Rücktritt von Zinédine Zidane:"Es gab auch schwierige Momente während der Saison"

  • Große Aufregung bei Real Madrid: Trainer Zinédine Zidane verkündet überraschend seinen Rücktritt.
  • Nach neun gewonnenen Titeln in gerade zweieinhalb Jahren sucht er etwas Ruhe und findet, dass die Mannschaft neue Impulse brauche.

Von Jonas Beckenkamp

Als Fußballer war Zinédine Zidane einer, der die Gegner gerne überrascht hat. Mal mit einer Pirouette, mal mit einem Wackler, den so keiner kommen sah. Zidane und der Ball, diese Freundschaft war so eng wie kaum eine andere. Alles wirkte so natürlich bei ihm, nie frönte er der Kunst, nur damit es schön ausschaute - alles machte irgendwie Sinn. Jetzt hat er auch als Trainer wieder alle überrascht, indem er fünf Tage nach dem Champions-League-Sieg als Trainer von Real Madrid zurückgetreten ist. Und wenn man so will, gibt es auch dafür gute Gründe.

"Ich habe die Entscheidung getroffen, dass ich nächstes Jahr nicht weitermachen werde. Ich denke, dass diese Mannschaft einen Wechsel braucht", sagte der 45-jährige Franzose bei einer eiligst angesetzten Pressekonferenz im Madrid. Zidane, der wohl schillerndste Fußballer der "Königlichen" in den Nullerjahren, plant zunächst keinen neuen Verein zu übernehmen - er will stattdessen vorerst etwas Luft holen.

Der Entschluss Zidanes trifft Real nach Aussage von Klub-Patriarch Florentino Pérez aus dem Nichts, denn eigentlich besaß der Coach noch einen Vertrag bis 2020. Erst im Januar dieses Jahres war dieser verlängert worden. "Wir müssen diese Entscheidung aber respektieren", sagte Perez jetzt einigermaßen konsterniert. Der "Presi", wie ihn der neben ihm sitzende Zidane nannte, muss sich nun Gedanken über eine Nachfolge machen, doch wer folgen soll, ist offen. "Ich war drei Jahre hier, aus meiner Sicht ist es eine adäquate Entscheidung", sagte Zidane, der nicht ausschließen wollte, doch irgendwann zurückzukehren: "Es kann auch ein 'Bis bald' sein." Zidane war seit Januar 2016 Cheftrainer von Real, man kann sagen: Er hatte die "Madridistas" recht schnell für sich gewonnen. Und zwar mit Titeln - richtig vielen.

Er verlor kein Finale

Seit seinem Dienstantritt verlor er keines seiner acht Endspiele, zuletzt gewann er am Samstag mit Real in Kiew gegen den FC Liverpool zum dritten Mal in Serie den Titel in der Königsklasse. Noch einmal: Drei Champions Leagues hintereinander! Vor seinem Engagement mit Spielern wie Cristiano Ronaldo oder Toni Kroos betreute er die B-Mannschaft der Madrilenen und lernte als Co-Trainer unter Carlo Ancelotti, ehe er befördert wurde. "Es gab tolle Momente und wir haben mit einem großen Moment aufgehört - mit dem Gewinn der Champions League. Aber es gab auch schwierige Momente während der Saison", sagte Zidane.

Seine Erklärungen zum Abschied gingen des öfteren in diese kritische Richtung. Wer Zidane genau zuhörte, konnte auch eine gewisse Verbitterung heraus hören. Enttäuschung darüber, dass man ihm die verpasste Meisterschaft und den ein oder anderen Durchhänger zur Mitte der Saison anlastete. Er habe auch die "Rufe und Pfiffe" nicht vergessen, so der Franzose.

Schlüsselspieler Reals sind 30 oder älter

Mit Madrid musste er sich in der spanischen Liga klar Meister FC Barcelona geschlagen geben, Real wurde in der abgelaufenen Saison in La Liga nur Dritter, was in Madrid eigentlich kein Trainer überlebt. Bei einem der Gründe für seinen Rücktritt wurde er sogar noch deutlicher: "Ich habe nicht klar gesehen, dass wir weiter gewinnen werden." Mehrere Schlüsselspieler wie Ronaldo, Marcelo oder Sergio Ramos sind 30 oder älter - ein Umbruch steht in naher Zukunft selbst bei den gefeierten "Königlichen" bevor. Zidane glaubte offenbar nicht mehr, dass er diese Veränderungen erfolgreich hinbekommen würde. Persönlich gesprochen habe Zidane mit seinen Spielern noch nicht, "aber sie kennen die Entscheidung", meinte der Coach. Er werde auf jeden Fall schnell das Gespräch mit Kapitän Ramos suchen.

Zidanes Kommunikationsfähigkeit entwickelte sich spät, als Profi galt er als eher verschlossene, undurchschaubare Persönlichkeit. Doch rein fußballerisch war er unantastbar. Keiner konnte so visionär die Abwehrreihen sezieren wie er. Schon als Spieler legte er eine wuchtige Karriere hin und war eine Weltberühmheit. Aufgewachsen im Arbeiterviertel von Marseille führte er Frankreich zum Welt- und Europameistertitel, wurde Weltfußballer und entwickelte sich im Trikot von Juventus Turin und Real zu einer Marke wie heute Ronaldo oder Lionel Messi - nur ohne Twitter und Instagram.

Seine aktive Laufbahn endete 2006, als Bilder von ihm um den Globus gereicht wurden. Es waren Bilder eines stolzen Mannes, der beleidigt worden war: Sein Kopfstoß im WM-Finale gegen Italien ist unvergessen, sie brachte den Charakter von "Zizou" zum Ausdruck. Nach der Aktion gegen Marco Materazzi (der seine Schwester verunglimpft hatte) wurde er in Berlin des Platzes verwiesen, aber trotzdem zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt. Frankreich verlor im Elfmeterschießen, doch Zidane gewann durch die Aktion nur an Profil. Noch vor der WM in Deutschland hatte er das Bernabeu-Stadion zu Tränen gerührt, als er sein letztes Spiel für Real absolvierte. Zidane ging mit einem Kopfballtor beim 3:3 gegen Villareal und Madrid lag ihm zu Füßen.

Nach eingen Jahren Auszeit vom Fußball hatte er genug Kraft und Ausbildungserfahrung gesammelt, um es als Coach zu versuchen - und was für einer er wurde. Zidane lehrte offensiven, kreativen Fußball, der nicht immer leicht zu dechiffrieren war. Mancher warf ihm anfangs vor, dass er kein taktisches Konzept habe. Während Guardiola alle als Taktiktüftler feierten, gewann Zidane lieber Titel. Gerade seine Flexibilität und der Pragmatismus sind Attribute, die das Spiel unter ihm auszeichnen.

Mal Pressing, mal Konterattacken, mal hohes Tempo, mal ruhiges Ballgeschiebe. Die Unberechenbarkeit machte Madrid so gefährlich und brachte unter der Führung von Zidane unter anderem den Gewinn der spanischen Meisterschaft 2017 sowie die Triumphe bei der Klub-WM 2016 und 2017. All das ist jetzt Geschichte - und Zidanes Mythos ist weiter gewachsen.

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