Ronaldo bei der Fußball-WM:Zwischen Hattrick und Steuertrick

World Cup - Group B - Portugal vs Spain

Cristiano Ronaldo kann ganz gut Fußball spielen - auch bei der WM in Russland.

(Foto: Carlos Barria/Reuters)
  • Beim 3:3 gegen Spanien rettet Cristiano Ronaldo seinen Portugiesen den WM-Auftakt ganz alleine.
  • Seine drei Tore sind aber nur die eine Geschichte dieses Spiels - die andere ist sein Deal mit den spanischen Steuerbehörden.

Von Javier Cáceres, Sotschi

Die Trophäe des Spiels durfte natürlich nicht fehlen, als Cristiano Ronaldo wortlos das Fischt-Stadion in Sotschi verließ. Einen Hattrick hatte der Portugiese von Real Madrid beim 3:3 gegen Spanien erzielt. Und daher stand ihm nach alter Sitte der Spielball zu, den er nun in seiner an edlen Pokalen reichen Vitrine ausstellen kann: als Erinnerung an einen Abend, an dem er allein das gesamte Talent der Spanier hatte aufwiegen können. Und an dem er seine Kandidatur abgab, die prägendste Figur des Turniers zu werden. Mit seinen drei Treffern bewahrte Ronaldo, 33, den Europameister von 2016 bei der WM in Russland vor einer Auftaktniederlage gegen die Spanier.

Portugal und Spanien müssen beide noch gegen Iran und Marokko antreten. Und es ist im Lichte des Spiels vom Freitagabend nicht übertrieben, wenn man zu dem Schluss kommt, dass es ein Jammer wäre, wenn ausgerechnet diesen beiden Teams noch ein Unfall passieren sollte. Denn beide boten ein spektakuläres Spiel, das eher Halbfinal- als Vorrundencharakter hatte - und in dem beide durchaus auf ihre Favoritenrolle hinweisen konnten.

Für Ronaldo war es aber nicht nur der Tag des Hattricks. Sondern auch der Tag, an dem die Welt erfuhr, dass er mit den spanischen Finanzbehörden bzw. der Staatsanwaltschaft einen Deal ausgehandelt hatte, der ihn wohl seiner Probleme mit den Steuerbehörden entledigt. Nachdem er vor einem Jahr noch versichert hatte, nichts zu fürchten, weil er nichts Falsches getan habe, stimmte der Stürmer von Real Madrid nun zu, fortan als vorbestraft zu gelten: Er akzeptierte eine zweijährige Haftstrafe, die er aber nicht antreten muss.

Ein Prozess barg ein erhebliches Risiko

Gefängnisstrafen von weniger als 24 Monaten werden in Spanien üblicherweise nicht vollzogen. Zudem soll er insgesamt 18,9 Millionen Euro an den spanischen Fiskus zahlen, um Steuerschulden aus den Jahren 2011 bis 2014, die fälligen Zinsen und Buße zu tilgen. Misslich ist das aus Sicht von Ronaldo schon, Geld ist Geld. Einerseits. Andererseits barg ein Prozess für ihn nicht nur die Chance auf einen Freispruch, sondern auch ein erhebliches Risiko.

Es wäre durchaus spannend geworden, gerichtlich klären zu lassen, ob Ronaldo sich zwar am Rande, aber noch im Rahmen von Gesetzen bewegt hatte, die einst für die Schönen und Reichen Spaniens verabschiedet worden waren. Aber: Angesichts der Verschachtelung seiner Firmen war eben auch die Gefahr gegeben, dass seine Rechts- und Finanzberater doch noch eine Falltür übersehen hatten. Dass es am Ende viel schlimmer ausgegangen wäre.

Doch wie auch immer: Warum er den einst voller Nachdruck vorgetragenen Gedanken verwarf, seine Unschuld vor Gericht zu beweisen, wäre eine der vielen Fragen gewesen, die man ihm im Pressesaal des Fischt-Stadions hätte stellen können. Für den Portugiesen war dieser Termin eine Pflicht, weil er nach seinen drei Treffern natürlich zum "Man of The Match" gewählt worden war. Auf der Pressekonferenz des Weltverbandes Fifa waren keine Fragen von Journalisten zugelassen. Wobei: Der Russe Denis Tscheryschew, "Man of the Match" des Eröffnungsspiels, hatte ja durchaus Fragen von Journalisten beantwortet.

Bei Ronaldo war es anders. Eine Fifa-Funktionärin erkundigte sich vielmehr auf dem Podium nach dem werten Befinden - und wollte wissen, ob es ihm etwas bedeute, einer von nunmehr vier Spielern zu sein, die bei vier verschiedenen WM-Turnieren getroffen haben. Vor ihm hatten das der Brasilianer Pelé, die HSV-Legende Uwe Seeler und der WM-Torschützenkönig Miroslav Klose vollbracht. Das sei "eine schöne persönliche Marke - eine weitere in meiner Karriere", sagte Ronaldo, der Jäger aller Rekorde: "Aber das Wichtigste ist, was die Mannschaft vollbracht hat."

Sogar stolpern kann er geschickt

All das, was Portugal auszeichnete, war zuvorderst von Effizienz getragen: drei Schüsse, drei Treffer. Die Partie war noch nicht mal drei Minuten alt, als Ronaldo einen Elfmeter für die Portugiesen herausholte. Am Strafraumeck stolperte er über das Bein von Rechtsverteidiger Nacho, der später sagen sollte, "Ronaldo hat eher mein Bein berührt als ich seins". Üblicherweise ist das ganz im Sinne Nachos: Er spielt wie Ronaldo bei Real Madrid.

De Gea lenkt einen Ball slapstickartig ins eigene Netz

Spanien glich durch Diego Costa aus (24.) - und hatte dabei insofern Glück, als ein Schlag Costas an den Hals von Portugals Innenverteidiger Pepe ungesühnt blieb, ehe er drei Verteidiger austanzte und mit einem satten Schuss abschloss. Dann aber verkleidete sich Torwart David De Gea als Loris Karius. Einen Schuss Ronaldos, den De Gea später als tückisch bezeichnen sollte, lenkte der spanische Torwart von Manchester United so slapstickartig ins eigene Netz (44.), dass es unmöglich war, nicht an die Fehler des deutschen Torwarts vom FC Liverpool im Champions-League-Finale von Kiew zu denken.

Nach der Pause glich wieder Costa aus (55.), in der 58. Minute brachte Nacho dann sogar mit einem atemberaubenden Volleytreffer aus 20 Metern die Spanier in Front: Der Ball flog an einen Innenpfosten, dann an den anderen und von dort ins Netz. Das war im Lichte der Überlegenheit des Weltmeisters von 2010, die sich schließlich auch an einem Ballbesitz von 62 Prozent ablesen lassen sollte, überaus verdient. Doch am Ende der Partie schlug Ronaldo wieder zu. Er zog ein Foul, das fragwürdig war ("Wir wissen, dass Cristiano dazu neigt, leicht zu fallen", sagte Spaniens Verteidiger Gerard Piqué, der als Übeltäter ausgemacht wurde) - und zirkelte den Freistoß aus 20 Metern in den Winkel.

De Gea verharrte wie angewurzelt in seiner Ecke und schaute dem Ball hinterher, der in der 88. Minute zum 3:3 einschlug. "Wir sind sehr glücklich, weil wir am Ende noch ausgeglichen haben. Aber es war ein gerechtes Resultat", behauptete Ronaldo - und verdiente sich ein Lob von Spanien-Trainer Fernando Hierro: "Er ist eine Schau. Ich habe eine sehr gute Beziehung zu dem Jungen, und er ist ein Glück für jede Mannschaft, die auf ihn zählen kann. Aber ich würde ihn gegen keinen meiner Jungs eintauschen."

Vor allem aber nahm Hierro, der sein erstes Spiel als spanischer Trainer nach dem Rauswurf von Reals neuem Trainer Julen Lopetegui bestritt, seinen Torwart in Schutz. "Wir haben ihn umarmt. Aber wir haben keinen Zweifel an ihm. Wirklich nicht". Und auch wenn die Spanier das Spiel nicht gewinnen konnten - in ihren Augen überwog, dass sie die Krise rund um Lopetegui besser weggesteckt hatten, als sie vermuten konnten. "Diese Mannschaft hat Gesicht gezeigt. Und sehr gut Fußball gespielt", sagte Piqué.

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