Roger Federer:Ein Abend, der doppelt schmerzt

Roger Federer: Roger Federer.

Roger Federer.

(Foto: Dominick Reuter/AFP)

Der Schweitzer scheitert erneut im Viertelfinale der US Open.

Von Jürgen Schmieder, New York

Haniff Habiboodean erledigt seine Arbeit gewissenhaft. Es ist kurz vor Mitternacht, und natürlich hört er diesen Lärm aus der größten Tennisarena der Welt. Er weiß, dass dort gerade etwas Ungeheuerliches passieren muss - doch was soll er tun? Er muss die Plätze 13, 14 und 17 bewässern, wie jede Nacht, also stapft er mit einer Schlauchgabel über Court 13 und versucht anhand der Geräusche zu erahnen, was sich da drüben im Arthur Ashe Stadium ereignen könnte. Als er mit diesem Platz fertig ist, ist auch die Partie beendet: Roger Federer hat verloren, in fünf Sätzen gegen Grigor Dimitrov.

"Ich habe am Nachmittag schon was gespürt", sagte Federer danach. Er hatte tatsächlich nicht so grazil gewirkt wie sonst, zu Beginn des fünften Satzes nahm er eine medizinische Auszeit - spätestens jetzt war klar: Irgendwas stimmte nicht. Der obere Rücken zwickte, und im Verlauf der Partie wurden die Schmerzen schlimmer: "Ich habe versucht, die Muskulatur ein wenig zu lockern und die Wirbel knacken zu lassen. Ich habe es probiert, es war auch nicht so schlimm, dass ich hätte aufgeben müssen. Grigor hat mich besiegt, es ist sein Moment und nicht der meines Körpers."

Viel mehr wollte er nicht sagen. Es war ihm deutlich anzumerken, wie sehr ihn dieses Scheitern bei den US Open schmerzt. Die Titel bei den vier Turnieren in Melbourne, Paris, London und New York sind die allgemein akzeptierte Maßeinheit für Großartigkeit, und derzeit führt Federer bei den Männern mit 20 Grand-Slam-Siegen vor den ebenfalls noch aktiven Rafael Nadal (18) und Novak Djokovic (16).

Es geht also ums sportliche Vermächtnis, um eine objektive Einheit bei der Debatte über den besten Tennisspieler der Geschichte, und es ist freilich auch ein Wettlauf gegen die Zeit. Federer ist 38 Jahre alt. Nadal ist fünf Jahre jünger und betont bei jeder sich bietenden Gelegenheit, man möge doch bitte erst zählen, wenn die Laufbahnen vorbei sind. Djokovic, der sein Achtelfinale gegen Stan Wawrinka mit lädierter Schulter hatte aufgeben müssen, ist 31 Jahre alt und betont auch bei sich nicht bietenden Gelegenheiten, dass er Federer unbedingt einholen wolle.

"Vater Zeit ist unbesiegt" sagen die Amerikaner, wenn sie ausdrücken wollen, dass die Karrieren von Sportlern nun mal nicht ewig dauern.

Federer bemerkt gerade, dass ihm nicht mehr besonders viele Gelegenheiten bleiben, seinen Vorsprung auszubauen. Nur: Bei den US Open war Federer zuletzt 2015 im Finale, im vergangenen Jahr verlor er im Achtelfinale gegen John Millman aus Australien, weil er in der schwülen Hitze von New York keine Luft bekam.

Nun hat Federer verloren gegen einen, der lange als sein Nachfolger gehandelt worden ist, der nach Rückschlägen und Verletzungen ("Ich war derart traurig, dass ich mich gar nicht erinnern will") auf Platz 78 der Weltrangliste geführt wird. Dimitrovs Halbfinal-Gegner ist Daniil Medwedew aus Russland.

"Ich habe keine Kristallkugel", sagte Federer auf die Frage, ob er noch einmal ein Grand-Slam-Finale erreichen könne: "Man muss solche Niederlagen hinnehmen, sie gehören zum Sport dazu. Ich freue mich jetzt auf Zeit mit der Familie und all diese Sachen. Das Leben ist gut." Als Federer die Anlage in Flushing Meadows durch den Spielergarten verließ, betrat Haniff Habiboodean gerade Court 17. Noch einen Platz bewässern, danach mit den Kollegen die Spuren der Federer-Partie im Ashe Stadium beseitigen. Dann hatte auch er Feierabend.

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