Primoz Roglic beim Giro d'Italia:Telemark auf dem Podium

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Primoz Roglic aus Slowenien vom Team Jumbo freut sich über seinen Etappensieg. (Foto: dpa)

Ein ehemaliger Skispringer, der eine große Rad-Rundfahrt gewinnt? Der Slowene Primoz Roglic steht vor einem ungewöhnlichen Erfolg.

Von Johannes Knuth

Sein erstes Radrennen, hat Primoz Roglic einmal erzählt, war eine chaotische Sache. Er war so nervös, dass seine Hände die ganze Zeit den Lenker umklammerten, im Ziel stellte er fest, dass er seine Trinkvorräte nicht ein einziges Mal angerührt hatte. Aber Roglic war begeistert. Er hatte seine Passion gefunden.

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Es gab damals nur ein klitzekleines Problem: Der Slowene hatte bereits eine Karriere als Skispringer hinter sich, er war 2007 Weltmeister im Team mit den Junioren geworden, dann bei einem Sprung auf der riesigen Flugschanze in Planica verunfallt. Irgendwann hatte er die kalten, dunklen Winter satt. Doch bei seinem ersten Radrennen war er bereits 22, viel zu alt für einen Berufswechsel im Spitzensport, das war zumindest die Lehrmeinung.

Erste Erfolge und eine Hospitanz bei einem kleinen slowenischen Team vertrieben die Bedenken, auch wenn Roglic wohl nie gedacht hätte, dass er einmal in dieser besonderen Rolle stecken würde: Der 102. Giro d'Italia geht ab diesem Donnerstag in die entscheidende Phase, und Roglic, der jetzt nicht mehr die Berge hinabfliegt, sondern vor allem hinaufklettert, könnte am Ende in der Gesamtwertung ganz vorne landen.

Umschulender mit Allrounder-Fähigkeiten: Primoz Roglic auf dem Weg nach San Marino, wo er das diesjährige Giro-Zeitfahren gewann. (Foto: Luk Benies/AFP)

Die ersten Hochrechnungen meinen es jedenfalls gut mit dem 29-Jährigen aus Trbovlje, 1,77 Meter groß, 65 Kilogramm leicht, ideales Rundfahrergewicht. Er gewann zum Auftakt das Zeitfahren in Bologna, legte das Rosa Trikot des Führenden schon mal für ein paar Etappen an, bevor er es an den Italiener Valerio Conti abtrat, der in den Bergen aber keine Rolle spielen dürfte.

Roglics stärkster Auftritt kam dann beim Einzelzeitfahren am Sonntag hinauf nach San Marino, wo seine beide großen Qualitäten zu einer sehr großen verschmolzen: das Klettern und der Kampf gegen die Uhr. Er gewann knapp vor Victor Campenaerts, dem neuen Stunden-Weltrekordhalter aus Belgien, und weit vor allen Konkurrenten, die in der Gesamtwertung jetzt erst mal eine ordentliche Hypothek arbeiten müssen: Vincenzo Nibali natürlich, die große Hoffnung der Gastgeber (1:44 Minuten zurück), der Niederländer Bauke Mollema (1:55), der Brite Simon Yates (3:46), der im Vorjahr noch so wehrhaft aufgetreten war.

Ein ehemaliger Skispringer, der eine der großen Landesrundfahrten gewinnt, das wäre jedenfalls die stärkste Pointe in einer ohnehin außergewöhnlichen Vita. Roglic stieß vor vier Jahren zur niederländischen Lotto-Visma-Equipe, 2016 gewann er beim Giro bereits ein Zeitfahren. Ein Jahr später: Sieg bei einer der fiesesten Bergprüfungen der damaligen Tour de France, es ging über den Croix de Fer, den Col de Télégraph und den 2600 Meter hohen Galibier.

Der Premierminister gratulierte mit einer handgemalten Skizze (auf der "Rogla" einem gewissen Christopher "Froom" davonfuhr). Im Vorjahr gewann Roglic dann schon die Baskenland-Rundfahrt, die Tour de Romandie und eine weitere Tour-Etappe, in diesem Jahr reüssierte er noch einmal in der Romandie und bei Tirreno-Adriatico. Seine Karriere sei so schnell verlaufen, sagte Roglic schon vor zwei Jahren bei der Tour, da habe er sich kaum Gedanken darüber machen können, was alles hätte schiefgehen können. Und überhaupt: Er habe schon immer in allem gut sein wollen, was er mache, daher kämen wohl seine Allrounder-Fähigkeiten.

Es war jedenfalls schon damals beachtlich, wie Roglic all die Aufregung an sich abperlen ließ - was keine schlechte Idee sein muss in einem Sport, der seine Protagonisten oft in die Verzweiflung treibt. Die einzige Extravaganz, die er sich gönnt, ist der Telemark, mit dem er gerne mal auf dem Siegerpodium landet. Ansonsten wirkt er fast gleichgültig, als sei er eine Maschine, die stets im Ruhezustand verharrt. Als er vor einem Jahr bei der Tour im letzten Zeitfahren Platz drei im Klassement an Froome verlor, saß er vor dem Teambus und zuckte mit den Schultern.

Als französische Reporter vor Jahren vermuteten, Roglic habe in seinem Rad einen Motor versteckt, sagte der Beschuldigte trocken: "Bullshit." Und als ihn Reporter zuletzt beim Giro fragten, warum er eigentlich nie lächele, da lächelte Roglic und sagte: "Vielleicht wirkt das im Rennen so. Aber sonst lächele ich schon. Ich versuche bloß, mich auf den Moment zu konzentrieren. Jetzt denke ich an eure Fragen, morgen denke ich ans Rennen."

Man muss ihm also keine niederen Motive unterstellen, wenn Roglic zuletzt beteuerte, dass der Giro gerade erst richtig beginne, dass er von Tag zu Tag denke, solche Sachen. Tatsächlich bestreitet der 29-Jährige erst seine vierte große Rundfahrt, und Roglic wäre nicht der Erste, der sich nach einem starken Auftakt in den Bergen in Problemen verstrickt. Auf vielen der kommenden Gebirgsetappen stapelte sich zuletzt auch noch immer meterhoch der Schnee neben den Straßen, die Königsetappe am kommenden Dienstag ist weiter gefährdet.

Wobei Roglic sich mit hochalpinen Bedingungen ja durchaus auskennt - aus seinem ersten, mittlerweile sehr fernen Sportlerleben.

© SZ vom 23.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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