Süddeutsche Zeitung

Real Madrid:Ronaldo löst ein Beben aus

  • Real Madrid gewinnt zum dritten Mal hintereinander die Champions League - doch in der Stunde des Triumphs sorgt Cristiano Ronaldo mit wenigen Worten für Aufsehen.
  • In den Katakomben des Olympiastadions von Kiew spielen sich nach dem Finale Szenen ab, die sich am Rande des Tumults bewegen.
  • Auch Fallrückzieher-Torschütze Gareth Bale denkt an einen Abschied.

Von Javier Cáceres, Kiew

Es ist nicht so schwer, Cristiano Ronaldo zu reizen. Man muss nur den richtigen Moment abpassen. Momente wie am Samstag zum Beispiel, als er nach dem 3:1-Champions-League-Finalsieg von Real Madrid gegen den FC Liverpool wusste, dass alle ihm die Show gestohlen hatten.

Liverpools Mohamed Salah mit seinen Tränen über die Schulterverletzung, wegen der er nach knapp einer halben Stunde ausgewechselt werden musste. Liverpools Torwart Loris Karius mit seinen Fehlern, die zwei Tore Real Madrids heraufbeschworen. Und erst recht Gareth Bale, der eigene Teamkollege, der nur wenige Minuten nach seiner Einwechslung per Fallrückzieher spektakulär zum 2:1 traf und damit eine Art Gotteslästerung beging. Weil nun debattiert wird, ob Bales artistische Einlage nicht schöner, entscheidender und epochaler war als jener Fallrückzieher, der Ronaldo im Hinspiel des Viertelfinales bei Juventus Turin gelungen war.

Real Madrid hatte Bedeutendes geleistet, war gegen den FC Liverpool zur ersten Mannschaft seit den Bayern der Siebzigerjahre geworden, die den Henkeltopf wieder drei Mal in Serie in Besitz bringen konnte. Das war die Geschichte dieser Nacht von Kiew, dachte man zunächst. Oder es sei jene von der Verdichtung einer kompletten Saison in einem singulären Finalspiel. Denn gegen Liverpool profitierte Real von den Karius-Patzern in ähnlicher Weise, wie es vom Fehltritt des Bayern-Torwarts Sven Ulreich im Halbfinale in Madrid profitiert hatte. Das verletzungsbedingte Ausscheiden von Mohamed Salah, welches das Duell früh entschied, erinnerte an die Ausfälle von Neymar (Paris Saint-Germain) und Arjen Robben (FC Bayern) im Vergleich mit dem Champion. Stoff also gab es genug. Doch dann trat Ronaldo vor die Mikrofone. Und löste mit wenigen Worten ein Beben aus.

Ronaldo empfiehlt eine Umbenennung in CR7-Champions-League

Ob Real nicht ein Projekt sei, dass es weiterzuverfolgen gelte, fragte ein Reporter in der Erwartung, ein reales Bekenntnis zu erhalten. Doch Ronaldo antwortete in der Vergangenheitsform: "Es war sehr schön, bei Real gewesen zu sein ..." Ob das sein Abschied sei? "In den nächsten Tagen werde ich den Fans eine Antwort geben, die wirklich immer an meiner Seite waren. Jetzt gilt es zu genießen." Doch dass ihm der Sinn danach stand, darf bezweifelt werden. Vielmehr wirkte er so, als hadere er noch immer mit jenem Flitzer, der kurz vor Ende der Partie in den Strafraum lief, als er zum Schuss ansetzen wollte, und der ihn so um ein mögliches Finaltor brachte.

Ob er verärgert sei, weil er, anders als Karim Benzema (51.) und Gareth Bale (64. und 83. Minute) kein Tor erzielen konnte, wollte eine Reporterin wissen. Wieder war Ronaldo ganz er selbst, die Egozentrik in Reinform: "Wer hat denn die meisten Tore in diesem Wettbewerb erzielt?" - "Du, Ronaldo, 15 Tore", huldigte die Reporterin. "Vielleicht sollte die Champions League umbenannt werden, in CR7-Champions-League. Fünf Champions-League-Siege! Wieder Torschützenkönig! Und ich soll sauer sein? Oder neidisch? Auf wen?" CR7 ist sein Markenzeichen, sein Kürzel, erst die Initialen, dann die Rückennummer.

In den Katakomben des Olympiastadions spielten sich hernach Szenen ab, die sich am Rande des Tumults bewegten. Ein Reporter des spanischen Senders Onda Cero versuchte, Ronaldos Manager Jorge Mendes zu vernehmen, es endete in einem Geschrei, das live über den Sender ging, weil Mendes nicht reden wollte. "Freu dich über den Champions-League-Sieg; Cristiano ist, war und wird immer der beste Spieler der Welt sein!", wetterte Mendes; einer seiner Begleiter schickte den Reporter auf Englisch ("Fuck off!") zum Teufel.

Auch Vereinspräsident Florentino Pérez hatte keine Lust, über Ronaldo zu reden. "Wichtig ist der Klub, und dass wir heute einen Champions-League-Sieg feiern", sagte er. Und überhaupt: "Ronaldo besitzt einen (bis 2021) laufenden Vertrag."

Aus der Real-Kabine erfuhr wiederum das Sportblatt Marca, dass Ronaldo von Schwergewichten des Kaders zurechtgewiesen wurde, es gehe nicht an, in der Stunde des Erfolgs mit Zukunftsplänen zu kokettieren. "Ronaldo muss seine Worte erklären", sagte Sergio Ramos, der Kapitän, als noch nicht herum war, dass es auch an anderer Front brannte: Der Mann des Spiels, Gareth Bale, fasst ebenfalls seinen Abschied ins Auge. Er sei sauer gewesen, dass er nicht in der Startelf stand, erklärte der Waliser: "Ich hatte es verdient." Und schob nach, dass er im Sommer mit seinem Agenten reden werde. Er brauche mehr Spielzeit als zuletzt bei Real.

"Immer wird geredet, und dann passiert nichts", maulte Klubboss Pérez. Doch wer weiß: Die möglichen Abschiede der für jeweils rund 100 Millionen Euro eingekauften Ronaldo und Bale, die amortisiert sind, könnten ihm wunderbar in den Plan passen. Das Verhältnis zu Ronaldo ist faktisch inexistent, Ronaldo selbst berichtete, dass er "mit dem Präsidenten nichts zu reden" habe. "Ich grüße ihn und spreche mit ihm, wie es sich für einen Profi gehört", sagte der Portugiese, nachdem er aus der Kabine kam.

Ein Verkauf von Bale und Ronaldo würde die Klubkasse so prallvoll werden lassen, dass der jüngste Traum des Präsidenten nicht mehr unmöglich zu sein scheint: Neymar Jr. zu verpflichten. Im Sommer 2017 war der Brasilianer für 222 Millionen Euro vom FC Barcelona nach Paris gewechselt, nun dürfte er teurer werden. Mit Neymar hat Pérez schon öffentlich geflirtet - zum Unmut Ronaldos, der wiederum eifersüchtig beäugt, dass Spieler wie Lionel Messi oder Neymar knapp 50 Millionen Euro netto und damit mehr als doppelt so viel verdienen wie er selbst.

Zidane will Ronaldo und Bale halten - ohne Wenn und Aber

Gleichwohl versicherte Ronaldo natürlich: "Es geht nicht ums Geld." Auch seine Steueraffäre, deretwegen ihm eine Gefängnisstrafe und einen zweistellige Millionen-Euro-Buße drohen, spiele keine Rolle. Das sagte er, nachdem ihm tatsächlich jemand ins Gewissen geredet haben musste. Denn Ronaldo sagte auch: "Vielleicht war das Timing nicht perfekt. Aber wenn du aufrichtig bist und ein Herz hast wie ich ..."

Daran, dass zumindest Trainer Zinédine Zidane Ronaldo halten will, besteht kein Zweifel. "Er muss hierbleiben", sagte der Franzose, das Gleiche gelte für Bale. Ohne Wenn und Aber. Linksverteidiger Marcelo gab zu bedenken, dass Ronaldo es nirgends besser haben könne als in Madrid, wo er mit dem legendären Francisco Gento gleichziehen könne - Gento stemmte von 1956 bis 1966 sechs Henkelpötte in die Luft, alle gewonnen mit Real Madrid.

Wohl wahr, sagte Ronaldo: "Aber Ruhm ist nicht alles." Dann ließ er sich feiern.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3992926
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.05.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.