Rodel-Konstrukteur Georg Hackl:Ross Brawn im Eiskanal

Sotschi 2014 - Rodeln

Natalie Geisenberger beim Gold-Tanz mit Georg Hackl im Deutschen Haus.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Georg Hackl war einst der erfolgreichste Rodler der Welt, jetzt ist er der beste Rodel-Konstrukteur der Welt: Alle vier deutschen Olympiasieger arbeiten mit ihm zusammen. Der Kritik von Tatjana Hüfner erteilt er nun eine derbe Abfuhr.

Von Carsten Eberts, Krasnaja Poljana

Der Hacklschorsch sitzt abseits, die große Bühne überlässt er seinen Athleten. Felix Loch ist da und Natalie Geisenberger, Tobias Wendl und Tobias Arlt. Sie lächeln ihm zu. Der Hacklschorsch sitzt lieber unten, in der erste Reihe, hält die Arme vor seinem gelben Pullover verschränkt. Der Mann, dessen Vor- und Nachname aus einem einzigen Wort besteht, ist hochzufrieden.

Der Morgen danach ist ein triumphaler für die deutschen Rodler. Sie sehen müde aus. Loch hat Probleme mit der Stimme, sie kippt weg, eine Nachwirkung der Feierei in der Nacht. Vier Rennen, viermal Gold. Ein Grand Slam sozusagen. Die Konkurrenz deklassiert, auch in der erstmals ausgetragenen Team-Staffel. Über eine Sekunde Vorsprung.

Georg Hackl, wie der Hacklschorsch richtig heißt, spielt dabei keine unwesentliche Rolle. Er ist der erfolgreichste deutsche Rodler, den es bislang gab, und hat sich nach seiner Karriere auf das Justieren und Schleifen von Schlitten und Kufen spezialisiert. Jedes deutsche Rodel-Gold in Sotschi wurde auf einem seiner Schlitten geholt, so knapp lässt sich die Erfolgsbilanz ausdrücken.

Zur Halbzeit des Empfangs im Deutschen Haus in Krasnaja Poljana steht plötzlich doch Hackl im Rampenlicht. Seine Rodler verziehen sich langsam, Hackl spricht. Er nimmt sich viel Zeit, eilt von Interview zu Interview. "Ich mache mir ja auch meine Gedanken, warum das gerade so ist", sagt Hackl. Stolz ist er. Mächtig stolz.

Dabei weiß er das eigentlich ganz gut, warum das so ist. Mit Loch, Geisenberger, Wendl und Arlt hat er eine außergewöhnlich talentierte Trainingsgruppe beisammen. Alle trainieren bei ihm in Berchtesgaden, sie hieven sich gemeinsam auf ein neues Niveau. Und er, Hackl, gibt nicht nur Tipps, sondern stellt ihnen auch noch die besten Schlitten zur Verfügung.

"Wir alle sind unglaublich stolz, dass wir ihn im Team haben", sagt Felix Loch, der dreifache Olympiasieger, "ohne ihn wären wir nicht da, wo wir sind."

"Das ist ja irgendwie auch mein Werk", findet Hackl.

Hackl ist offiziell Ko-Trainer der deutschen Rodler. Der Bundestrainer, Norbert Loch, ist der Vater von Felix Loch. "Die Athleten geben dem Schorsch Rückmeldung, so wie Schumacher es einst gemacht hat", erzählt Norbert Loch aus der täglichen Arbeit. Michael Schumacher also, der frühere Formel-1-Weltmeister, der während seiner Karriere wie kein anderer Fahrer zusammen mit den Ingenieuren am Auto getüftelt hat.

Kritik an Hüfner

Wenn Loch und Geisenberger und all die anderen Rodler wie Schumacher sind, ist der Hackl dann Ross Brawn? Das Genie, das all die Informationen zusammen flickt? "Auf seine Fähigkeiten können wir immer vertrauen", sagt Felix Loch. Er lächelt in die erste Reihe, wo sein Schleif- und Tüftelmeister nickt.

Gegen Hackls Schlitten hat die Konkurrenz derzeit keine Chance, auch nicht die Kontrahenten im eigenen Team. Die Unruhe war groß, als sich Tatjana Hüfner auf der Pressekonferenz nach ihrem zweiten Platz im Frauen-Rennen plötzlich über die Bevorzugung der Athleten aus Berchtesgaden beschwert hat.

Hüfner, die in Oberhof trainiert, wähnte sich ebenfalls schnell unterwegs, hatte gegen Geisenberger dennoch keine Chance. "Ich war am Start die Schnellste und es war ein guter Lauf", klagte Hüfner, "und am Ende hat Natalie fast drei Zehntelsekunden Vorsprung." Der Vorwurf: Die Athleten in Berchtesgaden werden bestmöglich gefördert, machen ein Geheimnis um ihre Tricks. Und Oberhof hinkt hinterher.

Hackl weiß, dass die Kritik auch gegen ihn gerichtet war. Zuerst wollte er während einer Pressekonferenz am Freitagvormittag nichts zu diesem Thema sagen, am Mikrofon der ARD platzte es aber dann doch aus ihm heraus. Hüfners Kritik sei "überhaupt nicht zutreffend", erklärte Hackl. "Tatjana ist die letzten Jahre einsam an der Weltspitze voraus gerodelt. Jetzt hat eine Wachablösung stattgefunden, die einfach nur altersbedingt ist, und da darf sie sich nicht beschweren." Und: Hüfner solle sich über Silber freuen "und nicht die Stimmung schlechtmachen".

Die bayerischen Rodler haben allem Anschein nach alles dafür getan, sich ihre Olympiafeier nicht verderben zu lassen. "Das muss man sich gut einprägen, so etwas werden wir so schnell nicht wieder erleben", sagte Hackl. Die Frage ist, was passieren muss, damit er Recht behält. Momentan hat die Konkurrenz wenig Hoffnung, dass es in vier Jahren in Pyeongchang anders läuft.

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