Antonio Rüdiger beim DFB-Team:Endlich stabile Verhältnisse

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Antonio Rüdiger ist so etwas wie der deutsche Verteidigungsminister in der Nationalelf. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Jahrelang war Antonio Rüdiger die Konstante einer sich ständig verändernden DFB-Abwehr. Nun hat Bundestrainer Julian Nagelsmann Klarheit geschaffen – sehr zur Freude des Champions-League-Siegers.

Von Martin Schneider

Antonio Rüdiger ist kein Mann des Wortes. Das ist keine böse Unterstellung oder gar eine abwertende Charakterisierung, nein, das sagt Rüdiger mit ein bisschen Stolz über sich selbst. „Es gibt die, die reden. Das bin ich definitiv nicht“, sagte er auf einer Pressekonferenz am Mittwoch und allein, dass Rüdiger auf einem Pressepodium sitzt, ist ein seltener Anblick. Bei der letzten Gelegenheit, beim Lehrgang im März, war auch eine große Fragerunde geplant, aber Rüdiger befand, dass es nicht genug zu sagen gab für einen großen Aufschlag. Also stellte er sich nach dem Training kurz an den Spielfeldrand vor die Mikrofone, gab kurze, knackige Antworten, zack, zack, zack.

Rüdiger ist jemand – da kommt seine Jugend in Berlin-Neukölln durch –, der sich übers Machen definiert. Die Einstellung hat ihn bis ganz nach oben gebracht, einmal durch die vier großen Ligen Europas und gerade wieder zum Champions-League-Titel mit Real Madrid. Seit 2020 ist er die Konstante in der deutschen Innenverteidigung und es spricht auch für ihn, dass die deutsche Abwehr nicht wegen, sondern trotz ihm wackelt. Vielmehr bauten drei Bundestrainer – Joachim Löw, Hansi Flick und der frühe Julian Nagelsmann – ständig drei oder vier neue Verteidiger neben Rüdiger, die Formationen wechselten schneller als die Insassen eines Linienbusses. Die vollständige Aufzählung der Namen seiner Abwehrpartner würde den Rahmen dieses Textes sprengen, teilweise waren es (wie Jonas Hofmann oder Julian Brandt) ja noch nicht mal Abwehrspieler.

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Es ist daher nicht verwunderlich, dass Rüdiger jetzt ausdrücklich die stabilen Verhältnisse begrüßt und sich darauf freut, dass er mit Jonathan Tah seinen zweiten Mann gefunden hat. Mit dem Leverkusener, erzählte der 31-Jährige, habe er sich schon gut verstanden, als noch „Jérôme und Mats die Nummer eins waren“, damals bestand die Abwehrzentrale aus Boateng und Hummels. Außerdem sei Tah im Gegensatz zu ihm einer, „der sich nicht scheut, zu reden“. Auch das passe gut. Ausdrücklich freut er sich darüber, dass im Gegensatz zur WM in Katar diesmal die Rollenverteilung im Team klar sei, und zudem sei es „diesmal vor dem Turnier etwas ruhiger. Sie wissen, was ich ansprechen will“. Rüdiger gilt als einer der Führungsspieler, die sich am meisten an den politischen Debatten gestört haben sollen.

„Wenn es zu emotional wird, kann man mich ja zurückhalten“, sagt Rüdigen

Dafür, dass er nicht viel sagen mag, hatte Rüdiger dann doch noch ein paar schöne Antworten dabei. Sein schönster Erfolg sei etwa, trotz der zwei Champions-League-Siege mit Chelsea und Real, der Gewinn des Confederations Cups 2017 gewesen. Damals sei der Spirit in der Nationalmannschaft super gewesen und – der Punkt ist ihm wirklich wichtig – die Rollenverteilung klar. Auf die Frage, ob es gerade ihm schwerfalle, die neue Richtlinie der Uefa zu befolgen, wonach nur noch der Kapitän sich beim Schiedsrichter beschweren darf, sagte Rüdiger: „Wenn es zu emotional wird, kann man mich ja zurückhalten.“

Und als tatsächlich jemand wissen wollte, welche Meditationsapps er zum Einschlafen verwende, schaute ihn Rüdiger an, als käme der Fragesteller von einem anderen Planeten: „Ich benutze sowas nicht. Wenn ich müde bin, schlaf’ ich ein.“ Und auf die Frage, mit wem er gerne zusammengespielt hätte, meinte er: mit dem Innenverteidiger Pepe. Der war und ist ein dem herzhaften Zweikampf nicht abgeneigter portugiesischer Innenverteidiger. Rüdiger mag nicht gerne reden, aber die Antworten, die er gibt, reichen vollkommen aus, um zu wissen, woran man bei ihm ist.

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