Roger Schmidt bei Benfica Lissabon:Über Umwege zum Erfolgscoach

Roger Schmidt bei Benfica Lissabon: "Mentaler Schock" mit positiver Wirkung: Roger Schmidt vermittelte der Mannschaft seinen stürmischen Stil.

"Mentaler Schock" mit positiver Wirkung: Roger Schmidt vermittelte der Mannschaft seinen stürmischen Stil.

(Foto: Carlos Costa/AFP)

Seit fünf Monaten unbesiegt, besser als Paris Saint-Germain in der Champions League: Der frühere Bundesligatrainer Roger Schmidt hat bei Benfica spektakulären Erfolg. Angeblich haben nun europäische Großklubs Interesse.

Von Philipp Selldorf

Was in Spanien "El Clásico" genannt wird - die Begegnung zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona -, das heißt in Portugal "O Clássico" und betitelt das Duell des FC Porto mit Benfica Lissabon. Mit delikaten Spielen dieser Art hatte Roger Schmidt im Laufe seines Fußball-Lebens zwar schon einige Erfahrungen gesammelt, bevor er neulich mit Benfica im Drachenstadion in Porto vorstellig wurde - allerdings durfte er feststellen, dass der portugiesische Nationalklassiker mit einem Ostwestfalenderby zwischen dem SC Paderborn und Arminia Bielefeld schwerlich zu vergleichen ist. Äußerst hitzig ging es zu, bis das Team aus der Hauptstadt seinen 1:0-Sieg davontragen durfte. Der Schiedsrichter verteilte ein Dutzend Gelbe Karten und verhängte Platzverweise für Portos Eustáquio sowie - nach Spielschluss - den Coach Sergio Conceicao.

Der Einzige, der laut den bewundernden Erzählungen eines führenden Benfica-Mitarbeiters cool blieb, als sich die zweifelhaften Entscheidungen des Referees häuften, war Benficas deutscher Trainer.

Dieser Trainer ist zwar derselbe Trainer, der vor ein paar Jahren landesweit Aufsehen erregte, als er sich trotzig weigerte, dem Feldverweis des Schiedsrichters Folge zu leisten, doch Roger Schmidt ist heutzutage nicht mehr der konfrontative Mensch, der er Anfang 2016 im Dienst von Bayer Leverkusen war. Als er den Verein ein Jahr darauf verlassen musste, hatte er in der Öffentlichkeit wegen seiner störrischen Art nicht den besten Ruf, nur Rudi Völler ließ niemals etwas Schlechtes auf ihn kommen.

Um die Bundesliga und das Fußballtheater in der Heimat hat der im sauerländischen Kierspe geborene Schmidt seit dem Aus in Leverkusen einen auffallenden Bogen gemacht. Erst ging er nach China, dann in die Niederlande, schließlich nach Portugal. Leute aus dem Fußballgeschäft sagen, er habe die diversen Angebote aus der Bundesliga vor allem deshalb abgelehnt, weil er Abstand vom Rummel der Liga hierzulande halten wolle.

Nun ist Schmidt, 55, wieder groß im Gespräch, nicht nur in Portugal, wo er mit spektakulärem Erfolg arbeitet, und in Deutschland, wo er naturgemäß Beachtung findet, sondern auf dem ganzen Fußball-Kontinent. Mit Benfica ist er im fünften Monat unbesiegt, 22 Spiele hat er seit der Übernahme der Mannschaft im Sommer bestritten, 19 Siege und drei Remis sind dabei herausgekommen, eines in der heimischen Liga, zwei gegen Paris Saint-Germain in der Champions League. Beim 6:1-Sieg in Haifa am Mittwochabend gelang ihm und seinem Team im letzten Moment der Gruppensieg - und der Nachweis, dass es die Auswärtstorregel trotz vermeintlicher Abschaffung immer noch gibt: Benfica ließ PSG in der Tabelle hinter sich, weil es auswärts zwei Tore mehr erzielt hatte. A Bola rief daraufhin die nächste "epische Nacht" aus, Record, ein anderes portugiesisches Fachmagazin, teilte mit: "Der Adler liefert ein weiteres Fußball-Festival." Der Adler ist Benficas Wappentier.

Die Bilanz sei das Ergebnis von "100 Prozent Schmidt", sagt ein führender Vereinsangehöriger

Während Schmidt auf Englisch in salbungsvollen Worten seine Mannschaft lobte ("Wenn man sechs Runden auf diesem Niveau spielt, hat man es verdient, die Gruppe zu gewinnen"), befand der Lissaboner Altstar Antonio Pacheco, der deutsche Lehrmeister habe der Adler-Elf durch die Vermittlung seines stürmischen Stils "einen mentalen Schock versetzt".

Im Klub ist man selbstredend froh und glücklich über die Entwicklung, die mit dem Engagement des bereits im Frühling engagierten Schmidt einhergeht. Die Bilanz sei das Ergebnis von "100 Prozent Schmidt", sagt ein führender Vereinsangehöriger, "wir sind alle total begeistert." Zugleich ist man aber auch ein bisschen alarmiert in Lissabon, denn angeblich sind längst ausländische Großklubs auf Roger Schmidt aufmerksam geworden.

Die portugiesische Liga hat zwar ihr kollektives Niveau gesteigert, was während der Vorrunde der Champions League eindeutig bezeugt wurde - außer Benfica hat auch der FC Porto als Gruppensieger abgeschlossen -, zugleich ist sie aber nach wie vor eine Exportliga. Allein in England sind 24 Portugiesen beschäftigt, gerade Benfica lebt vom Handel. Der Verkauf von Darwin Nunez an den FC Liverpool brachte im Sommer mehr als 80 Millionen Euro ein. Dass Schmidt beim erstbesten Multimillionen-Angebot aus der Premier League schwach wird, darf dennoch als ausgeschlossen gelten. Schon beim PSV Eindhoven hat er sich in solchen Fällen als Ehrenmann erwiesen.

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