Rockenfeller holt DTM-Gesamtsieg:Zum Sieg gefahren, nicht gerammt

DTM German Touring Car - Zandvoort - Race

Fuhr zum DTM-Gesamtsieg: Mike Rockenfeller

(Foto: Bongarts/Getty Images)

In der vergangenen Saison gewann er kein einziges Rennen bei den Deutschen Tourenwagen-Masters - doch nun holt er den Gesamtsieg: Der Deutsche Mike Rockenfeller ist der unaufgeregte Sieger einer Rennserie, die spannend, aber auch phasenweise chaotisch verlief.

Von Johannes Knuth

Mike Rockenfellers Antwort hatte etwas Beruhigendes. Als spreche er gerade über die Orchideenzucht oder das Kuchenrezept seiner Großmutter, nicht darüber, wie es sich so anfühlt, der schnellste Pilot der Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) zu sein. "Ich gehe zum Rennen und versuche mein Bestes", sagte Rockenfeller vor ein paar Wochen, da hatte er gerade die Führung in der Fahrerwertung übernommen, dann fügte er an: "Wenn es geht, geht es, und wenn es nicht geht, dann nicht."

Mike Rockenfeller meidet knackige Ansagen. Der 29-Jährige fällt auch sonst kaum auf, er beleidigt seine Gegner nicht, er rempelt sie nicht von der Piste. Rockenfeller fährt einfach nur schnell, und mit dieser Tugend hat der Pilot aus dem kleinen Audi-Phoenix-Team eine überraschend starke Saison auf den Asphalt gezaubert: Während seine Kontrahenten sich von der Piste rammten, mit dem Material haderten oder disqualifiziert wurden, sammelte Rockenfeller Punkte, beständig, in jedem Rennen. Am Sonntag in Zandvoort setzte er sich früh in der Spitzengruppe fest, als Zweiter, dort blieb er bis zum Ende - das reichte für den Gesamtsieg, seinen ersten in der DTM.

Am Kommandostand kullerten die Tränen, auch Rockenfeller schluckte ein paar Mal. Dann sagte er: "Es ist viel Last von meinen Schultern gefallen, auch wegen meiner Anfangszeit in der DTM. Ich musste lange für diesen Moment kämpfen."

Pannen und Stinkefinger

Rockenfeller ist der unaufgeregte Sieger einer aufregenden, phasenweise chaotischen Saison. Beim zweiten Rennen in Brands Hatch parkte Augusto Farfus seinen Wagen auf der Zielgerade, das Getriebe. Der Abschleppwagen zuckelte über die Strecke, die Fahrer wichen dem Pannendienst gerade noch aus, die Rennleitung hatte vergessen, das Safety-Car zu aktivieren. Ach ja, das Rennen gewann Rockenfeller, der hatte von all dem an der Spitze nichts mitbekommen. Auf dem Lausitzring rangelte Titelkandidat Mattias Ekström mit Titelverteidiger Bruno Spengler um Platz sieben. Spengler zeigte Ekström den Stinkefinger, Ekström hielt verbal dagegen ("Sissy!"). Rockenfeller wurde derweil Zweiter.

Dann das turbulente Rennen am Norisring: Edoardo Mortara rammte Titelkandidat Gary Paffett in der letzten Runde in die Mauer. Ekström gewann, wurde aber disqualifiziert, weil ihm sein Vater im Parc fermé Wasser in den Rennanzug gekippt hatte. Die Szene diskutierte über "Watergate", Rockenfeller freute sich heimlich, dass er sich vom 19. Platz in der Qualifikation auf Platz fünf im Rennen gemogelt hatte. Dieter Gass, sportlicher Leiter von Audis DTM-Flotte, lobte: "Er ist ein intelligentes Rennen gefahren."

Es ist wohl diese Form des Risikomanagements, die Rockenfeller vom Rest des Feldes abhebt. "Ich bin nicht immer bei 100 Prozent", glaubt er, "aber ganz sicher immer bei 95 Prozent". Manche seiner Konkurrenten wählen ein Setup, das ihnen vielleicht den Sieg beschert, vielleicht auch gar nichts. Rockenfeller wählt das Setup, das er kennt, auch wenn er damit nur Fünfter wird. Manche Konkurrenten suchen den Zweikampf, das Risiko. Rockenfeller sucht einen Weg, ins Ziel zu kommen. Das ist nicht immer spektakulär. Aber es ist erfolgreich.

"Das war schon eine Durststrecke"

Es hat ein wenig gedauert, bis Rockenfeller diese Balance gefunden hat. 2004 gewann er den Porsche Carrera Cup, mit 21, 2005 holte er sich die GT2-Meisterschaft. Rockenfeller fuhr zwei, manchmal drei Rennen pro Wochenende, 100 Prozent Einsatz, 100 Prozent Erfolg. 2007 wechselte Rockenfeller zu Audi in die DTM, nebenher führ er im Sportwagen Rennen in der Le-Mans-Serie. "Ich dachte damals, das geht so weiter", mit dem Erfolg, sagt Rockenfeller. Ging es aber nicht, nicht auf diesem Niveau. Rockenfeller gewann zwar die Le-Mans-Serie (2008) und die 24-Stunden von Le Mans (2010), sackte in der DTM aber phasenweise ins Mittelfeld ab. 2011 gewann er in Zandvoort sein erstes DTM-Rennen, 2012 gewann er keines. "Das war schon eine Durststrecke", sagt Rockenfeller.

Vor der aktuellen Saison änderte Rockenfeller seinen Fokus: Er konzentrierte sich auf die DTM, zu 100 Prozent. Viele seiner Konkurrenten hatten Probleme mit den neuen Optionsreifen, die jeder Fahrer in dieser Saison im Rennen einsetzen muss. Rockenfeller tüftelte, er fand einen Weg, die schnellen, aber schnell abbauenden Reifen lange im Rennen zu verwenden, länger als die Konkurrenz. "Ich weiß, was die anderen machen", sagt Rockenfeller, "und ich weiß, was wir gemacht haben."

Ob Rockenfeller seinen Titel 2014 verteidigen wird, steht noch nicht fest. Er werde weiter für Audi fahren, richtete der 29-Jährige aus, er wisse aber noch nicht, in welcher Serie - in der DTM oder doch wieder in der Sportwagen-WM? Ziemlich sicher ist: Mike Rockenfeller wird sich für eine Option entscheiden, zu 100 Prozent.

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