Roger Federer beim ATP-Finale:Im besten Alter zurück zur Nummer eins

ATP World Tour Finals

Hat viel vor in London: Roger Federer

(Foto: dpa)

Die Leichtigkeit ist zurück: Roger Federer geht als härtester Konkurrent von Novak Djokovic ins ATP-Finale in London. Er könnte der älteste Weltranglistenerste der Tenniswelt werden.

Von Matthias Schmid

Im James-Bond-Streifen "Die Welt ist nicht genug" kommt es auf der Themse zu einer wilden Verfolgungsjagd, herrlich über­höht und überdreht. Alle Gesetze der Plau­si­bi­lität werden über Bord geworfen. Wenn 007 alias Pierce Brosnan ein Boot braucht, mitten im MI6-Haupt­quar­tier, dann steht da eines - und zwar so, dass er damit gleich durch die Wand auf die Themse springen kann. Ganz so spektakulär war die Fahrt von Roger Federer nicht, aber das Boot wackelte trotzdem bedrohlich, als er auf Sightseeing-Tour filmend unter der Tower Bridge hindurchfährt. Hier lässt der Schweizer Tennisspieler seine Fans noch mal mitfahren:

Der Weltranglistenzweite hält sich schon seit einigen Tagen in London auf, er liebt die Stadt. Aber allein zum Sightseeing ist er nicht auf die Insel gekommen, wo er einst in Wimbledon seinen ersten von insgesamt 17 Grand-Slam-Titeln gewinnen konnte. Federer hat viel vor beim ATP-Finale. Wenn alles so läuft, wie er sich das vorstellt, dann kann er seine ohnehin schon imposante Geschichte mit zwei weiteren Rekorden fortschreiben.

Federer kann zum einen als erster Tennisspieler zum siebten Mal das Finalturnier der besten acht Profis gewinnen. Und zum anderen kann er das Tennisjahr als Weltranglistenerster beschließen - mit 33 Jahren und ein paar Monaten wäre er der älteste Spieler, dem das gelingen könnte. "Sehr speziell" sei das, findet Federer, wenn er von Novak Djokovic doch noch den ersten Platz am Jahresende übernehmen würde.

"Ein Turnier zu gewinnen, ist ein Ding von ein, zwei Wochen", sagt Federer, "aber wieder die Nummer eins zu werden, wäre ein ziemlich gewaltiger Schritt." Seine erste Partie gegen Milos Raonic gewann er mühelos, am Dienstag (15 Uhr) trifft er nun auf den Japaner Kei Nishikori.

Es gibt eine Menge Konkurrenten, die ihm die Rückkehr auf Position eins zutrauen. "Wenn einer dieses Pensum bewältigen kann, dann er", sagt beispielsweise der verletzte Rafael Nadal. Federer spielt mit 33 Jahren vielleicht so gut wie nie zuvor in seiner Karriere. Mit Stefan Edberg als Trainer hat sein Spiel noch mal an Aggressivität und Vielfalt gewonnen, er schließt viele Ballwechsel vorne am Netz mit einem Flugball ab und streut hin und wieder sogar Serve-and-Volley ein, ein Spielzug, mit dem Edberg das weltweite Tennis in den Achtziger Jahren geprägt hatte.

In der vergangenen Saison hatte Federer sich im letzten Moment noch für das Saisonfinale qualifiziert, das Publikum empfing ihn wie einen alternden Künstler, mit viel Goodwill und warmen Applaus, weil man ja nicht weiß, wie lange er noch auf der Bühne stehen wird. An seine Abschiedsvorstellung denkt in diesem Jahr aber niemand mehr: Federer, der fünf Turniere gewann und zehn Mal im Finale stand, kehrt als härtester Kontrahent von Djokovic zurück.

Mit der Fitness kehrt die Leichtigkeit zurück

"Er kann noch vier Jahre auf dem Niveau spielen", bekannte der frühere Weltranglistenerste Mats Wilander. Anders als im vergangenen Jahr, als sich Federer, von Rückenproblemen geplagt, über die Plätze geschleppt hat, wirkt er in diesem Jahr wieder leichtfüßig. Mit der Fitness kehrten auch seine Leichtigkeit und seine Stabilität zurück. Niemand gewann mehr Spiele als Federer, ein Grand-Slam-Titel blieb ihm trotzdem verwehrt. In Wimbledon unterlag er Djokovic in fünf Sätzen.

Dass er ihn trotzdem ablösen kann als Nummer eins, liegt an der besonderen Arithmetik der Weltrangliste, in der die Profis ihre Erfolge aus dem Vorjahr bestätigen müssen, um im Ranking nicht zurückzufallen.

Gewinnt Federer das ATP-Finale und Djokovic kommt nicht über das Halbfinale hinaus, dann kann er abermals die Weltangliste anführen; er würde dann in seine 303. Woche gehen. "Federer war 2014 ein besserer Spieler als 2013", sagt der Australier Darren Cahill, "und das mit 33 zu erreichen, dazu braucht es einiges. Ich ziehe den Hut vor ihm." Cahill kennt sich mit Spielern jenseits der 30 gut aus. Er hatte als Trainer Andre Agassi einst zur ältesten Nummer eins seit der Einführung der Weltrangliste gemacht. Der Amerikaner hatte damals gerade seinen 33. Geburtstag gefeiert.

Nächster Höhepunkt ist das Davis-Cup-Finale

Roger Federer könnte also kaum in einem besseren Alter sein. Und nach dem ATP-Finale folgt schon der nächste Höhepunkt: Mit der Schweiz könnte er gegen Frankreich erstmals den Davis Cup gewinnen. Laut einer britischen Studie ist ein Mensch nie glücklicher und stabiler als mit 33, denn in diesem Alter habe der Mensch seine Balance gefunden, heißt es. Ob das auch auf Roger Federer zutrifft, kann natürlich nur er beantworten.

Fest steht in jedem Fall, dass er auf und abseits des Platzes einen lockeren, glücklichen Eindruck macht. Vielleicht darf Federer nach seiner Karriere mal in die Rolle von James Bond schlüpfen. Eine gute Figur bei Verfolgungsjagden würde er ganz bestimmt machen.

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