Süddeutsche Zeitung

Ruderin Drygalla wird Sportsoldatin:Rechtzeitig reden hilft

Jetzt darf sie doch ihre Karriere in Uniform beginnen und das zu recht. Der Fall der Ruderin Nadja Drygalla zeigt: Nicht die Sportlerin hat sich aus der Verantwortung gestohlen, sondern die Verbände.

Volker Kreisl

Die 23-jährige Rostocker Ruderin Nadja Drygalla darf ihre Karriere weiter verfolgen. Sie bleibt im deutschen Achter und sie wird, wie viele andere Spitzensportler, durch die Bundeswehr gefördert. Diese hat Drygalla, deren Freund einst in der rechtsextremen Szene aktiv war, überprüft auf ihre Verfassungstreue, und das ist am Ende doch so glatt gegangen, dass sich nun viele fragen, ob das wirklich alles sein musste, im August in London.

Drygallas plötzliche Abreise von den Spielen, die Spekulationen um ihre Gesinnung, die Geschichten über ihre Kindheit und, was auch Innenminister Hans-Peter Friedrich damals im Deutschen Haus beklagte, das Herumstochern im Privatleben einer jungen Sportlerin. Es musste sein, nur eben nicht öffentlich. Olympische Spiele sind nicht irgendein Wettkampf, sondern das medial meistbeachtete Treffen der Welt, das von vielen Nationen durchaus emotional aufgeladen wird.

Aufgrund seiner Geschichte muss der deutsche Sport dem mit Feingefühl begegnen, und deshalb müssen sich Sportler und Trainer nicht nur Fragen nach Stasi- oder Dopingvergangenheit gefallen lassen, sondern bei begründetem Verdacht auch nach einer möglichen rechtsradikalen Betätigung oder Gesinnung. Die Fragen sollten rechtzeitig gestellt werden, von denen, die die Sportler entsenden. Hier hat die deutsche Sportführung versagt.

Drygallas Kontakte in die rechte Szene waren der Polizei, dem Ruder-Landeschef Hans Sennewald und auch dem Deutschen Ruderverband, der von Sennewald im April informiert wurde, lange vor Olympia bekannt. Man hätte also den Verdacht rechtzeitig aufgreifen, ausräumen und sich und die Sportlerin vor einem "Fall Drygalla" bei Olympia bewahren können. Der Dachverband DOSB wusste zwar von nichts, aber das beweist nur, dass es im deutschen Sport viele Gremien mit reichlich Kompetenzen gibt, in heiklen politischen Fragen aber die Kommunikation stockt. Keiner übernimmt die Verantwortung.

Am meisten Verantwortung hat im Fall Drygalla die Betroffene übernommen. Sie ist aus London abgereist, hat über die Hintergründe gesprochen und sich zur demokratischen Grundordnung bekannt. Die Überprüfung, für die sich die Bundeswehr noch einmal extra Zeit genommen hat, scheint kaum strittig gewesen zu sein. Der Sport sollte so etwas auch schaffen.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2012/jbe
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