Ruder-Erfolg bei den Olympischen Spielen:Deutschland-Achter holt ersehntes Gold

Vor vier Jahren in Peking wurde der Ruder-Achter im Finale nur Letzter und stand symbolhaft für das Ende deutscher Tradition. Jetzt ist das deutsche Vorzeigeboot wieder oben angelangt: Mit einer überzeugenden Leistung gewinnt der Achter in London Olympiagold - nur kurz sieht es aus, als sei das Boot von Steuermann Martin Sauer schlagbar.

Thomas Hahn, London

Der Start liegt am anderen Ende des Lärms. Und auch wenn die Ruhe hier trügerisch ist, jetzt, da es für den Deutschland-Achter gleich auf die letzte Etappe seines Weges geht, tut sie den Männern gut. Die Männer sitzen mit dem Rücken zur Strecke. Sie können nicht in die Ferne schauen, ans Ende des künstlichen Sees, wo die vollen Tribünen sind, wo die erwartungsvolle Menge wartet, die Presse, das Fernsehen. Und auch das ist gut, denn jetzt geht es nicht mehr darum, irgendetwas zu sehen oder daran zu denken, was die Leute denken.

Es geht jetzt nur noch darum, die Riemen in die Hand zu nehmen und zu rudern, zu rudern, zu rudern, bis die Arme brennen, um an diesem windigen Mittwoch in Eton Dorney, dem fünften Wettkampftag der Olympischen Spiele von London, endlich das zu bekommen, worauf sie seit Jahren hinarbeiten.

Der Deutschland-Achter hat dann tatsächlich die Goldmedaille gewonnen, kurz nachdem der Doppel-Vierer der Frauen als Zweiter hinter der Ukraine und vor den USA die erste Medaille für den Deutschen Ruder-Verband gewonnen hatte. Schlagmann Kristof Wilke, Florian Mennigen, Lukas Müller, Richard Schmidt, Maximilian Reinelt, Eric Johannesen, Andreas Kuffner, Filip Adamski und Steuermann Martin Sauer kamen vor Kanada und Großbritannien ins Ziel. Sie atmeten schwer, sie beugten ihre erschöpften Körper über ihre Ruder oder lehnten sich zurück und jubelten kraftlos.

Eine beträchtliche Erleichterung muss die Mannschaft von Bundestrainer Ralph Holtmeyer in diesen ersten Augenblicken nach dem Zieleinlauf erfasst haben, denn das war ja fast schon eine Untertreibung zu sagen, dass der Deutschland-Achter der Favorit auf den Sieg in diesem olympischen Finale der Ruder-Königsklasse gewesen wäre. In Wirklichkeit gab es gar keine andere Wahl für das Flaggschiff des Deutschen Ruder-Verbandes (DRV), als Gold zu gewinnen und sich damit endgültig zu revanchieren für die Schmach von vor vier Jahren.

Letzter war der Deutschland-Achter damals bei Olympia in Peking geworden. Eine Mannschaft, die Intrigen und Selbstüberschätzung im Verband geschwächt hatten, stand damals symbolhaft für das Ende deutscher Tradition und Wertarbeit. Denn der Deutschland-Achter ist ja nicht nur irgendein Ruderboot, er ist eine Institution des deutschen Sports, eine zeitlose Größe, ein olympisches Unikum, das wie wenige andere Sportmannschaften für deutsche Tugenden wie Kraft, Präzision und Verlässlichkeit steht.

Untergang des Achters?

Es war damals viel von Untergang die Rede, weil das gut ins Bild passte, und natürlich gab es anschließend im Verband einen Schnitt. Ralf Holtmeyer, der den Achter schon 1988 zum Olympiasieg geführt hatte, übernahm seinen alten Posten wieder, brachte Linie und Disziplin zurück in die Crew und hatte auf Anhieb Erfolg.

Olympia 2012: Rudern

Gold in London: Der deutsche Achter mit Steuermann Martin Sauer (v.l.) und Kristof Wilke, Florian Mennigen, Lukas Müller, Richard Schmidt, Maximilian Reinelt, Eric Johannesen, Andreas Kuffner und Filip Adamski.

(Foto: dapd)

2009 in Posen/Polen war der Deutschland-Achter schon wieder Weltmeister. 2010 in Hamilton/Neuseeland verteidigte er den Titel. 2011 in Bled/Slowenien auch. Insgesamt brachte es das Boot seit der fatalen Niederlage von Peking bis zum Olympia-Finale auf 35 Siege und null Niederlagen. Die Dominanz war enorm.

Bei solchen Serien wirken Siege wie Selbstverständlichkeiten. Sie sind es nicht. Man sah Schlagmann Wilke und den anderen die Anstrengung an. Und das Rennen war hart. Großbritannien attackierte bis zur 1500-Meter-Marke, fast sah es so aus, als könnten die Briten die Deutschen bezwingen. Aber auf den letzten 500 Metern hatten sie keine Kraft mehr, Kanada setzte sich im Schlussspurt auf Platz zwei.

Der Deutschland-Achter sicherte sein Gold. Es war der goldene Lohn für eine außergewöhnliche Vergeltung, die Schmach von Peking war endgültig getilgt. Und die Männer wussten, was sie geleistet hatten. Im Rudern gibt es keine leichten Siege.

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