Rodeln:Die Mamas sind wieder schnell

Rennrodel Weltcup / BMW Sprint-Weltcup; Winterberg, 20.12.2020 Freude ueber Platz 2 im Damen-Sprint: Natalie Geisenberg

Eine Sonderbehandlung vom Bundestrainer gab es nicht: Natalie Geisenberger freut sich über ihren zweiten Platz in Winterberg.

(Foto: Axel Kohring/imago)

Sie staunen über sich selbst: Olympiasiegerin Natalie Geisenberger und Dajana Eitberger schaffen es nach der Geburt ihrer Söhne zurück an die Spitze - auf ganz unterschiedlichen Wegen.

Von Thomas Gröbner

Als Natalie Geisenberger ein paar Monate nach der Geburt ihres Sohnes den Helm überstreifte und das Visier zuklappte, da nahm sie auch die Zweifel mit auf die Bahn. "Zu Hause ist jemand, der braucht mich", so gingen die Gedanken im Kreis. Und deshalb hat sich Geisenberger gefragt: "Will ich das, brauch ich das noch?" Rodeln ist ein Rennsport, ohne Risiko geht es nicht. "Im Ziel", erzählte die 32-Jährige, "da wusste ich dann: Ja. Will ich noch. Brauch ich noch."

Im Mai ist Natalie Geisenberger Mutter geworden - und führt nun schon wieder den Gesamtweltcup an. Ihre Teamkollegin Dajana Eitberger, 29, bekam im Februar einen Sohn und siegte schon Mitte Dezember in Oberhof zum ersten Mal nach der Babypause. Die Geburt ihrer Kinder liegen nur zehn Wochen auseinander, erst Ende November sind die Mütter wieder eingestiegen in den Weltcup und staunen nun über sich selbst: "Wenn mir das jemand im Sommer gesagt hätte, ich hätte es nicht geglaubt", sagt Geisenberger. "Die beiden zeigen: Es ist ist möglich", sagt Bundestrainer Norbert Loch.

"Über Männer würde es so einen Text nicht geben", sagte Natalie Geisenberger vor dem Weltcup am Wochenende am Königssee am Telefon. Gut, da hat sie recht. Dass Rodler Felix Loch bei den Männern dominiert, als Vater zweier Kinder, der Umstand hat keine großen Schlagzeilen gemacht. Aber es ist eben keine Selbstverständlichkeit, dass zwei Athletinnen zurückkommen in den Leistungssport nach einer Geburt. Nicht so schnell, nicht so stark. Und auf so unterschiedliche Art.

Rodeln Weltcup Oberhof

Tränen in Oberhof: Die Zweite Natalie Geisenberger (li.) umarmt die Siegerin Dajana Eitberger auf dem Podium.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Natalie Geisenberger hat ja eigentlich schon alles erledigt in ihrem Sport: Die Miesbacherin hat vier Olympia-Goldmedaillen, neun WM-Titel und sieben Mal den Gesamt-Weltcup gewonnen, es gibt kaum eine Wintersportlerin, die so erfolgreich war. Nun hat sie eine neue Herausforderung: Sie will nochmal die Nummer eins sein, obwohl für sie der Sport nur noch die Nummer zwei sein kann.

Sie hat einen Plan für ihre Rückkehr entworfen, mit einer Bedingung: "Ich möchte das nur machen, wenn der Kleine mitkann." Stillen, Werkstatt, Stillen, Eiskanal, so sehen die Tage manchmal aus. "Dass das stressig wird, das war klar." Das Ganze funktioniert nur, weil ihr Mann und das Baby immer dabei sind, und wenn es geht, auch der Hund und der Opa: "Im Prinzip habe ich meinen Hausstand dabei." Doch aus ihrer Mutterrolle schöpft sie auch neue Ruhe: "Meinem Sohn ist es egal, ob ich als Erste, Zweite oder als 14. heimkomme."

Bei ihrer Teamkollegin Dajana Eitberger ist alles anders. Die Thüringerin hat ihr Comeback nicht geplant, sondern hat sich überreden lassen. "Hey, es brennt doch noch im Herzen, du möchtest dich doch noch nicht geschlagen geben", so hat ihr Freund ihr zugeredet nach der Geburt. Der Sohn bleibt nun zu Hause während der Wettkämpfe, das ist hart für sie: "Ich bestreite die Reisen alleine, aber ich hab einen Haufen Ballast dabei." Als sie sich zum ersten Mal längere Zeit von ihrem Sohn verabschieden musste, "da habe ich eine halbe Stunde geheult. Dass es mich so übermannt, damit hatte ich nicht gerechnet."

Die Olympischen Spiele 2022, das ist das erklärte Ziel für beide Rodlerinnen, auch wenn sie die Mission unterschiedlich angehen. "Ihr Weg ist für sie perfekt, aber für mich würde er nicht passen", sagt Geisenberger.

Noch immer sind Mütter im Leistungssport Ausnahmen, doch ein paar fallen Geisenberger ein. Kugelstoßerin Christina Schwanitz und Diskuswerferin Julia Harting etwa, oder die Tennisspielerin Serena Williams. Die reist allerdings mit Nanny und großem Betreuerstab, viel abschauen kann man sich von ihr als Rodlerin nicht. "Jeder muss seinen eigenen Weg gehen", glaubt Geisenberger, "da kann es kein Vorbild geben."

Eine Sonderbehandlung haben sie nicht bekommen vom Bundestrainer, einen Mama-Bonus verlangen die beiden auch nicht. Sie mussten durch die Mühlen der Qualifikation für den Weltcup gehen, was ihnen problemlos gelang. Dafür hat Geisenberger Ende Juni wieder mit dem Training angefangen, nicht an der Hantelbank, sondern mit Rückbildung. Die Bauchmuskulatur stärken, gleichzeitig Kraft aufbauen und Gewicht zu reduzieren, das ist die Schwierigkeit, dazu braucht es noch Schnelligkeit für den Start. "Es fehlen schon noch ein paar Körner. Das wäre auch seltsam, sonst hätte ich die Jahre zuvor auch etwas falsch gemacht", sagt Geisenberger.

Die Babypause der beiden Spitzenfahrerinnen hatte ihre Teamkollegin Julia Taubitz genutzt und 2020 den Gesamtweltcup gewonnen. "Den will ich jetzt nicht kampflos aufgeben", sagt Geisenberger mit Blick auf 2021. Sie plant nun, die weite Reise nach Lettland auf sich nehmen für den Weltcup in Sigulda in zwei Wochen. Auch wenn es heißt, doch ohne ihr Kind an die Bahn zu reisen.

Ihre Kollegin Eitberger hatte schon angeboten, sie zu unterstützen: "Ich werde da der Natalie eine tröstende Schulter geben, damit sie die Woche übersteht." Der Bundestrainer ist voll des Lobes für den Zusammenhalt seiner Spitzenkräfte: "Ihr Beispiel ist für andere nachahmenswert", findet Norbert Loch, "aber es sollen nicht alle gleich schwanger werden."

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