Rücktritt von Höfl-Riesch:Der Schirm ist weg

Anni Friesinger, Magdalena Neuner, jetzt Maria Höfl-Riesch: Wenn nicht alles täuscht, werden auch die deutschen Alpin-Frauen nach dem Rücktritt ihrer besten Athletin ein Dilemma schönzureden haben.

Ein Kommentar von Volker Kreisl

Eine Traumkarriere geht zu Ende, mit vielen Siegen, Titeln, Medaillen, Rekorden, Meilensteinen und der verdienten Abschluss-Pressekonferenz. Zu einer Traumkarriere zählt aber meistens auch eine Albtraum-Phase, die Trainer, Sportdirektoren und nicht zuletzt die nachkommenden Sportlerkollegen im Anschluss durchmachen.

Wenn nicht alles täuscht, wird nach Maria Höfl-Rieschs Karriereende auch der Bereich Frauen-Alpin im Deutschen Skiverband zunächst ein Dilemma schönzureden haben. Man wird schon für die Sponsoren weiter Medaillenansprüche pflegen, zugleich aber einschränken, dass zu starker Druck die Talente auch nicht voranbringe und dass man sich die nötige Zeit nehme. Man wird sagen, dass man nicht nervös werde, und aller Erfahrung nach wird das immer unglaubwürdiger klingen, je näher das nächste Großereignis rückt.

Maria Höfl-Riesch war mehr als eine sehr gute Sportlerin, sie hat auch das geliefert, was vor allem den Wintersport mit seinen stundenlangen Fernseh- Wochenenden ernährt: offene Worte, echten Jubel, Tränen, kritische Sprüche. Wie die Biathletin Magdalena Neuner, die Eisschnellläuferin Anni Friesinger oder die Skispringer Sven Hannawald und Martin Schmitt war sie trotz aller Vermarktungstechnik unverstellt geblieben. Anders etwa, als die stark fokussierte Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg setzte sich Höfl-Riesch dem Medienbetrieb bereitwillig aus und wurde im Gegenzug zur Sport-Heldin erhoben.

Das Ergebnis nennen die Trainer dann "Schirm". Neuner, Höfl-Riesch und die anderen sind willkommene Schattenspender gegen das Rampenlicht, damit sich die Jüngeren in Ruhe entfalten könnten. Im Frauen-Biathlon kann man aber zurzeit beobachten, dass das Schirmprinzip nicht immer funktioniert. Die Talente dort brauchen dringend noch weitere Zeit zur Reife - auch zwei Jahre nach Schirm Neuner. Deren Präsenz und Siege hatten nämlich nicht nur geschützt, sondern bei den Versammelten auch den notwendigen Leistungsdruck abgeblockt und womöglich manches Prozent vom eigenen Ehrgeiz verhindert.

Natürlich kann man Heldenschirme nicht einfach einklappen. Sie werden in der immer besser vernetzten und effektiver vermarkteten Sportwelt wichtiger und größer. Eine gewisse Überhöhung wie bei Höfl-Riesch ist Teil des Profisports. Dass nach ihrem Rücktritt eine Zeit des Neuaufbaus, der Langeweile und der Geduld kommt, gehört also zum Prinzip. Ungewöhnlich ist nur, dass sich immer noch viele darüber wundern.

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