Als sich die Volleyballerinnen der Roten Raben Vilsbiburg am vergangenen Wochenende vorzeitig den zweiten Platz in der 2. Bundesliga Pro sicherten, hätte daraus eine Aufstiegsparty werden können. Die beiden Erstplatzierten der Zwischenliga besitzen ein Aufstiegsrecht. Doch während Pro-Meister Borken mit Flacht und Hamburg ohnehin Teil eines außerplanmäßigen Paketaufstiegs ist, entschied sich Vilsbiburg gegen die erste Liga. Dafür seien „ausdrücklich keine sportlichen Gründe“ verantwortlich, betont der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus-Peter Jung. „Wir befinden uns im Neuaufbau und sind noch nicht so weit, dass ein Aufstieg für uns sinnvoll wäre“, sagt er, und meint: Für Neulinge genügt die Teilnahme an der ersten Liga, für Vilsbiburg mit mehr als 30 Jahren Historie im Oberhaus liegt die Messlatte höher. Allerdings nährt Jung die Hoffnung auf eine mittelfristige Rückkehr. Die Kriterien hätten sich durch die strukturellen Entwicklungen in der Liga verändert.
Vor Jahresfrist hatte sich der zweimalige deutsche Meister überraschend zur Konsolidierung in die neue 2. Liga Pro zurückgezogen, „weil Lizenzvolleyball in Vilsbiburg alternativ ganz vorbei gewesen wäre“, wie Jung sagt. Die Gesellschafter hatten zum zweiten Mal in Folge einen kalkuliert überreizten Etat ausgeglichen, aber gegen eine Fortsetzung dieser Praxis gestimmt. Vor dem Hintergrund des damaligen Wettlaufs der gesamten schrumpfenden Frauen-Liga mit den finanziell übermächtigen Top-Teams aus Stuttgart und Schwerin gab es für Vilsbiburg keine andere Aussicht, als einen Team-Sponsor aus dem Hut zu zaubern, der ähnliche Investitionen erlaubte. Dieser Versuch misslang, und die Möglichkeiten für ein Team voller Talente, denen aus wirtschaftlichen Gründen über Jahre die verbindende Führungsspielerin fehlte, waren ausgereizt. Umfeld und Verein wirkten erschöpft.
„Vor drei Jahren ging es uns darum, an die goldenen Jahre anzuknüpfen“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus-Peter Jung. Künftig könnte Vilsbiburg auch mit Mittelklasse leben
Zwei Dutzend Zweitliga-Pro-Spiele später, von denen Vilsbiburg 20 für sich entschied, ist die Müdigkeit emsiger Betriebsamkeit gewichen. Die Zuschauerzahlen sind erfreulich, die jungen Spielerinnen zerstreuen die Befürchtungen, Zweitliga-Volleyball böte für einen Standort wie Vilsbiburg nicht ausreichend Attraktivität. Selbst der Aufstiegsverzicht verpasste der Stimmung keinen echten Dämpfer. Trainer Alberto Chaparro, der das Team gemeinsam mit Guillermo Gallardo coacht, sagt: „Die Geschäftsführung sagt mir nicht, was ich auf dem Feld machen soll, und ich sage ihr nicht, was sie auf der Geschäftsstelle machen soll.“
Womöglich fällt Geduld leichter, weil die Aussichten insgesamt freundlicher geworden sind, seit die Volleyball Bundesliga (VBL) entschieden hat, den bei den Männern erfolgreichen Mehraufstieg für die Frauen-Liga zu übernehmen. In der ersten Liga kämpfen aktuell lediglich neun Teams um acht Playoff-Plätze, wobei der Tabellenletzte Erfurt nicht konkurrenzfähig ist. Die 2. Bundesliga Pro war eingezogen worden, um den Aderlass zu stoppen. „Wir hatten uns erhofft, dass sie einen Paketaufstieg überflüssig machen würde“, sagt VBL-Geschäftsführerin Julia Retzlaff. Nun leiste sie als ergänzendes Tool immerhin gute Vorarbeit: „Die Standorte Borken, Hamburg und Flacht wären ohne die 2. Liga Pro noch nicht bereit für diesen Schritt.“
Für die erste Liga ergibt sich daraus wieder ein realer Wettbewerb um die Playoffs und somit Interesse von Fans und Sponsoren. Anders als der finanziell ruinöse – und kaum aussichtsreiche – Wettlauf mit der Spitze ist dieses neu aufgestellte Mittelfeld auch für Vilsbiburg wieder ein erstrebenswertes Ziel. „Vor drei Jahren ging es uns darum, an die goldenen Jahre anzuknüpfen“, sagt Jung über den übergroßen Schatten, den die eigenen Erfolge auf den Standort warfen. Für einen möglichen Wiederaufstieg würde nun bereits das Potenzial „für eine vernünftige Erstliga-Performance“ genügen. An der strukturellen Unterfütterung müsse noch mindestens ein weiteres Jahr in der 2. Liga Pro gearbeitet werden. Aber die Chancen auf künftige Aufstiegspartys scheinen zu steigen.