Roter Stern Belgrad - FC Bayern:Der Stern leuchtet nicht mehr

Bayerns Uefa-Cup-Gegner Roter Stern Belgrad weckt Erinnerungen an eine gloriose Generation, die an den Wirren des Krieges zerbrach.

Klaus Hoeltzenbein, Belgrad

Nicht wenige waren über das Los erstaunt. "FK Zvezda" stand da zu lesen, und die ersten begannen schon das Verfahren anzuzweifeln, schienen doch die größten Exoten, denen der FC Bayern in der Gruppenphase des Uefa-Pokals hätte begegnen können, Mannschaften mit wunderlichen Namen wie Mlada Boleslav, Elfsborg Boras oder AELarisa zu sein. Aber FK Zvezda? Bald aber wurde klar, dass sich hinter dem serbischen Begriff "FK Crvena Zvezda" eine in München in tiefer Erinnerung verhaftete Elf verbirgt: Roter Stern Belgrad.

Roter Stern Belgrad - FC Bayern: Die goldenen Zeiten des Roten Stern sind vorbei: Aber die Belgrader sind immer noch für ihr Feuer bekannt.

Die goldenen Zeiten des Roten Stern sind vorbei: Aber die Belgrader sind immer noch für ihr Feuer bekannt.

(Foto: Foto: AP)

Im Jahre 1991 sind sich beide Klubs letztmals begegnet, in einem denkwürdigen Halbfinale des damaligen Europapokals der Landesmeister. Entschieden wurde es durch den damaligen Kapitän, Klaus Augenthaler, und den damaligen Torwart, Raimond Aumann, die in einer dramatischen Unglücksverkettung im Rückspiel in Belgrad in der Nachspielzeit ein Eigentor co-produzierten. Anschließend gab Libero Augenthaler die wunderbar fatalistische Erklärung ab: "Hätte ich nicht die Arthrose am Spann, hätte ich ihn voll getroffen. So rutscht mir der Ball ab und geht als Bogenlampe ins Tor." 2:2, keine Chance mehr, in der Verlängerung das 1:2 aus dem Hinspiel noch zu wenden, und der Reporter der SZ schrieb: "Feuer auf die eigene Stellung, wer rechnet mit so was?"

Ohne Präsident im Marakana

Kurz darauf, am 29. Mai 1991, gewann die junge Mannschaft von Roter Stern Belgrad mit Savicevic, Prosinecki, Jugovic, Mihajlovic oder Pancev in Bari im Elfmeterschießen gegen Olympique Marseille. Im Dezember holten die neuen Berühmtheiten in Tokio noch den Weltpokal. Dann verteilten sich diese Ballartisten über Großklubs in Italien und Spanien - und der Rote Stern ging unter.

Wer heute, fast zwei Jahrzehnte und einen zersetzenden Balkan-Krieg später, den Versuch unternimmt, sich dem komplizierten Innenleben von Roter Stern zu nähern, der stößt schon auf der Internetseite des Vereins auf eine rätselhafte Botschaft. Direkt neben der Tabelle, die Roter Stern, den aktuellen Meister, mit sieben Punkten Rückstand auf Partizan Belgrad auf Platz drei führt, steht die Überschrift: "Dragan Stojkovic widerspricht Gerüchten!" Im Text ist dann davon die Rede, dass Stojkovic Fehlinformationen entgegentrete, "die in der Frankfurter Vesti am 19. Oktober veröffentlicht" worden seien. Welche Informationen dieser Zeitung falsch gewesen sein sollen, steht nicht auf der Seite.

54.000 Zuschauer warten im ausverkauften Marakana auf die Bayern

Dragan Stojkovic ist vor wenigen Tagen als Präsident von Roter Stern zurückgetreten. Das ist ungefähr so, als würde Franz Beckenbauer sein Präsidentenamt beim FC Bayern vor dem Uefa-Cup-Finale niederlegen, denn Stojkovic, 42, gilt als der wohl größte Fußballer, den der Klub je hervorbrachte. Und die Partie gegen die Münchner ist für Roter Stern schon allein aus nostalgischen Gründen das Spiel der Saison. Am Wochenende, beim 2:0 im Derby bei OFK Belgrad, kamen gerade 30.00 Besucher, an diesem Donnerstag aber zur späten Anstoßzeit von 21.15 Uhr wird mal wieder auf ein mit 54.000 Zuschauern ausverkauftes Marakana gehofft. Marakana deshalb, weil es in Architektur und Atmosphäre dem berühmteren Maracanã in Rio ähneln soll und es nicht ganz ungefährlich ist, dorthin zu gehen, heute wie damals nicht, als sich im Marakana von Belgrad bis zu 110.000 Personen quetschten.

Der Stern leuchtet nicht mehr

Das Spiel des Jahres gegen die Bayern erlebt Roter Stern nun ohne Präsident, jedenfalls ist kein neuer verkündet. "Offensichtlich braucht Roter Stern einen Wirtschaftsmann als Präsidenten und nicht einen Sportler", wird Stojkovic in der Vesti zitiert. Frankfurter Vesti wird die Zeitung genannt, weil die Hauptredaktion in Deutschland sitzt (Internet-Eigenwerbung: "Zeitung für Ex-Jugoslawen in der Diaspora''). Ihre Nachrichten werfen in Serbien ein Echo, gerade im Fall von Stojkovic, der so auch in Belgrad mit seinen Vesti-Zitaten präsent war: Er wolle nicht länger "in einer schlechten Umgebung arbeiten und Mafiosi" neben sich sehen. Namen hat Stojkovic nicht genannt, er sagte aber: "Die serbische Öffentlichkeit weiß, was geschieht, aber ich bin nicht bereit und kann keine weiteren Erklärungen abgeben." Roter Stern stehe unter großem Druck von mächtigen Männern, und "ich konnte die Balance nicht mehr halten".

Die Vesti-Redaktion in Frankfurt verweist darauf, dass Stojkovic auf der Internetseite von Roter Stern nicht behaupte, dieses Interview nicht gegeben zu haben. Er wiederhole dort nur, dass es bei seinen direkt bei der Demission geäußerten "privaten" Gründen bleibe: "ich fühle mich müde, brauche eine Verschnaufpause." Die sucht Stojkovic künftig dort, wo er seine sportliche Laufbahn nach Stationen bei Roter Stern, Marseille und Verona beendet hatte: in Japan. Bei Nagoya Grampus, jenem Klub, mit dem er Meister wurde, soll Stojkovic im Dezember als Sportdirektor beginnen.

Kurz zurück ins Jahr 1991: Dragan Stojkovic galt als der Beste der gloriosen Roter-Stern-Generation, er war der Regisseur, seine eigene Legende, nur hatte er im Jahr vor dem großen Triumph die Seite gewechselt, er war dem Werben des damaligen Marseille-Eigners Bernard Tapie gefolgt. Im Finale in Bari wurde Stojkovic nur eingewechselt, doch Beobachter glaubten zu erkennen, dass er nicht mehr richtig wirken wollte gegen sein ehemaliges Team. Wenig später wurde die legendäre Elf zerrissen von den Wirren des heraufziehenden Krieges, und als der virtuose Robert Prosinecki, ein in Schwenningen am Neckar geborener Serbo-Kroate, in jener Zeit mahnte, man möge sich auf Fußball konzentrieren, schickten ihm Fanatiker einen Umschlag mit einer Patrone samt Beipackzettel: "Die nächste Kugel ist für dich."

Der Fußball auf dem Balkan hat sich von den Kriegswirren nicht erholt. Eine neue, glorreiche Generation ist nicht in Sicht, die Auswahl Serbiens wird die EM 2008 in ihrer Qualifikationsgruppe hinter Polen und Portugal vermutlich verpassen, zudem weist der Rückzug von Stojkovic auf ruppige Verteilungskämpfe im Wirtschaftsfeld Fußball hin, die sich nach einem geheimen, mit Risiken verbundenen Code vollziehen. Laut Dragoslav Stepanovic, einst Spieler bei Roter Stern, später Trainer in Leverkusen und Frankfurt, werden die Serben auch in der Rückkehr der Münchner kaum sportlichen Trost finden: "Roter Stern kann einer Niederlage nur entgehen, wenn man das Spiel absagt", denn: "Bayern ist ein Panzer, der fliegt." Es geht offenbar nicht ohne.

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