Süddeutsche Zeitung

Rosberg in der Formel 1:Unangebrachtes Klagelied bei der Krönungsmesse

Lesezeit: 2 min

Kommentar von René Hofmann

Nico Rosberg hat nicht zum ersten Mal das Rennen um den Fahrer- titel in der Formel 1 verloren. Im vergangenen Jahr unterlag er beim Saisonfinale in Abu Dhabi dem selben Gegner wie in diesem Jahr: seinem Mercedes-Kollegen Lewis Hamilton. Damals erwischte Rosberg einen schlechten Start, später lahmte sein Wagen. Er blieb chancenlos, zeigte aber eine bewundernswerte Reaktion: Obwohl sein Team ihm anbot, die aussichtslose Fahrt abzubrechen, schleppte er sich wacker ins Ziel, wo er Hamilton aufrichtig gratulierte. Der Titel war ihm entgangen, sein Verhalten aber brachte ihm etwas ganz anderes ein: Respekt.

Rosbergs Reaktion an diesem Sonntag in Austin/Texas könnte davon nicht weiter entfernt sein. Mit einem mäßigen Start brachte er sich wieder selbst an den Rand der Verliererspur. Dort angelangt, half Hamilton unfreundlich nach: Er drängte den Rivalen erbarmungslos ins Aus. Das war hart, keine Frage, wirklich unfair aber war die Aktion nicht. Und überraschend kam sie auch nicht. Rosberg musste wissen, was ihn erwartet. Er und Hamilton fuhren bereits als Kinder mit Go-Karts gegeneinander.

Nutze jede Chance, die sich dir bietet, egal wer dein Gegner ist! Im Buch "So werde ich Formel-1-Weltmeister" ist das die erste Lektion. Die zweite lautet: Mach in wichtigen Momenten bloß keine Fehler! Auch sie hat Rosberg nicht beherzigt. Der entscheidende Ausrutscher, der Hamilton in den USA den Sieg und vorzeitig den Titel brachte - er unterlief Rosberg. Beim Runterschalten einmal kurz mit zwei Rädern von der Ideallinie gekommen: Es war lediglich ein Wimpernschlag-Malheur, das aber nutzte Hamilton, um zu demonstrieren, was einen dreimaligen Champion von einem unterscheidet, der nun vermutlich für immer mit dem Status des Adlatus leben muss. Als es darauf ankam, war Hamilton da. Und er blieb makellos.

Der Titel geht verdient an den 30 Jahre alten Briten. Hamilton war in diesem Jahr konstant der Beste. Dort, wo er im vergangenen Jahr noch Schwächen gehabt hatte - in der Qualifikation -, zeigte er sich verbessert. Meist spielte er die Überlegenheit seines Autos souverän aus. Rosberg, der über die gleichen Möglichkeiten verfügte, hatte mehr Defekte. Auch die verhinderten, dass der Titelkampf wirklich spannend wurde. Noch wichtiger dafür aber war, dass Rosberg den Rivalen viel zu selten unter Druck setzen konnte, dass er Hamilton so gut wie nie aus der Komfortzone hinaustrieb, dass er selbst kaum Attacken setzte. Das hat Rosberg sich selbst zuzuschreiben. Sein Klagelied während der Krönungsmesse war deshalb unangebracht - so verständlich seine Enttäuschung auch sein mag.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2015
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