SZ-Serie "Die besten Sportfilme", Platz 10:So kitschig ist Boxen

Mr. T & Sylvester Stallone Characters: Clubber Lang, Rocky Balboa Film: Rocky Iii (USA 1982) / Lawrence Tureaud Director

Rocky, gespielt von Sylvester Stallone, lässt Clubber Lang, Mr. T, leiden.

(Foto: imago images; Bearbeitung SZ)

Die "Rocky"-Serie erzählt 897 Minuten lang eine rührend ehrliche Geschichte. Das lässt niemanden los, der ein Herz für treuherzige Boxer hat.

Von Benedikt Warmbrunn

Sportfilme haben es von Natur aus schwer: Der geneigte Sportfan erkennt sofort, dass selbst begnadete Schauspieler nicht zwingend Topathleten sind und Topathleten noch seltener begnadete Darsteller. Doch in den vergangenen Jahren ist die Auswahl gelungener Filme immer größer geworden: Die SZ-Sportredaktion stellt 22 von ihnen vor und kürt damit die - höchst subjektiven - 22 besten. Diesmal Platz 10 - "Rocky III".

Acht Filme, 897 Minuten lang führt Robert Balboa einen Kampf, der allgemein als das Leben bezeichnet wird. Er bekommt als Underdog die große Chance. Er landet ganz oben, er stürzt ab. Er verfällt dem Reichtum. Er verliert die Motivation, findet sie wieder. Gewinnt Freunde, verliert sie wieder. Gewinnt Titel, verliert sie wieder. Verdient Geld, verliert es wieder, ausgenutzt von schmierigen Geschäftsleuten. Er kämpft im Ring, er kämpft auf der Straße. Er wird alt. Er wird krank. Er wird ein Mentor. All das übersteht Balboa, den alle Rocky nennen, in diesem Kampf namens Leben nur, weil er zwar oft zu Boden geht, aber nie liegen bleibt.

"Rocky" ist also purer Boxer-Kitsch. Aber dieser Kitsch wird über 897 Minuten lang so rührend ehrlich aufbereitet, dass er niemanden loslässt, der ein Herz für treuherzige Boxer hat.

Acht Filme, 897 Minuten, da gibt es natürlich auch erzählerische Höhen und Tiefen. Daher an dieser Stelle: kein Wort zu "Rocky V". Doch wer den Reiz der Serie verstehen will, ohne einen ganzen Tag zu opfern, dem reicht ein Film: "Rocky III".

Im ersten Film war Rocky ein Nobody aus den Straßen Philadelphias, genannt Italian Stallion, der kurzfristig gegen den ungeschlagenen Weltmeister im Schwergewicht, Apollo Creed, boxen darf. Rocky ist ein zäher Bursche, der Kampf wird ein Gemetzel, es wird geächzt und gestöhnt. Er verliert, und doch gewinnt er das Wichtigste, was der Boxsport zu bieten hat: Respekt. Im zweiten Film gewinnt Rocky dann auch das, was schon so viele Boxer kaputt gemacht hat: den WM-Titel. Der dritte Film beginnt also damit, dass Rocky alles bekommen hat, wovon er zwei Filme lang geträumt hat, dazu noch Ruhm und Geld. Er gewinnt zwar noch ein paar Kämpfe, aber ihm passiert das Gefährlichste, was einem Boxer passieren kann: Er ist satt.

Sylvester Stallone, der Rocky spielt, der das Drehbuch geschrieben hat, der Regie führt, erzählt dann eine Geschichte, die in jeder Sequenz vor Romantik trieft, und doch und vielleicht sogar gerade deswegen ist es eine Geschichte, wie sie typisch ist für das Boxen, und somit allemal auch für das Leben.

The Eye of the Tiger, der Song zu "Rocky III", ist nicht ohne Grund das meistgespielte Einmarschlied bei Profikämpfen

Rocky wird herausgefordert von dem muskelbepackten, hartschlagenden, unzerstörbaren Clubber Lang (der erste Filmauftritt von Mr. T, dem Muskelbepackten aus dem "A-Team"), und obwohl ihm sein strenger Trainer Mickey, gegen den der reale Boxtrainer Ulli Wegner wie ein sanftes Kätzchen daherkommt, abrät, nimmt Rocky die Herausforderung an. Als er in den Ring steigt, liegt Mickey in der Kabine im Sterben. "Dead meat", raunt Clubber Lang Rocky vor dem ersten Gong zu. Dann wird der Champion nach allen Regeln der Kunst vermöbelt. Wie in allen "Rocky"-Filmen wird geschnauft und geufft, ein Boxkampf ist bei Stallone: ehrliche Arbeit. Vor dem finalen Schlag blickt ein blutüberströmter Rocky mit leeren Augen seinen Herausforderer an, er ist nun tatsächlich nicht mehr als ein riesengroßes Stück Fleisch. Er wird ausgeknockt. Kurz darauf stirbt in der Kabine Mickey.

Diesen tiefen Fall braucht der Erzähler Stallone, um seinen Helden noch höher steigen zu lassen. Rocky lässt sich von seinem alten Rivalen Apollo Creed trainieren, am Strand von Los Angeles. Aus einem zähen Kämpfer wird Schnitt für Schnitt ein immer leichtfüßigerer Tänzer. Rocky, für den das Boxen nur ein Lebensantrieb war, findet in diesem ehrlichen Arbeitersport auf einmal neue Freude in seinem Leben. Der Kitsch wird dem Zuschauer fast schon ins Gesicht geschlagen, aber so funktioniert eben das Boxen: Erfolgreich ist der, der sich selbst ins Innerste schaut, der sich seinen Schwächen stellt, der einen inneren Antrieb findet. The Eye of the Tiger, der Song zu "Rocky III", ist nicht ohne Grund das meistgespielte Einmarschlied bei Profikämpfen.

Im Rückkampf gegen Clubber Lang tanzt Rocky natürlich an den Schlägen seines Gegners vorbei, dessen Urgewalt entlarvt er als hohle, unnütze Kraft. Es wird weiter geächzt und gestöhnt. Aber Rocky schwebt zum Knockout.

In den weiteren Filmen wird Rocky noch Apollo Creeds Tod verarbeiten und rächen müssen, er versucht sich als Trainer, trauert um seine Frau, steigt noch einmal in den Ring. In den bisher letzten Filmen der Reihe, den Spin-offs "Creed I&II", trainiert er Apollos Sohn Adonis (Michael B. Jordan). Diese Rolle als Adonis' Mentor ist vielleicht die am feinsten gezeichnete der ganzen Reihe, nicht ohne Grund wurde Stallone dafür 2016, 39 Jahre nach dem ersten Teil, noch einmal für einen Oscar nominiert. Denn aus dem Nobody, der reich wurde, der seinen inneren Antrieb finden musste, ist ein Mann geworden, der gelernt hat, dass nicht das Verlieren das Schwierigste ist in diesem Kampf, den wir als Leben bezeichnen. Sondern das Weitermachen.

"Rock III - Das Auge des Tigers", 1982, Regie Sylvester Stallone

Bereits erschienene Rezensionen:

Platz 22: "Free Solo"

Platz 21: "Rush"

Platz 20: "Die nackte Kanone"

Platz 19: "Slap Shot"

Platz 18: "Foxcatcher"

Platz 17: "The Wrestler"

Platz 16: "Nowitzki. Der perfekte Wurf"

Platz 15: "Le Grand Bleu"

Platz 14: "White Men Can't Jump"

Platz 13: "I, Tonya"

Platz 12: "Battle of the Sexes"

Platz 11: "Jerry Maguire"

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