Lewandowskis Fünferpack:Ein-Mann-Tornado bricht die Rekorde

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn

Es war 21.22 Uhr, als dann das irgendwie fast schon Unvorstellbare doch passierte. Robert Lewandowski kam im Strafraum an den Ball, seine Schussbahn war frei, er schaufelte den Ball im hohen Bogen durch den Strafraum, und so musste notiert werden: Lewandowski hatte eine Torchance vergeben.

Lewandowski ist Fußball-Stürmer, und Fußball-Stürmer vergeben Torchancen, das gehört zu ihrem Fußball-Stürmer- Dasein. Nicht aber bei dem Robert Lewandowski zwischen 21.01 Uhr und 21.22 Uhr. Der Angreifer des FC Bayern war in der Bundesliga-Partie gegen den VfL Wolfsburg nach der Pause eingewechselt worden, nach Sprunggelenksproblemen saß er zunächst auf der Ersatzbank; von dort sah er, wie seine Mannschaft mit einem 0:1-Rückstand die erste Halbzeit beendete. Dann also wurde Lewandowski eingewechselt. Nur sechs Minuten später erzielte er den Ausgleich, aber das war erst der Anfang.

Weitere drei Minuten und 22 Sekunden später hatte er den schnellsten Hattrick der Bundesliga-Geschichte erzielt.

Bis dahin hatte Michael Tönnies als Schnellster drei Tore nacheinander in einer Halbzeit erzielt, im August 1991 brauchte er beim 6:2 des MSV Duisburg gegen den Karlsruher SC mit einem gewissen Oliver Kahn im Tor fünf Minuten für drei Tore. "24 Jahre hab' ich diesen Rekord gehabt. Dass er jetzt weg ist, ist natürlich ein bisschen schade. Aber was Robert Lewandowski da hingezaubert hat, war einfach sensationell", schrieb Tönnies auf der Facebookseite des MSV: "Das haste dir verdient, Robert! Herzlichen Glückwunsch!"

Weitere zwei Minuten und 20 Sekunden später hatte Lewandowski den schnellsten Viererpack der Bundesliga-Geschichte erzielt.

Weitere drei Minuten und 17 Sekunden später hatte er den schnellsten Fünferpack der Bundesliga-Geschichte erzielt - als erster Einwechselspieler überhaupt traf er in einem Spiel fünfmal.

Acht Minuten und 59 Sekunden

"Ich bin sehr zufrieden", sagte Lewandowski später, "das war Wahnsinn. Ein unglaublicher Abend für mich." Auch Trainer Pep Guardiola war sich der Einmaligkeit des Augenblicks bewusst. "Das habe ich noch nie erlebt. Und ich denke, das werde ich auch nicht noch einmal erleben", sagte der 44-Jährige, der in seiner Laufbahn ja schon so einiges erlebt hat: "Fußball ist manchmal verrückt." Karl-Heinz Rummenigge lobte Lewandowski: "Mit ihm kam richtig Schwung rein." So viel Schwung, dass der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern zum größt- möglichen Kompliment griff, das sich ein Torjäger beim Rekordmeister verdienen kann: "Wie Gerd Müller früher war er immer zur rechten Zeit am rechten Ort", befand Rummenigge zu Lewandowskis Gala. "Unglaublich", meinte Philipp Lahm - und frotzelte: "Aber er hätte ja sogar noch zwei Tore mehr machen müssen."

Fünf Tore von Robert Lewandowski in acht Minuten und 59 Sekunden (51., 52., 55., 57., 60.), ein eleganter Schuss aus der Drehung, dreimal kühler Torjägerinstinkt, dazu ein Seitfallzieher - mehr brauchte es an diesem Dienstagabend nicht, um das Spiel des FC Bayern zusammenzufassen. 5:1 (0:1) besiegte der Meister den Pokalsieger, mit seinen Toren verbarg Lewandowski die kleineren Ungereimtheiten im Spiel des Gastgebers des FC Bayern. Vor allem aber beendete er mit seinen Treffern eine kleine Negativserie: Erstmals besiegte der FC Bayern in diesem Jahr den VfL Wolfsburg.

Bayern Muenchen - VfL Wolfsburg - Bundesliga

Kommt ein Lewandowski geflogen: Sein schönstes Tor erzielte der Pole zum 5:1-Endstand. Gegenspieler Naldo (links) hält sich fast ehrfürchtig zurück.

(Foto: Boris Streubel)

Im Kalenderjahr 2015 war Wolfsburg zuvor für den FC Bayern nur mit unangenehmen Erinnerungen verbunden. Zum Start der Rückrunde wurde die Konteranfälligkeit der Mannschaft von Trainer Pep Guardiola durch Wolfsburg eiskalt ausgenutzt - der VfL gewann 4:1. Im ersten Pflichtspiel dieser Saison, dem Supercup, unterlag der FCB im Elfmeterschießen.

Dann kam die Pause. Und dann Lewandowski

Nicht zuletzt aufgrund dieser jüngsten Ergebnisse hatte Pep Guardiola den Gegner sehr ernst genommen. Mit Ausnahme eben von Lewandowski schickte er seine beste Startelf in die Partie; für den polnischen Nationalangreifer spielte Mario Götze. Thomas Müller ganz vorne, links Götze, rechts Douglas Costa, das war das Offensivtrio des FC Bayern. Aber es war auch ein Trio, dem eines zu selten gelang: in den Strafraum zu kommen.

Der FC Bayern dominierte die Partie lange, doch diese Dominanz endete am Strafraum der Gäste, die diesen wuchtig versperrten. So erspielte sich der Gast- geber zwar einen verräterischen Vorsprung in der Torschussbilanz - doch waren dies vor allem Versuche aus der Distanz. Douglas Costa schoss direkt auf VfL-Torwart Diego Benaglio (7.), Arturo Vidal über die Latte (13.), Müller nach einem feinen Zuspiel von Götze knapp vorbei (16.). Wirklich gefährlich war das nicht.

Und Wolfsburg? Die erinnerten sich an die erfolgreiche Taktik aus dem ersten Pflichtspiel des Jahres. Und konterten.

Dichtes Defensivnetz

Kaum hatte sich ein Pass des FC Bayern im dichten Defensivnetz des VfL verfangen, kombinierten diese sich auf direktem Weg nach vorne. Nach einer Flanke von Christian Träsch rutschte Julian Draxler knapp am Ball vorbei (18.). Und dann kam dieser Gegenangriff, der eingeleitet wurde von einem ganz besonderen VfL-Verteidiger. Dante, der Innenverteidiger der Ende August nach drei Jahren in München nach Wolfsburg gewechselt war, blockte im Strafraum Müller ab, dann ging es schnell. Am Ende flankte Draxler aus der Mitte nach rechts zu Daniel Caligiuri, der schoss mit vollem Risiko, keine Chance für Manuel Neuer (26.).

Der FC Bayern verlor danach vorübergehend auch etwas an Schwung, und beinahe hätten die Gäste dies erneut ausgenutzt. Neuer fing einen langen Ball fast an der Mittellinie ab, legte ihn sich zu weit nach vorne, er rollte direkt Joshua Guilavogui vor die Füße. Der Mittelfeldspieler probierte es von hinter der Mittellinie, doch der Ball flog am leeren Tor vorbei (38.). Dann kam die Pause.

Und dann kam Lewandowski.

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