Rennrodeln:"Wir haben bewiesen, dass wir's können"

Rennrodeln: Pionierinnen im Eiskanal: Caitlin Nash (links) und Natalie Corless aus Kanada setzen auf eine Karriere im neuen Frauen-Doppelsitzer.

Pionierinnen im Eiskanal: Caitlin Nash (links) und Natalie Corless aus Kanada setzen auf eine Karriere im neuen Frauen-Doppelsitzer.

(Foto: Jonathan Hayward/AP)
  • Am Wochenende wagte erstmals ein Frauen-Doppel den Start beim Weltcup der Doppelsitzer.
  • Die Kanadierinnen Natalie Corless und Caitlin Nash sind erst 16 Jahre alt - und könnten die neuen Stars in einer Disziplin werden, die gerade erst am entstehen ist.

Von Volker Kreisl

Doppelsitzer, da steht der Artikel der davor, der Doppelsitzer ist klar männlich. Andererseits ist es auch nur ein Wort, dessen Bedeutung weiter gefasst sein kann. Tatsächlich ist die Rodel-Kategorie Doppelsitzer keineswegs auf Männer begrenzt. Die Regeln lassen im selben Rennen theoretisch auch Frauen-Doppel in den Eiskanal, gerne auch ein Mixed-Team. Warum nur weiß das kaum einer?

Der Grund liegt natürlich darin, dass Doppelsitzer-Eliterennen seit Jahrzehnten ausschließlich von Männern bestritten werden, weil in der Realität weder Frauen noch Mixed-Duos eine Chance haben gegen die am Start schneller schiebenden und in der Spur erfahreneren Männer. Normalerweise verspüren Rodlerinnen keine Lust darauf, sicher Letzte zu werden. Bis vergangenen Samstag war das so, dann gingen die Kanadierinnen Natalie Corless und Caitlin Nash beim Weltcup in Whistler/Kanada in die Spur. Sie wurden Vorletzte vor einem gestürzten Männerschlitten, aber das war egal, denn ihr Auftritt war so oder so ein großer Erfolg.

Corless/Nash kamen beim Doppel-Doppelsieg der herrschenden deutschen Duos Sascha Benecken/Toni Eggert und Tobias Wendl/Tobias Arlt nur auf Platz 22. Dafür gelten sie nun als Pionierinnen. Als Erste, die sich getraut haben, in einem Weltcuprennen mitzumachen, auf jener Bahn in Whistler, die zwar nach Entschärfungen nicht mehr brandgefährlich ist, aber immer noch anspruchsvoll. "Wir haben bewiesen, dass wir's können" sagte Nash. Von etlichen TV-Sendern wurden die beiden interviewt und erzählten dabei von weiteren Plänen, von dem kleinen Doppelsitzerinnen-Milieu, das es bereits gibt, und auch, dass sie selbst erst 16 Jahre alt sind.

In zwei Jahren bekommt das Frauendoppel eine eigene Serie, 2026 soll es olympisch werden

So jung sind noch die meisten Duett-Rodlerinnen, denn die neue Disziplin wird erst seit zirka drei Jahren angeschoben. Seit das IOC für seine Olympischen Spiele auf mehr Gleichberechtigung für die Geschlechter setzt, fallen reine Männer-Disziplinen auf, besonders dann, wenn es keine sachlichen Gründe gibt, Frauen auszuschließen. Josef Fendt, der Präsident des Internationalen Rodelverbandes FIL, sagt am Telefon, in der Szene habe lange halt niemand nach Frauen-Doppelsitzern verlangt, "das war kein Thema". Klar, es gab ja auch keine Wettkämpfe und somit keine Perspektiven. Nun hat sich das geändert, und die FIL hat reagiert: Ab übernächster Saison soll es eine eigene internationale Frauendoppel-Serie geben, 2026 soll die Disziplin in Cortina d'Ampezzo in den Dolomiten ihre olympische Premiere haben.

Doch der Weg ist auch steinig. Ein erstes Hindernis bestand zunächst in der Grundausrüstung. Das Sportgerät selbst musste neu entwickelt und konzipiert werden, damit auf Anhieb viele neue Doppel ein sicheres und einheitliches Gefährt zur Verfügung haben. Dies muss breiter sein und einen tieferen Schwerpunkt aufweisen, um die Sturzgefahr zu mindern, und es muss ausgeschlossen sein, dass schon zu Beginn Topnationen ihre Materialvorteile ausspielen. "Die Entwicklung und Herstellung hat viel Geld gekostet", sagt Fendt.

Noch ungeklärt ist das nächste Problem: das mit den Quoten. Schon jetzt hat das IOC dem Rodelsport eine neue Frauenquote verpasst, was nicht jeden traditionellen Rodler erfreute. Bislang waren 40 Einzelstarter und 30 Einzelstarterinnen dabei, in Peking lautet die Quote, wie sonst, 35:35. Gegner dieser Gleichberechtigung bezogen sich auf die höhere Klasse und Spannung, die aus der längeren Vergangenheit des Männerrodelns resultiere. Dagegen lässt sich sagen, dass Frauenrodeln wohl kaum spannender wird, wenn weiterhin weniger mitmachen, und dass die Vergangenheit nicht das beste Argument für die Zukunft ist.

Früher gab es ja auch keine weiblichen Doppelsitzer, die nun ausdrücklich erwünscht sind, was vor Olympia 2026 zu neuem Quotenstreit führen dürfte. Schon jetzt sind nicht nur Corless/Nash aus Kanada, sondern auch die jungen Deutschen Jessica Degenhardt und Vanessa Schneider aktiv, und die Weltbesten messen sich ab Mitte Januar bei den Olympischen Jugendspielen in Lausanne. Für ihre Top-Serie in zwei Jahren rechnet die FIL mit mindestens 13 Doppeln. Und sogar der deutsche Verband staunt gerade über das Interesse junger Rodlerinnen am neuen Format: Sieben Paare hatten sich für die Qualifikation für Lausanne angemeldet.

Und das, obwohl Doppel-Rodeln anspruchsvoll ist. Es bedeutet nicht einfach, dass sich halt zwei statt einem auf den Schlitten setzen, sondern es hat eigene Gesetze. Es ist wie ein Autorennen, bei dem einer lenkt und der andere bremst und schaltet. Der Obere sieht und steuert, der Untere sieht nichts, er spürt eher das Eis, verlagert sein Gewicht, und sorgt für eine ruhige Fahrlage.

Doppelsitzer-Schlitten sind sensible Gefährte, mit einem eher schlechten Schwerpunkt, aber vielleicht ist gerade dieses Abenteuer so verlockend. Und dazu diese Aussicht, die sich nicht mehr so oft im klassischen Sport öffnet, die nun alle anzieht, auch die jungen Deutschen: Nämlich die Ersten zu sein, die ersten Olympiasiegerinnen im Frauendoppel.

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