Rosberg und Hamilton in der Formel 1:"Schön zu hören, dass du nur an dich denkst "

Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Im Zwist, mal wieder: Lewis Hamilton, rechts, daneben Nico Rosberg.

(Foto: AP)
  • Nach dem Sieg von Lewis Hamilton beim Großen Preis von China erhebt Nico Rosberg Vorwürfe. Sein Mercedes-Kollege habe absichtlich getrödelt, um ihn schlecht aussehen zu lassen.
  • Hamilton kontert kühl: "Es ist nicht mein Job, mich um Nicos Rennen zu kümmern."
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Von René Hofmann

Nach dem Großen Preis von China wurde Nico Rosberg von einem berühmten Sportler interviewt. Der einstige Hürden-Sprinter Edwin Moses formulierte seine Frage vorsichtig, er wusste, dass sie ein heikles Thema berührte. Er könne mit ihm fühlen, es müsse schwer sein, einerseits den Teamspieler zu geben, andererseits aber auch die eigenen Ambitionen im Auge zu behalten, meinte der 59-Jährige an Rosberg gerichtet. Der gab, freundlich zwar, aber doch vielsagend zurück: "Nun, ich denke nicht, dass du weißt, was es heißt, Zweiter zu sein. Du bist es ja nie gewesen."

Der Zweite als erster Verlierer: Es sieht so aus, als werde das für Rosberg zum bleibenden Thema. Im vergangenen Jahr ist er Zweiter im Titelkampf mit seinem Teamkollegen Lewis Hamilton geworden. Zum Auftakt in die Revanche-Saison wurde er Mitte März in Melbourne dann gleich wieder von Hamilton abgehängt. Am Sonntag glückte Hamilton in China wieder der Sieg. Rosberg wurde vor Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel erneut: Zweiter.

So häufig, wie er das Erlebnis nun schon hatte, hätte es sein können, dass er sich an den Platz gewöhnt hat. Aber das ist nicht der Fall. Nach der neuerlichen Demontage platzte dem wohlerzogenen Rosberg der Kragen und er erhob direkte Vorwürfe gegen seinen Teamkollegen. Hamilton habe bewusst getrödelt, behauptet Rosberg. Im Windschatten hinter dem Briten habe er sich die Reifen ruiniert. "Da habe ich strategiemäßig einiges verloren", führte Rosberg aus. Deshalb habe er im direkten Vergleich mit Hamilton nie eine Chance gehabt. Und in der Auseinandersetzung mit Vettel sei es "unnötig eng geworden" für ihn: "Das ärgert mich jetzt."

Rosberg war so sauer, dass er über gar kein anderes Thema reden wollte. "Zweiter Platz. Ist halt so jetzt. Viel mehr habe ich gar nicht zu sagen", schloss er seine ersten Ausführungen. Zu behaupten, Hamilton habe wenig Verständnis für die Anwürfe seines Teamkollegen, würde die Sachlage nur unscharf beschreiben. Hamilton hatte in Shanghai nicht das Fitzelchen von Verständnis für das, was Rosberg ausgeführte. "Es ist nicht mein Job, mich um Nicos Rennen zu kümmern", gab er zurück, "mein Job ist es, das Auto so sicher und schnell wie möglich ins Ziel zu bringen - und das habe ich getan" Für den Hinterherfahrer hatte er allerdings noch einen provokanten Tipp: "Wenn Nico vorbei gewollt hätte, hätte er ja versuchen können, zu überholen. Aber das hat er nicht getan."

Das Verhältnis zwischen dem 30 Jahre alten Briten und dem 29 Jahre alten Deutschen ist schon seit längerem spannungsgeladen. So offen wie in Shanghai aber trugen die beiden ihren Zwist in der Vergangenheit selten aus. Anklage und Gegenanklage wurden vor laufenden Kameras vorgetragen, direkt nebeneinander, in der Pressekonferenz, zu der stets die drei Schnellsten geladen werden. Als Rosberg Hamiltons Aussagen vernahm, meinte er gallig: "Das ist ja schön zu hören, dass du nur an dich denkst . . ." Woraufhin der Kontrahent durchblicken ließ, er freue sich wirklich schon sehr auf die Nachbesprechung mit den Ingenieuren und der Teamführung.

Die Szene erinnerte an das Gerangel zweier Halbstarker auf dem Schulhof, die beim Autoquartett in Streit geraten. Sebastian Vettel konnte das Schauspiel als Unbeteiligter in aller Gelassenheit genießen. Obwohl er von Startplatz drei aus chancenlos geblieben war, verbuchte er das Wochenende "alles in allem als großen Erfolg: Wir konnten beide Mercedes ordentlich unter Druck setzen." Auch der Tatsache, dass er seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen, der Vierter wurde, dieses Mal nicht distanziert hatte, konnte Vettel noch Positives abgewinnen: "Beide Autos direkt hinter den Mercedes - das macht glücklich. Wenn es so weitergeht, sieht das ganz gut aus."

Toto Wolff verteidigt Hamilton

Tatsächlich zeigt der Aufschwung der Roten schon jetzt bei der Konkurrenz Wirkung. Dass Vettel Hamilton und Rosberg beim Rennen zuvor in Malaysia überrumpelte und mit der besseren Taktik zum Sieg fuhr, hat die Mercedes-Seriensieger des vorigen Jahres geschockt. In China ging die Mannschaft deshalb auf Nummer sicher. Rosberg, der sich bereits während des Rennens am Funk über Hamiltons Fahrweise beschwert hatte, auf eine andere Strategie umzuleiten, wäre eine Option gewesen. Technikchef Paddy Lowe aber gab an: "Das machst du, wenn du den Luxus hast, dass nur deine zwei Fahrer um den Sieg streiten. Heute ging es darum, den Sieg überhaupt zu sichern."

In Sepang war Vettels Ferrari pfleglicher mit den Einheitsreifen von Pirelli umgegangen. Um seine Pneus so gut wie möglich zu schonen, schlug Hamilton in Shanghai deshalb nicht das maximal mögliche Tempo an. Dass sein Trödeln Rosberg in der Sandwich-Position in die Bredouille brachte, wollte er gar nicht mitbekommen haben. Erst Funksprüche vom Kommandostand hätten ihn darauf hingewiesen, erklärte Hamilton.

"Er hat es nicht absichtlich gemacht", verteidigte Teamchef Toto Wolff die Nummer eins im Team: "Lewis wollte Nico nicht aufhalten, sodass dieser nur als Dritter oder noch schlechter ankommt. Das kann ich zu hundert Prozent ausschließen." Er könne sich in beide hineinversetzen, so Wolff: "Dass Nico so emotional gehandelt hat, ist verständlich. Dass Lewis es so gespielt hat, ist auch verständlich." Wolffs große Befürchtung während des Rennens: Wäre Hamilton ausgefallen, hätte Mercedes erneut schlecht dastehen können. Wäre Vettel ein zweiter Überraschungs-Coup geglückt, hätte er sogar die Führung in der WM-Wertung übernommen.

So langweilig wie es den Anschein hatte war die Fahrt der beiden Mercedes an der Spitze also gar nicht gewesen. An einem Punkt des Rennens hätte er tatsächlich erwogen, Hamilton konkrete Rundenzeiten vorzugeben, um den Abstand in sicherere Regionen wachsen zu lassen, verriet Wolff. Bisher durften die beiden Mercedes-Männer ungezügelt um die Siege rangeln - auch gegeneinander. Damit aber könnte es bald vorbei sein. Um die Positionen gegen die erstarkte Konkurrenz abzusichern, seien auch "unpopuläre Anweisungen" denkbar, kündigte Wolff an. Es könnte zu einer Situation kommen, in der er seine beiden Fahrer etwas "mehr managen" müsse.

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