Golf:Spieler, Aktionär und Aktivist

Golf: Klare Haltung sowohl auf dem Golfplatz als auch in den Debatten, die den Profigolfsport spalten: Rory McIlroy.

Klare Haltung sowohl auf dem Golfplatz als auch in den Debatten, die den Profigolfsport spalten: Rory McIlroy.

(Foto: Ryan Lim/AFP)

Rory McIlroy hat im Jahr 2022 eine Rolle eingenommen, von der im Frühjahr noch keiner wusste, dass man sie überhaupt brauchen würde: Der Nordire verteidigt das klassische Golfsystem. Die Nummer eins ist er außerdem.

Von Felix Haselsteiner, Dubai/München

An einem Sonntag im Februar stand Rory McIlroy im berühmten Riviera Country Club in Los Angeles und erwartete, dass der spektakuläre Teil des Jahres vorbei war. Die ersten zwei Monate des Jahres waren im Golf von obskuren Debatten bestimmt worden: von Diskussionen über eine angebliche Saudi-Tour, die mit viel Geld Spieler einkaufen wollte; über Phil Mickelson, der diese Saudis "scary motherfuckers" nannte, aber mit ihnen verhandelte; und schließlich von einer Solidaritätsbekundung mit der PGA Tour, bei der sich einige der Topspieler zusammentaten und verkündeten: Keine Sorge, wir bleiben hier und gehen nicht zu den Saudis!

Rory McIlroy ist ein gutgläubiger Mensch - oder zumindest war er es noch, damals im Februar, als er sagte: "Ich finde, es ist ist schön, dass wir uns jetzt alle zusammensetzen und sagen können: Schaut her, wir sind derselben Meinung!"

Angesichts dessen, was in der Golfwelt in den folgenden neun Monaten passiert ist, wirkt diese Aussage fast schon satirisch komisch. Denn derselben Meinung ist im Golfsport kaum noch jemand. Vor allem aber nicht McIlroy und die Spieler, mit denen er sich damals noch friedlich an einen Tisch setzen wollte.

Er profiliert sich als Chefanwalt der Standhaften

Die Kurzzusammenfassung: Diejenigen, die im Februar ihr Verbleiben auf der PGA Tour ankündigten - namentlich der ehemalige Weltranglistenerste Dustin Johnson und der US-Open-Sieger Bryson DeChambeau - verabschiedeten sich einige Wochen später doch auf die neue Saudi-Tour LIV, die im Juni dann ihre Premiere in London gab. Mutmaßlich weil die Schecks des saudi-arabischen Staatsfonds PIF, die ihnen der ehemalige Weltklassegolfer und heutige LIV-Boss Greg Norman präsentierte, ihre kühnsten Vorstellungen übertrafen: Die größten Namen, die im Laufe des Jahres auf die Saudi-Tour wechselten, bekamen Berichten zufolge dreistellige Millionenbeträge als Prämien, zusätzlich zu den Millionen, die sie noch gewinnen können, wenn sie erst einmal spielen.

Zahlreiche andere, darunter ehemalige große Sieger wie der Deutsche Martin Kaymer, folgten diesem Beispiel - weshalb sich die LIV-Tour innerhalb einiger Monate als Kontrapunkt etablierte zum klassischen System, in dem die PGA Tour und die europäische DP World Tour den Sport unter sich aufteilten.

Der Hauptvertreter, Chefanwalt und große Sieger dieses Traditionssystems ist - auch das ist neun Monate nach seinen Aussagen klar - McIlroy selbst. Kein Spieler hat sich inmitten der scharfen Debatten so profiliert wie der 33-jährige Nordire, der seit 2007 als Profi in den USA und in Europa spielt, an den zwei Plätzen also, die ihm so am Herzen liegen und die er auf alle möglichen Arten und Weisen verteidigt.

An Greg Norman richten sich Rücktrittsforderungen

Während sich andere Spieler lieber auf den Sport allein konzentrieren, steht McIlroy Woche für Woche Rede und Antwort, Pressekonferenzen mit ihm sind ehrlich und von gegenseitigem Respekt geprägt - und von starken Worten. In der vergangenen Woche etwa forderte McIlroy den LIV-Chef höchstpersönlich zum Rücktritt auf, zumindest dann, wenn die Saudis ehrliches Interesse daran haben sollten, über eine gemeinsame Lösung mit den Amerikanern zu verhandeln. "Ich glaube, Greg Norman muss gehen", sagte McIlroy: "Es ist die richtige Zeit gekommen, um zu sagen (...), dass niemand miteinander sprechen wird, wenn nicht ein Erwachsener im Raum ist, der die Zäune reparieren kann."

McIlroy ist allerdings längst mehr als nur ein Spieler, der sich der Macht klarer Worte bewusst ist, sondern auch ein Aktionär des eigenen Systems. Er hat einen Sitz im Beratungsgremium der PGA Tour, ist unter den Spielern der wichtigste Ansprechpartner für die Tour-Chefs und gemeinsam mit seinem guten Freund Tiger Woods demnächst auch Unternehmer: Beide gründeten eine Gesellschaft, die von der kommenden Saison an ein neues Turnierformat für die PGA Tour umsetzt, bei dem Spieler am Montagabend in großen Stadien in einem Duell antreten. Das soll den Unterhaltungswert im Golf erhöhen, ein neues, junges Publikum erreichen - und mittelfristig genug Geld einbringen, um McIlroys eigentliches Gehalt als Golfspieler zu finanzieren.

Golf: Traumzahl vier: Rory McIlroy genügte bei der DP World Tour Championship in Dubai ein vierter Platz, um sich zum vierten Mal die Saison-Trophäe zu sichern.

Traumzahl vier: Rory McIlroy genügte bei der DP World Tour Championship in Dubai ein vierter Platz, um sich zum vierten Mal die Saison-Trophäe zu sichern.

(Foto: Martin Dokoupil/AP)

Neben seinen aktivistischen und unternehmerischen Tätigkeiten ist McIlroy nämlich in den vergangenen Monaten auch in neue sportliche Höhen vorgestoßen: Im August gewann er den FedEx-Cup, die Saisonwertung der US-Tour, dann wurde er Weltranglistenerster und am vergangenen Wochenende gewann er schließlich auch noch in Dubai die europäische Saisonrangliste. Dieses Triple hat vor ihm noch niemand geschafft, was kein Zufall sein dürfte: McIlroy sagte zuletzt, er sei in diesem Jahr gerade durch die Debatten in einen neuen, selbstbewussten Modus gekommen, in dem er den sportlichen Fokus fand.

Das nötigt auch den anderen Spielern Respekt ab. Dass er ein überragender Spieler sei, habe man schon gewusst, aber "es ist großartig, zu sehen, dass jemand wie er seinen Standpunkt so lautstark vertritt", sagte der Spanier Jon Rahm, der am Wochenende in Dubai das Finalturnier gewann, aber in der Gesamtwertung knapp Zweiter hinter McIlroy wurde. Beide sollen gemeinsam im kommenden Jahr das europäische Team im Ryder Cup anführen, im größten Turnier in der kommenden Saison, in der sich McIlroy persönlich noch ein großes Ziel erfüllen möchte.

Bei all den Erfolgen im Jahr 2022 nämlich fehlte ein Sieg bei einem der vier Major-Turniere, dem McIlroy inzwischen seit acht Jahren hinterherläuft. Viermal schaffte er es in diesem Jahr in die Top-10, beim Masters im April und bei der Open Championship im Juli waren es nur wenige Schläge, die ihn von einem Sieg trennten.

Es sei "das eine Ziel", das er nicht erreicht hätte, in diesem wilden Jahr, das McIlroys Rolle als Anführer der traditionellen Golfinstitutionen zementiert hat. Eine Rolle, die ihm gut steht, auch wenn er im Februar nicht damit gerechnet hatte, dass sie überhaupt notwendig sein würde - damals, als McIlroy wie so viele andere noch dachte, es sei unmöglich, dass sich der Golfsport überhaupt in die missliche Lage bringen würde, in der sich nicht mehr alle zusammensetzen können.

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