Rücktritt als DFB-Kapitän:Philipp Lahm räumt auf

Philipp Lahm

Philipp Lahm (links) erfand einen neuen Kapitäns-Typus.

(Foto: dpa)

Mit Mitte 30 zu Cosmos New York, solche Bilder will sich Philipp Lahm ersparen. Stattdessen kann schon heute über sein Erbe geredet werden. Lahm hat die Debatte beendet, dass man als flach führender, leiser Kapitän nix gewinnen kann - sein historisches Verdienst.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Historisch war es so, dass dem letzten Spiel als Kapitän der Nationalelf oft eine weitere Nachricht von weltweitem Interesse folgte: Die Verkündung eines Wechsels in die MLS. Viele können mit dem Kürzel MLS bis heute wenig anfangen, und ganz klar ist es ja immer noch nicht, ob Franz Beckenbauer damals, im Sommer 1977, in die USA ging, um mit Pelé für Cosmos New York in der Major League Soccer (MLS) zu spielen. Oder ob ihn doch eher die Partynächte mit Mick Jagger im legendären Nachtclub "Studio 54" lockten. Jedenfalls war Beckenbauer plötzlich weg, und Fußballdeutschland vergoss Tränen.

Beckenbauer hörte mit 31 auf, Lothar Matthäus war immerhin zähe 38, als er im November 1999 sein letztes Spiel als Kapitän bestritt. Kurz darauf folgte auch sein Abschied über den Atlantik, er heuerte beim Cosmos-Nachfolger New York MetroStars an. Sollte jemand daraus nun ableiten, dass ein Bayern-Kapitän nach Niederlegung aller DFB-Ämter alsbald in den USA auftauchen wird, so wird dieser Automatismus spätestens durch Philipp Lahm durchbrochen. Der geht niemals nach New York, allenfalls als Tourist. Es müsste schon Unvorstellbares geschehen, würde Lahms Laufbahn eines fernen Tages - nach unzähligen weiteren Titeln mit dem FC Bayern - nicht dahoam in München enden. Ehe diese Karriere dann sofort auf einem Managerposten im Klub fortgesetzt wird.

Lahm hatte seinen Entschluss schon vor der WM gefasst, und während des Turniers wird er durch das Beispiel der Spanier bestärkt worden sein. Beim entthronten Weltmeister war zu verfolgen, wie selbst der einst so quirlige Xavi, 34, nicht mehr mitkam mit der Tempohärte des Turniers. Und wo jetzt alle sagen: Wäre doch besser gewesen, den Generationswechsel schon vor der WM einzuleiten. Nicht erst jetzt, unter dem Eindruck der Bilder vom müden Xavi.

Ähnliche Bilder will sich Lahm mit seinem weltmeisterlichen Abschied ersparen. Stattdessen kann schon heute, mit 30, über sein Erbe geredet werden. Lahm hat nicht nur dem Fußball, er hat auch der Gesellschaft eine Botschaft hinterlassen: nämlich die, dass es mit der flachen Hierarchie doch funktionieren kann. Er hat aufgeräumt mit dieser Führungsspieler-Legende, dieser Wir-brauchen-Eier- oder Wir-müssen-Reizpunkte-setzen-Rhetorik seiner Vorgänger.

Lahm hat die Debatte beendet, dass man als flach führender, leiser Kapitän nix gewinnen kann. Er hat im Fußball auf höchster Ebene eine moderne Unternehmenskultur gepflegt. Das wird sein historisches Verdienst sein.

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