Roger Federer:Noch ein Meilenstein

Mit einem beeindruckenden Finalsieg über Stefanos Tsitsipas knackt Roger Federer beim Turnier in Dubai als zweiter Spieler in der Geschichte die 100-Siege-Marke und bleibt danach so wie immer: überaus bescheiden.

Von René Stauffer, Dubai/Zürich

Plötzlich ging alles schnell. Das Finale von Dubai hatte im zweiten Satz sein höchstes Niveau und die größte Spannung erreicht, bis zum 4:4 war alles ausgeglichen. Dann führte Stefanos Tsitsipas 30:0, musste einen Winner hinnehmen - und produzierte drei Fehler in Folge. Roger Federer breakte zum 6:4, 5:4 und durfte zum 100. Turniersieg aufschlagen. Er wäre nicht der Champion, der er ist, würde er sich solche Chancen entgehen lassen. Vier Punkte später war es so weit, er hatte seinen nächsten Meilenstein geschafft - 6:4, 6:4 nach nur 69 Minuten und seiner klar besten Leistung des Turniers.

Federer ist der zweite Spieler der 1968 begonnenen Profiära, der eine dreistellige Zahl von Turniersiegen aufweist, nach dem Amerikaner Jimmy Connors (109). Zwar sagt man Rod Laver 200 Turniersiege und Roy Emerson 110 nach, offiziell sind diese Zahlen aber nicht. Natürlich wird Federer schon im ersten Interview, noch während der Siegerehrung, gefragt, ob es nun sein Ziel sei, zehn weitere Turniere zu gewinnen.

Er winkt sogleich ab. "Für mich wird mit dem 100. Titel ein Traum wahr", sagt er. "Und ich weiß, dass wir in einer Zeit leben, in der jeder Rekord gebrochen werden muss. Aber nicht für mich. Ich bin froh, gesund zu sein, ein gutes Team zu haben, und es ist wunderbar, solche Momente zu erleben."

Roger Federer: Großer Spieler, große Zahl: Roger Federer gewinnt in Dubai sein 100. Turnier.

Großer Spieler, große Zahl: Roger Federer gewinnt in Dubai sein 100. Turnier.

(Foto: Karim Sahib/AFP)

In seiner Trainingsbasis Dubai - wo acht Tage zuvor die Schweizerin Belinda Bencic als Siegerin gefeiert worden war - bot sich ihm die vierte und größte Chance, die 100 zu erreichen. Das Turnier war weniger stark besetzt als üblich - und hätte er diese Möglichkeit nicht gepackt, hätte ihn das Thema möglicherweise noch lange verfolgt, angesichts der folgenden schwierigen Masters-Turniere in Indian Wells, Miami und auf Sand in Madrid.

Je mehr auf dem Spiel steht, desto stärker wird er

Wie seinen 99. Titel in Basel errang der im August 38-Jährige, der sich damit in der Weltrangliste von Rang 7 auf 4 verbessert, auch den Jubiläumstitel nach einem schwachen Start und einem Steigerungslauf. Er demonstrierte dabei jene Qualität, ohne die er nie in diesen Bereich vorgestoßen wäre - die Fähigkeit, sich im Verlauf eines Turniers zu steigern und in den wichtigsten Momenten seine stärkste Leistung abrufen zu können, wenn viele andere nervös werden. Diese Wettkampfstärke und Winnermentalität hatten ihn schon als Junior ausgezeichnet.

Federer hatte die Woche ziemlich fehlerhaft begonnen - und war am Ende trotzdem viel frischer als der Kroate Borna Coric, gegen den er zuletzt zweimal verloren hatte, im Halbfinale und schließlich Tsitsipas im Endspiel. Der 20-Jährige, der am Montag als erster Grieche in den Top 10 auftauchen wird, war auf dem Weg in das Finale 8,6 Kilometer unterwegs gewesen, Federer 2,3 Kilometer weniger. Und schon im ersten Spiel gelang ihm sein erstes Break überhaupt gegen Tsitsipas, gegen den er bei den Australian Open in vier Sätzen und wenig zwingend verloren hatte und den er kurz zuvor beim Hopman-Cup 7:6, 7:6 bezwungen hatte.

Tsitsipas erinnerte an der Siegerehrung daran, dass Federer seit seinem sechsten Altersjahr sein Idol war. "Es ist eine Ehre, gegen ihn zu spielen. Ich weiß noch gut, wie glücklich ich war, als ich ihn zum ersten Mal spielen sah." Sich vorzustellen, 100 Turniere zu gewinnen, sei absurd. "Ich weiß nicht, wie er das geschafft hat. Er hat Tennisgeschichte geschrieben."

Federers 100 Turniersiege sind - wie seine 20 Grand-Slam-Titel und seine 310 Wochen an der Spitze der Weltrangliste - Marken, die in der Tennisgeschichte unübersehbar bleiben werden und ihn als Ausnahmekönner, als Lichtfigur seiner Sportart auszeichnen. Ihnen gemeinsam ist die Tatsache, dass er selbst sie nie für möglich gehalten hatte. Sie sind das Nebenprodukt seiner Leidenschaft, seiner Professionalität und kompromisslosen Suche nach der Perfektion.

Dabei hielt ausgerechnet in Dubai einst ein Turnierdirektor nach einer frühen Niederlage Federers Preisgeld zurück mit dem Vorwurf, er habe nicht alles gegeben. Doch der Irrtum ist lange her. 17 Jahre, um genau zu sein.

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