Rücktritt von Britta Steffen:Kompromisslos zum Abschied

Britta Steffen

Das Bild, das von ihr bleiben wird: Britta Steffen, die erfolgreichste deutsche Schwimmerin seit der Wiedervereinigung.

(Foto: David Ebener/dpa)

Ganz oder gar nicht: Nicht einmal die Aussicht auf die Heim-EM 2014 in Berlin kann Britta Steffen noch motivieren - mit 29 Jahren hört sie auf. Der Deutsche Schwimm-Verband verliert nicht nur seine bekannteste Athletin, sondern auch eine ganz besondere.

Von Claudio Catuogno und René Hofmann

Die erfolgreichste deutsche Schwimmerin seit der Wiedervereinigung hört auf: Britta Steffen beendet ihre Karriere. Der Entschluss kommt überraschend. Fast ebenso überraschend aber ist es, dass die 29-Jährige es beim finalen Schritt ihrer Laufbahn offenbar hinbekam, diesen nicht als Alleingang durchzuziehen.

In der Erklärung, die Steffens Management am Freitagvormittag veröffentlichte, fanden sich schon Stimmen von Verbandsgewaltigen, die den Rückzug einordneten. So abgestimmt war das Miteinander nicht immer gewesen. Die bekannteste deutsche Schwimmerin und der Deutsche Schwimm-Verband - das war eine ganz besondere Beziehung.

Bei der WM 2011 flüchtete Steffen nach einem schlechten Auftakt Hals über Kopf aus Shanghai, bei den Welttitelkämpfen jüngst in Barcelona gab es Irritationen wegen ihres Startverzichts über 50 Meter Freistil. Steffen war nicht unkompliziert. Sie stellte gelegentlich Sonderwünsche und wich Kontroversen selten aus. Zum Abschied dazu aber kein Wort. Weder von ihr noch von allen anderen. "Ich beende meine Karriere in dem Bewusstsein, zu den Besten der Welt zu gehören", lobt Steffen sich selbst.

In dem Urlaub, den sie nach Rang sechs über 100 Meter Freistil in Barcelona mit ihrem ebenfalls schwimmenden Freund Paul Biedermann angetreten hatte, seien aber Zweifel gereift, "ob ich die nötige Motivation und Energie für ein oder sogar drei weitere Jahre Kampf um Goldmedaillen und Meistertitel aufbringen kann". Sie will es offenbar nicht mehr. Deshalb nun der Schlussstrich. Ganz oder gar nicht - so konsequent hat sie die Dinge häufig betrieben.

Wohin das führen kann, war in den Jahren 2008 und 2009 zu besichtigen. Bei den Olympischen Spielen in Peking gewann Steffen Gold über 50 und über 100 Meter Freistil. Im Jahr darauf holte sie bei der WM in Rom über die gleichen Distanzen nicht nur die Titel, sie verbesserte auch die Weltrekorde. Die Marken, die Steffen dabei erreichte, gelten immer noch - allerdings wohl auch, weil die High-Tech-Schwimmanzüge aus jenen Jahren inzwischen verboten sind. Dennoch: Doppel-Olympiasiegerin, Doppel-Weltmeisterin und Weltrekordlerin in einer olympischen Kernsportart - dieser Status ist selten. Viele Sportler eines ähnlichen Kalibers, die zurücktreten könnten, gibt es in Deutschland aktuell nicht.

Den Deutschen Schwimm-Verband trifft der Rückzug hart. Der DSV verliert nicht nur seine bekannteste Athletin. Er verliert sie auch ausgerechnet vor einem wichtigen Wettkampf: 2014 findet die EM in Berlin statt. Steffen sollte bei den Titelkämpfen noch einmal Wellen schlagen. Er hätte sich gewünscht, dass sie dort "mit großem Trara" gehe, sagt Bundestrainer Henning Lambertz, "aber wenn das Feuer nicht mehr lodert, ist es besser, sofort einen Schlussstrich zu ziehen". DSV-Präsidentin Christa Thiel würdigte Steffen als "außergewöhnliche Schwimmerin", Leistungssportchef Lutz Buschkow nennt sie "ein Vorbild für heranwachsende Talente".

Besondere Beziehung zum Trainer

Das war Britta Steffen wirklich. Vor allem war sie ein Beispiel, dass es nie zu spät ist, um vom Talent zur echten Größe zu reifen. Steffen war eine, die relativ spät zu siegen begann. Eine, die sich erst freischwimmen musste. Bei den Olympischen Spielen 2000 und 2004 nahm kaum einer Notiz von ihr. Damals stand eine andere deutsche Schwimmerin im Mittelpunkt, eine, die von Steffen im Training abgehängt wurde, die ihr dann, wenn das Schwimmen zur Show wurde, aber regelmäßig die Schau stahl: Franziska van Almsick.

Steffen und van Almsick - auch das war eine ganz besondere Beziehung. Erst als die sechs Jahre ältere Diva das Becken räumte, war die Bahn frei für ihre ganz anders geartete Nachfolgerin. Steffen übernahm viel von van Almsick: den Trainer, die Managerin, die Psychologin. Es war das gleiche Team, das ihr half, das zu erreichen, wonach van Almsick sich vergeblich gereckt hatte - olympischen Goldglanz.

Auch darin lag wohl ein Grund, dass van Almsick ganz genau hinschaute, wenn sie als TV-Expertin Steffens Leistungen kommentierte. Ihre Urteile waren teils hart. Als Steffen in Shanghai kniff, rief van Almsick ihr nach, es sei an der Zeit, "die Arschbacken zusammenzukneifen". Steffens Rückzieher über 50 Meter in Barcelona nannte van Almsick "ein Kasperltheater". Derlei Kritik traf Steffen, die sich selbst einmal als "Sensibelchen" bezeichnete.

Bereits nach den Olympischen Spielen 2012 in London hegte Steffen Gedanken, zurück oder zumindest kürzer zu treten. Sie erwog, nur noch über 50 Meter zu starten. Der Trainingsaufwand für die kurze Distanz ist deutlich geringer, es wäre so etwas wie ein Halbtagsjob gewesen. Stattdessen entschloss sie sich dann aber doch noch einmal zu einem konsequenten, großen Schritt: einem Umzug von Berlin nach Halle an der Saale. Um bei ihrem Freund zu sein, verließ Steffen den Trainer, der zehn Jahre lang an ihrer Seite gestanden hatte: Norbert Warnatzsch.

Warnatzsch und Steffen - auch das war eine besondere Beziehung. Warnatzsch war ein nicht unmaßgebliches Teil des DDR-Staatssports mit all seinen Schattenseiten. Obwohl ihre Leistungen deshalb gerade im Ausland immer wieder angezweifelt wurden, hielt Steffen ihm die Treue. Sie selbst kämpfte mit vielen Mitteln darum, glaubwürdig zu erscheinen.

Britta Steffen wich dem Thema Doping nicht aus, sie sprach es von sich aus an, in Interviews und in Diskussionsrunden, und rief auch schon mal bei der Anti-Doping-Agentur an, ob nicht mal wieder ein Kontrolleur vorbeischauen wolle. Auch damit ist nun Schluss. In Kürze will sie an der Martin-Luther Universität in Halle an der Saale ein Studium zum Thema "Human Ressource Management" aufnehmen. Wirtschaftsingenieurin für Umwelt ist sie schon.

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