalmannschaft noch immer. Weitere KHL-Größen wie Leo Komarov folgten ihm nach Nordamerika. Die Wechsel dieser Spieler interpretieren viele dort als Vorboten des Niedergangs der russischen Eishockey-Liga.

Petri Vehanen ist der neue Torwart der Eisbären Berlin, zuvor spielte der Finne in der KHL; erst für Kasan und später für Prag. "Eigentlich bist du die ganze Saison müde wegen der ewig langen Reisen und der Zeitverschiebung", sagt Verhanen. Er wollte mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, deshalb ist er nach Deutschland gewechselt.

Vergangene Saison stand er mit den Pragern noch im KHL-Playoff-Finale, Wochen später war der Klub pleite. Nach dem Ausstieg eines russischen Energiekonzerns als Sponsor konnte er die enormen Kosten nicht mehr tragen, die eine Teilnahme an der Liga mit sich bringt. Die sehr hohen Spielersaläre können die Klubs meist nur stemmen, wenn sie einen potenten Sponsor oder Oligarchen im Hintergrund haben. Die exorbitanten Löhne sollen Spieler in den Osten locken und sie für die mühsamen Arbeitsbedingungen in der Liga entschädigen.

Brennendes Stadion in der Ukraine

Auch die Krim-Krise ist im russischen Eishockey angekommen. Das Stadion des ukrainischen Teams HK Donbass Donezk wurde Ende Mai von Bewaffneten niedergebrannt, der Klub hat seine Spieler für die kommende Saison von ihren Vertragspflichten befreit. Ein Vorstandsmitglied des lettischen Vertreters Dynamo Riga kündigte an, das Team würde sich aus der Liga zurückziehen, wenn sich die Lage weiter zuspitze.

Obendrein steht Boris Rotenberg, Klubbesitzer des finnischen Teams Jokerit Helsinki auf der Sanktionsliste der USA, sein Vermögen im Ausland ist eingefroren. Sein Bruder Arkadi ist Präsident von HK Dynamo Moskau und ebenfalls sanktioniert. Auch der Aufsichtsratsvorsitzende der KHL und Präsident von SKA Sankt Petersburg, Gennadi Timtschenko, steht auf dieser Liste. Den Funktionären wurde ihre Nähe zu Putin zum Verhängnis. "Ich muss sagen, wenn ich heute Nachrichten schaue, bin ich ziemlich froh, nicht mehr in der KHL zu spielen" sagt Torwart Vehanen.

Neues europäisches Turnier

Die KHL schwächelt, dafür machen sich andere europäische Ligen auf, wieder einmal ein großes kontinentales Turnier zu starten. Die Champions Hockey League (CHL) startet Ende August und soll die besten Klubs aus Deutschland, Österreich, Tschechien, Finnland, der Schweiz, Schweden, England, Norwegen, Frankreich, der Slowakei und Dänemark in einem Turnier vereinen - frühere Versuche, einen derartigen Wettbewerb zu veranstalten, sind immer schnell gescheitert. Zuletzt sprangen in der Saison 2008/09 nach nur einer Austragung die Sponsoren ab.

Die russische Liga wird außen vor gelassen. "Angesichts der derzeitigen politischen Situation sind die meisten Klubs darüber ganz froh", wird der Geschäftsführer der CHL, Martin Baumann, auf der Website des neuen Wettbewerbs zitiert. Man sei aber offen für Verhandlungen mit der KHL.

Der Präsident der KHL, Alexander Medwedew, ist ziemlich beleidigt, dass seine Klubs nicht mitspielen dürfen. Der Ausschluss der KHL war "eine überraschende Entscheidung, die uns nie vernünftig begründet wurde", sagte der Liga-Präsident der Wirtschaftszeitung Sports Business Global im Dezember. Medwedew gilt als ein enger Vertrauter Putins. Eishockey und Politik sind in Russland so stark verzahnt, dass die Liga nicht zur Ruhe kommt.

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