Süddeutsche Zeitung

Rudern:Samba in den Wellen

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Der Achter gewinnt weiter: Bei den Weltmeisterschaften holt das deutsche Paradeboot überlegen die Goldmedaille. Seit zwei Jahren ist das Team nun ungeschlagen.

Von Volker Kreisl, Plowdiw/München

Der Tag brach an, und der Wind blies stramm über die Wasseroberfläche der Ruderstrecke von Plowdiw in Bulgarien. Wellen kräuselten sich darauf, und der Luftwiderstand wurde schwer berechenbar. War also endlich die große Chance gekommen?

Seit zwei Jahren wartet die internationale Ruder-Konkurrenz ja nun schon auf so eine Möglichkeit. Mit Böen auf dem Wasser muss ein wackeliges, 17 Meter langes Schmalboot mit acht Hünen und dem leichten Steuermann Martin Sauer erst einmal zurechtkommen. So eine Witterungsstörung kann einen Seriensieger vielleicht aus dem Rhythmus bringen und umgekehrt den Verzweifelten neuen Schwung geben. Doch dann begann der Schlussakt der Ruder-Weltmeisterschaften von Plowdiw, und schon nach einem Fünftel der Strecke war im Grunde klar: Der Deutschland-Achter würde auch an diesem Sonntag nicht zu schlagen sein. Er errang seinen nächsten Titel, den insgesamt 18.

einer deutschen Crew in der WM-Geschichte. 500 von 2000 Metern waren absolviert, und das Boot mit Schlagmann Martin Sauer hatte schon eine gute Buglänge Vorsprung. Bei der 1000-Meter-Marke war es bereits eine halbe Bootslänge, immer weiter schob sich der dunkelgrüne Rumpf der Deutschen vor die Spitzen der anderen, glitt elegant durchs Wasser, rhythmisch und exakt wie eine Acht-Mann-Sambagruppe. Und auch als sich bei 1500 Metern plötzlich der Wellengang verstärkte, geriet der Sieg nicht in Gefahr. Die Besatzung baute den Vorsprung ab diesem Zeitpunkt nicht weiter aus, stattdessen kontrollierte sie Wasser und Gegner. Für eine Niederlage hätte aber schon mehr passieren müssen, vielleicht eine riesige Flutwelle, die über den Bug rollt, oder, realistischer, aber genauso bremsend: ein beim Ausholen versehentlich eingetauchtes Ruderblatt. Aber nichts davon passierte.

Sauer und seine Vorderleute Hannes Ocik, Richard Schmidt, Malte Jakschik, Jakob Schneider, Torben Johannesen, Maximilian Planer, Felix Wimberger und Johannes Weißenfeld haben auch in der zweiten Saison nach den Olympischen Spielen von Rio 2016 alle wesentlichen Rennen, also Weltcups, EM und Weltmeisterschaft gewonnen. Mit dem Start-Ziel-Sieg von Plowdiw ist ihnen sogar eine Neuheit im deutschen Rudern gelungen. Das Team hat als erste deutsche Achter-Mannschaft einen WM-Titel in derselben Besatzung verteidigt. Das ist durchaus ein Zeichen von Zusammenhalt und einigem Ehrgeiz. Üblicherweise wird ein Achterteam wenigstens geringfügig mit aufstrebenden und besseren Talenten umbesetzt - nach einer strengen Sichtung der jeweils neu aufgebauten Frühjahrsform.

Doch diese acht Ruderer bilden mittlerweile eine Einheit, die keiner verlassen will, und die den Rest der DRV-Flotte weiterhin ein wenig aus dem Fokus schiebt. Das ist etwas ernüchternd, wenn starke Leistungen der anderen vom Achterglanz in den Schatten gestellt werden, und ist nützlich, wenn Enttäuschungen der Jüngeren nicht ausgebreitet werden. In Plowdiw gelang in einer weiteren olympischen Bootsklasse ein Erfolg, im Doppelvierer der Frauen. Marie-Catherine Arnold, Carlotta Nwajide, Franziska Kampmann und Frieda Hämmerling gewannen WM-Silber hinter Polen. Eine Enttäuschung erlebte hingegen der 22 Jahre alte Ruder-Aufsteiger Oliver Zeidler.

Oliver Zeidler, neue Hoffnung im Einer, leistete sich am Start einen Fehler und fiel zurück

Der Ingolstädter gilt mittlerweile auch in der internationalen Szene als Ausnahmetalent. Er hatte als Junioren-Schwimmer bereits internationale Medaillen errungen, war vor zwei Jahren aber umgestiegen in den Sport seines Großvaters, des Ruder-Olympiasiegers Hans-Johann Färber. Seitdem hat der Hamburger Tim-Ole Naske einen ernsthaften Konkurrenten, mittlerweile aber auch die internationale Konkurrenz. Zeidler war ohne Umstände ins Finale geprescht, aber dieses entwickelte sich dann als bittere Lehrstunde; im Grunde war es das Gegenteil vom Siegeszug des Achters. Zeidler geriet im Wortsinne gleich nach dem Start auf eine schräge Bahn, berührte sogar mit dem Ruder eine Leine, fiel auf den letzten Platz zurück, kämpfte mit Wind und Wellen, unternahm einen Aufholversuch und fiel vor dem Ziel noch weiter zurück. Weil auch sonst in den olympischen Klassen keine weitere Medaille heraussprang, steht der DRV im kommenden vorolympischen Jahr schon wieder unter Erfolgsdruck. Der Agentur sid sagte Chef-Bundestrainer Ralf Holtmeyer: "Das ist zu wenig, ganz klar."

Sein Kollege Ralf Bender, zuständig für den Achter, erinnert auch immer mal wieder daran, dass der große Schattenspender keine Selbstverständlichkeit sei; er spricht davon, wie schwer es ist, die Konkurrenz immer wieder in Schach zu halten. Je näher die Olympischen Spiele in Tokio 2020 rücken, desto reibungsloser arbeiten die anderen Besatzungen, desto besser werden die einzelnen Posten bei den Briten, Australiern oder im US-Team besetzt sein, desto größer wird der Ehrgeiz, die Deutschen endlich einmal zu schlagen.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2018
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