Rücktritt des 1860-Präsidiums:Der kopflose Verein

TSV 1860 München - Gerhard Mayrhofer

Gerhard Mayrhofer, 53, war von Juli 2013 bis Juni 2015 Präsident des TSV 1860 München. Nun beklagt er eine "Katzbucklerei" der aktuellen Führung vor Investor Hasan Ismaik.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Das Präsidium des TSV 1860 München tritt geschlossen zurück.
  • Grund sind gescheiterte Gespräche mit Investor Hasan Ismaik. Das Präsidium wollte Ismaik davon überzeugen, seine Anteile an dem Verein zu verkaufen.
  • Ismaik hatte zuletzt eine Neuausrichtung des Vereins mit Felix Magath als Manager und Trainer blockiert.
  • Ohne Präsidium ist der Verein komplett handlungsunfähig. Eine für Sonntag geplante Mitgliederversammlung war zuvor abgesagt worden.

Von Philipp Schneider

Dieser seltsame Freitag, der 19. Juni 2015, wird als Tag der Pressemitteilungen in die Geschichte des TSV 1860 München eingehen. Am Vormittag gab es die gute Nachricht, dass der Spiel- und Trainingsbetrieb am Montag tatsächlich wieder aufgenommen werden soll. Sogar mit einem neuen Ausrüster.

Zuvor hatte der Verein darüber informiert, dass die für Sonntag angesetzte Mitgliederversammlung abgesagt wird - als Begründung dienten die intensiven Gespräche mit dem Investor über die Zukunft des Vereins. Die aber wurden dann wiederum am Abend für beendet erklärt. Und so war dies ein Tag, an dem die Löwen nicht nur kopflos zu sein schienen, was man ihnen ja so manches Mal nachgesagt hat, sondern am Ende sogar führungslos - und das drei Tage vor dem Trainingsauftakt für die kommende Zweitliga-Saison.

Überschrift schrie einen förmlich an

Um 21.20 Uhr verschickte der Verein die Nachricht, deren Folgen den Traditionsverein wohl noch länger beschäftigen wird. Die Überschrift schrie einen förmlich an, sie war komplett in Großbuchstaben verfasst: "Einigung mit Investor Hasan Ismaik gescheitert: Präsidium und Vereinsvertreter im Beirat treten geschlossen zurück."

Die Gespräche zwischen den Gesellschaftern, Vereinsvertreter auf der einen Seite, Investor auf der anderen, wurden abgebrochen, offensichtlich waren sie gescheitert. Daraufhin sind dann das komplette Präsidium, also Vereinschef Gerhard Mayrhofer, seine Stellvertreter Erik Altmann und Heinz Schmidt sowie Verwaltungsrat und Beirat-Mitglied Karl-Christian Bay geschlossen von ihren Ämtern zurückgetreten. Sie erklärten ihren Rücktritt mit sofortiger Wirkung, sie nennen dies eine "Konsequenz aus den intensiven und konstruktiven, zuletzt aber vergeblichen Versuchen", in den Gesprächen mit Ismaik und seinen Rechtsberatern "eine langfristig tragfähige Lösung für die Zukunft des Vereins zu finden".

Der Versuch, Ismaik ein Übernahmeangebot zu unterbreiten, das er nicht ablehnen konnte, war gescheitert.

Ismaik hatte seine schützende Hand über Poschner gehalten

Und zerstritten hatten sich die Gesellschafter ursächlich darüber, dass die Vereinsvertreter den Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner entlassen wollten. Ismaik aber nicht. Mayrhofer hätte sich ja schon längst von Poschner getrennt, hätte nicht eine Pattsituation zwischen den Gesellschaftern im für Entlassungen zuständigen Beirat geherrscht. Noor Basha, Ismaiks Cousin und Statthalter, hatte seine schützenden Hände über Poschner gehalten. In der Theorie hätte der Verein sein Recht auf Anwendung der 50+1-Regularien wohl geltend machen können - die in Deutschland vorschreiben, dass Vereine gegenüber Investoren als Mitgesellschaftern stets die Entscheidungshoheit behalten. In der Theorie hätte das Präsidium Poschner am Beirat - und damit auch an Ismaik - vorbei entlassen können.

Es entschied sich aber dagegen. Auch aus Sorge, dass Ismaik seine Darlehen aufkündigen könnte. Bis zum Jahresende hätte der Klub mindestens sechs Millionen Euro auftreiben müssen, um der Insolvenz zu entgehen. Warum sich das Präsidium dagegen entschied, das müsste die Deutsche Fußball-Liga (DFL) nun mal genauer untersuchen.

Die Option, Felix Magath zum starken Mann zu machen, ist gescheitert

Ist 50+1 innerhalb dieses Pilotprojekts mit dem ersten arabischen Investor im deutschen Profifußball nach vier Jahren Probezeit nicht faktisch gescheitert?

Vorerst gescheitert ist nun die Option, Felix Magath zum starken Mann an der Grünwalder Straße, zum Trainer und Manager zu machen. Er war der Wunschkandidat des zurückgetretenen Präsidiums. Aber auch der Verwaltungsräte, die noch immer im Amt sind. Ismaik hat Magath schon vor Monaten abgelehnt, auch, weil er ihm sagte, er wolle für zwei Millionen Euro Anteile an 1860 erwerben.

Womöglich ist der Rücktritt die letzte Karte, die der Verein im Streit mit dem Investor zu ziehen versucht: Mit wem soll Ismaik jetzt verhandeln? Wer soll die Mannschaft zusammenstellen, wenn Poschner keine direkten Vorgesetzten auf Vereinsseite hat? Welcher Spieler mit Ambitionen will in dieser Situation überhaupt zu einem solch kopflosen Verein wechseln? Und wer soll die weiter ungeklärte Trainerfrage entscheiden - der Vertrag von Torsten Fröhling endet ja am 30. Juni? Kurzum, der TSV 1860 scheint, fünf Wochen vor dem Start der neuen Zweitligasaison, vorerst handlungsunfähig zu sein. Bis der Verwaltungsrat ein Notvorstand bestimmt.

Investor Ismaik hatte sich offenbar brüskiert gefühlt

Ismaik hatte sich am Freitag offenbar brüskiert gefühlt über die Gangart des Präsidiums, das die Mitgliederversammlung abgesagt hatte mit der Begründung, es sei "in der aktuellen Lage nicht sinnvoll", die Versammlung abzuhalten.

Das wiederum störte auch Noor Basha, der im Namen seines Cousins eine erstaunliche SMS an einen Presseverteiler: Ismaik habe "als Mitglied und Fan" gefordert, "dass die Mitgliederversammlung am Sonntag wie geplant stattfindet." Dass Ismaik, schon Monate nicht mehr in München gesehen, jetzt selbst noch eine Versammlung einberuft, gilt allerdings als wenig wahrscheinlich.

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