Basketball in der NBA:Die Auferstehung des Derrick Rose

Derrick Rose

Derrick Rose kamen nach dem Spiel gegen Utah in der NBA die Tränen. Weil seine Karriere fast schon vorbei war.

(Foto: Jim Mone/AP)
  • Großes Drama in der NBA: Basketballer Derrick Rose gelingen in einem Spiel 50 Punkte - dabei hatten ihn Verletzungen fast schon die Karriere gekostet.
  • Selten hat Amerika so Anteil an der Leidensgeschichte eines Sportlers genommen.

Von Jonas Beckenkamp

Jede Heldengeschichte braucht entsprechende Bilder, und von denen ließen sich in dieser magischen Basketball-Nacht in Minneapolis jede Menge transportieren. Die heimischen Minnesota Timberwolves hatten soeben die Utah Jazz mit 128:125 niedergerungen, es war ein enges, aber an sich auch recht herkömmliches NBA-Spiel der regulären Saison zwischen zwei Mittelklasse-Teams. Doch schon mit der Schlusssirene offenbarte sich den Zuschauern das ganze Ausmaß des Dramas um Derrick Rose.

Rose, 30, schlich Richtung Auswechselbank, den Kopf gesenkt, er war überwältigt. Überwältigt von sich selbst, vom Moment des hart erkämpften Sieges seiner Wolves, den er mit einem geblockten Wurf am Ende sicherstellte. Vom Jubel seiner Kollegen, die ihm prompt den Spielball dieser Partie als Andenken in die Hand drückten. Rose weinte. Da stand ein Typ, der soeben mit 50 Punkten eine neue Bestleistung seines Basketballerlebens aufgestellt hatte - und er schluchzte vor Rührung. Dass der Aufbauspieler so einen Auftritt noch einmal hinbekommen würde, ist eine der erstaunlichsten Comeback-Erzählungen der jüngeren US-Sportgeschichte.

"Ich habe mir den Arsch aufgerissen", sagte der Mann mit den Zotteldreadlocks mit gebrochener Stimme dann am Hallenmikro: "Ich habe das für diesen Klub gemacht, für die Fans, für die ganze Sache hier. Ich tue alles, um zu gewinnen. Heute war eine Wahnsinns-Nacht." Rose hatte wahrlich eines jener Spiele erwischt, in denen Basketballer alles treffen. In denen die Welt um sie herum verschwimmt und nur noch alles fließt. Bewegungen, Würfe, Muskelsehnen - wie in Trance hatte Rose alles hinter sich gelassen, was ihn fast seine Karriere gekostet hatte.

Vor nicht einmal acht Jahren war er der MVP der Liga

Er, der beste Spieler der Saison 2010/11, mit 22 damals jüngster Most Valuable Player der besten Basketballiga der Welt, war ja eigentlich schon weg vom Fenster. Drei verheerende Knieverletzungen binnen zweieinhalb Jahren hatten ihn nach seiner Glanzzeit Anfang des Jahrzehnts fast um den Verstand gebracht. Seine Leidensjahre zählen zum Tragischsten, was es im Basketball zuletzt gegeben hatte. Denn die ganze Welt konnte dabei zusehen, wie ein Körbewerfer mit allen Möglichkeiten, mit einer fast nie dagewesenen Dynamik, plötzlich seinen Körper verlor.

In bester Verfassung war Rose ein Phänomen: Seit seiner Ankunft in der NBA als erster Draftpick des Jahres 2008 bei den Chicago Bulls galt er als Dirigent der Zukunft. Mit seiner Schnelligkeit schlängelte er sich an den langen Kerlen vorbei, seine Dunks wuchtete er trotz "nur" 1,91 Metern Größe wuchtig durch den Ring und stets hatte sein Spiel jenes Flair, das Basketballer nur auf den Freiplätzen lernen können.

Rose prägte der typische Werdegang vieler afro-amerikanischer NBA-Profis. Er kommt aus dem Nichts und brachte es sehr weit. Er stammt aus Englewood, einem der schwierigsten Viertel Chicagos, wuchs quasi ohne Vater bei seiner alleinerziehenden Mutter auf und sah im Sport irgendwann einen Ausweg aus der Tristesse im Problembezirk. "Basketball hat mir immer geholfen, den Kopf frei zu kriegen, wenn ich einen miesen Tag hatte", sagte er einmal, "wenn ich spiele, sind alle Sorgen des Alltags weg, so war das schon immer."

Das Knie, immer wieder das Knie

Das Knie - immer wieder das Knie

Doch spätestens mit seinem ersten Kreuzbandriss im Jahr 2012 hatte er wieder jede Menge Sorgen. Er musste eine ganze Saison aussetzen, kam zurück - ehe ihm 2013 erneut den Meniskus am rechten Knie riss. Schon zu dieser Zeit bewegten seine ständigen Comebacks und Rückschläge halb Amerika, Rose wurde zu einem Symbol des verletzungsgeplagten Basketballers mit verhinderter Großkarriere. Über die Jahre zwangen ihn seine wackeligen Knie immer wieder zu Auszeiten, seine Athletik schwand wegen dauernder Pausen und Operationen und irgendwann war Derrick Rose längst nicht mehr der Derrick Rose aus den Highlightfilmen. Er war ein ganz normaler Point Guard, ein auf dramatische Weise gescheitertes Versprechen.

Aber er kämpfte sich immer wieder heran, er krallte sich an seinen Sport, seine Leidenschaft. "Diese Underdog-Mentalität hat mich geprägt", sagte er einst dem berühmten Basketball-Autoren Sam Smith, "immer wieder zurückzukommen, auch wenn alles gegen mich sprach, das war mein Weg aus der Isolation." Sein Wechsel zu den New York Knicks wurde schließlich keine Erfolgsstory, dabei hatte man in Manhattan nach vielen zähen Jahren sehnlichst auf einen Heilsbringer gewartet. Rose konnte nicht mehr jener Spieler sein, der locker 30 Punkte erzielt. Er war "washed up", wie es in den USA heißt: alt geworden. Dabei war er nicht mal 30 Jahre alt.

In Utah wurde er entlassen

Als ein Gericht in Los Angeles ihn vom Vorwurf der Vergewaltigung einer Frau freisprach, blieb ihm immerhin finanzieller Schaden erspart: Es war um 21,5 Millionen Dollar Schadensersatz gegangen. 2017 zog Rose nach Cleveland weiter, er wollte an der Seite von LeBron James endlich eine Meisterschaft gewinnen, doch auch das zerschlug sich nach nur 16 Einsätzen und erneuten gesundheitlichen Problemen (sein größter Erfolg ist der WM-Titel 2014).

Die "Cavs" gaben ihn während der Saison an Utah ab, wo er prompt entlassen wurde. Gefeuert. Als einst bester Mann des Welt-Basketballs. Niemand glaubte mehr, dass dieser Derrick Rose körperlich noch in der Lage für Profbasketball ist. Er war arbeitslos, frustriert und wollte eigentlich aufhören. Im März dieses Jahres erreichte ihn die letzte Rettung im NBA-Gechäft: Ein Angebot aus Minnesota, dem kältesten und für viele unattraktivsten Liga-Standort.

Rose sagte zu - und weil in dieser Saison einige etablierte Kräfte der "Wolves" verletzt sind, spielt er pötzlich wieder Basketball. Und wie, wie sich in der tränenreichen Nacht am Donnerstag zeigte, die nun ligaweit Beachtung findet: "Es ist unglaublich", ließ beispielweise LeBron James wissen, "auch wenn ein Superheld zu Boden geschlagen wird, ist er immer noch ein Superheld. Derrick Rose hat heute gezeigt, dass er immer noch ein Superheld ist." Im Spiel danach wurden Rose und seine Knie geschont. Gerade einmal fünf Minuten war er gegen Golden State auf dem Parkett. Aber das störte niemanden. Sein 50-Punkte-Spiel gegen Utah kann ihm keiner mehr nehmen.

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