Karl-Heinz Rummenigge:Falsches Wort zur falschen Zeit

Bayern München - Karl-Heinz Rummenigge

Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ist zurück im Uefa-Exekutivkomitee.

(Foto: Robert Michael/dpa)

Der Vorstandschef des FC Bayern hat zuweilen das Talent, auch einen guten Gedanken schlecht klingen zu lassen. Sein Vorschlag, Fußballer vorrangig impfen zu lassen, damit sie als Vorbilder dienen, ist so ein Fall.

Von Philipp Selldorf

Wenn Karl-Heinz Rummenigge recht hat, dann hat sich am Montagabend irgendwo in Brandenburg ein namentlich nicht bekannter Staatsdiener darüber geärgert, dass der FC Bayern im Spazierschritt das Finale der Klub-Weltmeisterschaft erreicht hat. Seine Abneigung gegen den deutschen Rekord- und potenziellen Weltmeister hatte diesen Menschen - Rummenigge zufolge - am vorigen Freitag zum Äußersten getrieben: Unter dem Vorschützen von Paragrafen, in Wahrheit aber aus niederen Beweggründen, nötigte er die Mannschaft des FC Bayern zu einer unbequemen Übernachtung auf der Startbahn des neuen Berliner Flughafens, indem er ihrer Maschine das Abflugrecht zur Reise nach Katar verweigerte.

Auf der Startbahn kamen ihm Fantasien

Die zuständige Behörde in Brandenburg berief sich dabei zwar auf die präzise Einhaltung des Nachtflugverbots, für den 65 Jahre alten Klub-Vorsitzenden Rummenigge aber lag der Fall ganz anders, wie er später bekannt machte: "Man hatte immer den Eindruck, in Brandenburg ist irgendeiner, der den FC Bayern nicht mag oder irgendein Problem mit dem FC Bayern hat und dementsprechend uns Hürden in den Weg gestellt hat."

Es ist Rummenigge nicht zu verdenken, dass ihm solche Fantasien kamen, als er mit den Spielern, Betreuern und übrigen Funktionären im Flugzeug saß und es in der Frage "Fliegen oder Nicht-Fliegen?" buchstäblich um Sekunden ging. Auf anonyme Mächte und deren hinterhältige Motive zu fluchen ist menschlich. Aber es ist auch typisch Rummenigge, die privaten Gedanken hernach einem großen Publikum kundzutun. Diese Art von Ungeniertheit reicht manchmal bis zur Hemmungslosigkeit und bezeugt unter anderem die herrschaftliche Denkweise, die in der Chefetage des Klubs an der Säbener Straße zu Hause ist: Stößt der FC Bayern im öffentlichen Raum an Grenzen, tatsächliche wie diskursive, dann liegt das daran, dass missgünstige Bayern-Feinde diese Grenzen gezogen haben.

Und nun die Idee mit dem Impfen

Dass Grenzen im Prinzip zwar für alle zu gelten haben, nicht aber für den FC Bayern, das haben Rummenigge und Ehrenpräsident Uli Hoeneß nach dem Startbahn-Vorfall noch einmal klargestellt. Worte wie "Verarschung", "Skandal" und "Unverschämtheit" fielen, und indirekt wurde Undankbarkeit beklagt, weil ja der FC Bayern im Namen und zum Wohl der Nation und des deutschen Fußballs bei der WM antrete.

Mit der Annahme, dass ihr Klub nicht überall im Land beliebt ist, haben die beiden Münchner Oberhäupter zweifellos recht. Außer der an Tyrannei grenzenden sportlichen Dominanz trägt dazu auch das Auftreten der Spitzenfunktionäre bei. Mancher Betrachter fand sich am Wochenende in seiner Antipathie bestätigt und am Mittwoch möglicherweise gleich aufs Neue, als die nächste Kampagne von Karl-Heinz Rummenigge publik wurde. Darin gab der zum Jahresende fristgemäß aus dem Dienst scheidende Vorstandschef zu bedenken, dass es gut und nützlich sein könnte, Profifußballer zügig und somit vorrangig gegen Corona zu impfen. "Lässt sich beispielsweise ein Spieler des FC Bayern impfen, wächst das Vertrauen in der Bevölkerung", sagte er. "Fußballer könnten als Vorbild einen gesellschaftlichen Beitrag leisten."

Diese Idee könnte man für beachtlich halten, wenn sie helfen würde, Menschen fürs Impfen zu gewinnen, die sich eigentlich nicht impfen lassen möchten. Rummenigge hat allerdings mit seinem Plan vor allem das Talent bewiesen, selbst einen guten Gedanken schlecht klingen zu lassen, indem er ihn zur falschen Zeit in der falschen Situation äußert: Es herrscht ja nicht nur Mangel an Impfstoff, sondern auch ein gewisses Misstrauen gegen den Profifußball, der selbst von seinen Freunden nicht als ständige Quelle des Altruismus gesehen wird. Dass der Fußball inmitten der Pandemie-Beschränkungen unverdiente "Privilegien" genieße, ist weitgehend ein Vorurteil. Rummenigge aber hat nun seinen Teil zu deren Förderung beigetragen.

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