Rouven Schröder bei Schalke:Gefragt als Einkäufer und Verkäufer

29 09 2018 xkvx Fussball 1 Bundesliga FC Schalke 04 1 FSV Mainz 05 emspor v l FSV Mainz 05

Rouven Schröder, noch Sportvorstand beim FSV Mainz, diskutiert an seiner zukünftigen Arbeitsstätte mit dem Mainzer Issah Abass.

(Foto: Jan Huebner/Voigt/Imago)

Rouven Schröder soll als Sportdirektor den S04-Kader so umbauen, dass der Klub so kurz wie möglich in der 2. Liga bleibt. Der Ex-Mainzer muss tragende Kräfte holen- und viele Spieler loswerden.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Die Fußball-Welt hat vielleicht nicht sofort den Atem angehalten, als am Dienstagvormittag Schalke 04 bekannt gab, dass Rouven Schröder, 45, der neue Sportdirektor wird. Aber ein wenig gestaunt hat die Fußball-Welt vermutlich schon: Darüber, dass Schröder trotz zuletzt gegenteiliger Erklärungen den Job beim Bundesliga-Absteiger antritt - vor allem aber darüber, dass sie nicht längst von dieser Personalie erfahren hatte.

Wenn Schalke 04 in jüngerer Vergangenheit auf die Suche nach neuen Spielern oder Trainern ging, dann waren das ja meistens transparente, öffentliche Prozesse. Immer wieder kam es vor, dass die betreffenden Personen nicht vom Verein über das Interesse informiert wurden, sondern durch ihren Friseur oder Gemüsehändler oder den Nachbarsjungen davon erfuhren. Der Friseur hatte es womöglich im Radio gehört, der Gemüsehändler hatte es in der Zeitung und der Nachbarsjunge im Internet gelesen.

Das Fußballgeschäft an sich ist schon keine verschwiegene Branche, aber was die indiskrete Weitergabe von vertraulichen Informationen angeht, hat Schalke 04 einen herausragend miesen Ruf. Den ehemaligen, im Januar verabschiedeten Sportvorstand Jochen Schneider hat diese Eigenart zur Verzweiflung getrieben. Die ständigen unerwünschten Enthüllungen betrachtete er als grundsätzliches Übel und als Symptom einer defekten Organisation.

Womöglich bessern sich also gerade die Sitten. Bereits am Wochenende schaffte es der Klub, das Publikum mit einer Neuigkeit zu überraschen. Ein Wechsel des Spezial-Torjägers Simon Terodde ins Ruhrgebiet war bis Sonntag kein heißes Thema in den Gerüchteforen gewesen, auf einmal vermeldete ihn der Klub als Tatsache. Im Fall des Managers Schröder ist der Neuigkeitsfaktor sogar noch ein wenig höher, denn dieser Kandidat war nach Lage der Dinge längst kein Kandidat mehr.

Eingangs der letzten März-Woche hatte er den Schalker Aufsichtsrat wissen lassen, dass er für einen Job in Gelsenkirchen nicht zur Verfügung stehe. Dies war die Zeit, als die königsblaue Welt Kopf stand, nachdem Ralf Rangnick Interesse an einer Rückkehr signalisiert hatte, woraus dann aber nach tagelanger öffentlicher Debatte doch nichts wurde. Ob Schröder - ebenso wie der alternative Anwärter Markus Krösche, der inzwischen bei Eintracht Frankfurt gelandet ist - das Spektakel um Rangnick zum Anlass seiner Absage nahm, ist noch nicht bekannt. Er soll erst nach Abschluss der Saison dem Publikum vorgestellt werden.

Den bereits eingestellten Kontakt zu Schröder hatte Schalke wieder aufgenommen, weil Sportvorstand Peter Knäbel die Anstellung eines für die Kaderplanung zuständigen Managers für unerlässlich hielt. Seiner Abteilung stehe "eine äußerst anstrengende Zeit mit Dauer-Druck und Dauer-Entscheidungen" bevor, sagte Knäbel neulich mit Blick auf den Zweitligastart am 23. Juli: "Es ist einfach tierisch anstrengend - und dann stehen wir auf einmal da am ersten Spieltag und sollen der große Favorit sein."

Terodde und Latza sind schon da

Der Abstieg aus der ersten Liga nötigt den Verein zu einem grundlegenden Umbau der Profi-Mannschaft. Mindestens ein Dutzend Spieler aus dem aktuellen Kader werden Schalke verlassen, neben den bereits angeworbenen Terodde und Danny Latza (zuletzt sechs Jahre bei Mainz 05) werden noch zahlreiche tragende Kräfte gebraucht. Schröder, der die Arbeit sofort aufnehmen wird, soll sowohl seine Talente als Einkäufer wie als Verkäufer zur Geltung bringen. Profis wie Amine Harit, Mark Uth, Matija Nastasic, Salif Sané und Suat Serdar sollen auf dem Transfermarkt Einnahmen erlösen, anstatt mit ihren Gehältern das Zweitliga-Budget zu überlasten. Gesucht wird außerdem eine Lösung für den unbezahlbaren Rückkehrer Sebastian Rudy, dessen Leihvertrag mit Hoffenheim endet.

In den vier Jahren, in denen er bis Dezember 2020 das Sportgeschäft von Mainz 05 organisierte, trug Rouven Schröder eine sehr beachtliche Transferbilanz zusammen. Seine Verbindungen nach Frankreich bescherten den 05ern hohe Einnahmen. Die von ihm verpflichteten Abdou Diallo (zu Borussia Dortmund) und Jean-Philippe Gbamin (FC Everton) brachten Millionen-Gewinne ein, der im Sommer anstehende Verkauf des niederländischen Verteidigers Jeremiah St. Juste dürfte der nächste große Handel werden. Beim Verkauf des Stürmers Jhon Cordoba an den 1. FC Köln im Sommer 2017 knöpfte Schröder dem Kollegen Jörg Schmadtke unter Einsatz einer plötzlichen Preiserhöhung 17 Millionen Euro ab.

Die Auswahl der Trainer war in Mainz das Problem von Schröder

Die Verdienste um die Mainzer Schatzkammer und die stabile sportliche Lage verhinderten aber nicht, dass Schröder im Winter gehen musste. In der Auswahl der Trainer hatte er eine weniger glückliche Hand gehabt als bei den Spielern. Im Dezember sah der FSV wie ein sicherer Absteiger aus, Schröder zog sich ohne Widerstand und hohe Forderungen aus dem bis 2024 laufenden Vertrag zurück und erhielt dafür Komplimente. Auf Schalke trifft der gebürtige Sauerländer und Ex-Profi des VfL Bochum nun einen alten Bekannten wieder: Mit Mike Büskens, neuerdings ständiger Co-Trainer des Klubs, teilte er bereits vor acht Jahren bei der SpVgg Greuther Fürth die Trainerbank, Büskens als Chefcoach, Schröder als Sportchef - bis der Sportchef dem Chefcoach die Tür weisen musste.

Gemeinsam sollen beide jetzt dafür sorgen, dass Schalke 04 den Sturz in die Zweitklassigkeit einigermaßen verkraftet. Der Anfang war schon mal nicht schlecht. Dass bei seiner Anwerbung Diskretion gewahrt wurde, soll Schröder sehr gefreut haben.

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